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Ein Schweizer Blick auf den Mauerfall

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Lukas Hartmann, es gibt Momente, in denen man eine Neuigkeit erfährt und sofort spürt, dass diese die Welt verändern wird. War der Mauerfall vom 9. November 1989 für Sie einer dieser Momente?

Ich war vor dem Mauerfall als Journalist für Reportagen in Afrika und kehrte am 9. November nach Europa zurück–zurück in eine Welt, die Kopf stand. Die Bilder von Menschen, die auf der Berliner Mauer stehen und die Wiedervereinigung feiern, kamen völlig überraschend.

 

 Also war es für Sie eine Rückkehr in eine veränderte Welt?

Ich war zuvor mehrere Male und auch für längere Zeit in der DDR. Alle, mit denen ich damals sprach, waren der festen Überzeugung, dass sich an der Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland noch sehr lange nichts ändern würde. Und auf einmal war die Welt nicht mehr dieselbe. Der Ost-West-Konflikt, der so lange unser politisches Denken bestimmt hatte, war im bisherigen Sinn vorbei. Man glaubte plötzlich an das Bild einer friedlichen Zukunft. Auch ich dachte, dass die Welt neu erfunden werden könnte. Ich fragte mich in diesem Moment aber auch, was jetzt aus Afrika wird und ob der «vergessene Kontinent» weiterhin vergessen bleibt. Die Diskrepanz zwischen meinen eigenen Erlebnissen in Afrika und den gewaltigen Umbrüchen in Europa haben mich fast zerrissen.

 

 Mario, eine der Hauptfiguren in «Auf beiden Seiten», bezeichnet den Moment des Mauerfalls als «ein Flügelschlag der Utopie». Haben auch Sie so empfunden?

Ja, auch ich habe den Mauerfall als Flügelschlag einer besseren Zukunft empfunden. Eine Utopie, die sich leider nicht erfüllt hat. Trotzdem glaube ich, dass es richtig ist, in Richtung einer gerechteren und friedlicheren Welt zu blicken. Denn das macht den Menschen aus: Dass er diese Hoffnung durch alle Wirren hindurch auch bewahren kann, ohne in Resignation und Zynismus zu versinken.

 

 Mario beschreibt das Berlin jener Jahre auf eindrückliche Art und Weise–das Resultat ihrer eigenen Erinnerungen an eine zweigeteilte Stadt?

Natürlich. Ich erinnere mich noch sehr genau an schikanöse Grenzübergänge und erniedrigende Durchsuchungen. Ich erinnere mich aber auch an sehr herzliche Menschen, in denen–im Zuge der Leipziger Demonstrationen–erstmals ein Funken Hoffnung auf Veränderungen keimte. Auch an die Verödung und den Zerfall der Stadt ausserhalb ihres herausgeputzten Zentrums kann ich mich gut erinnern.

 

 Hat der Mauerfall Ihre Sicht auf die Schweiz verändert?

Sie hat die Zweiteilung zwischen einem bürgerlichen Mainstream und den unruhigen Linken aufgebrochen und so zu Diskussionen angeregt. Das hat sich auch in der Abstimmung zur GSoA-Initiative manifestiert, die–nur wenige Wochen nach dem Mauerfall–die Abschaffung der Armee in der Schweiz forderte und überraschende 35 Prozent Zustimmung fand.

Hat der Mauerfall in der Schweiz Krusten gelöst?

Bestimmt. Das starre Ost-West-Blockdenken, das im Buch auch durch die Rolle der geheimen Widerstandsgruppe P-26 thematisiert wird, wurde aufgeweicht.

 

 Ein Blockdenken, das heute wieder vermehrt zu verspüren ist. Fallen wir in alte Zeiten zurück?

Es ist schwer vorhersehbar, wie die Zukunft dieses Landes aussieht, wenn es um die Schicksalsfrage nach dem Verhältnis zu der EU geht: Tendiert sie mehr in Richtung Isolation oder mehr in Richtung bewusster Verflechtung? Ich bin der Überzeugung, dass man die Verflechtung aktiver gestalten sollte.

 

 Wieso wäre es negativ für die Schweiz, wenn die Isolation stärker zum Tragen käme?

Sollte man die heute in Frage gestellten bilateralen Verträge aufgeben, dürfte es zu negativen Reaktionen aus der EU kommen, die uns zu schaffen machen würden. Sie dürften aber gerade die Jugend dieses Landes stark benachteiligen. Ich denke, es wäre viel vitaler für die Schweiz, wenn sie das Zusammenleben mit den sie umgebenden Nationen aktiv gestaltet und sich selber nicht als «ewigen Sonderfall» stilisiert. Wir müssen jetzt schauen, wie sich die Masseneinwanderungsinitiative verfassungsgetreu umsetzen lässt. Ich zweifle nicht daran, dass dies letztlich gelingen wird. Aber es wird ein mühsamer Weg mit vielen Auseinandersetzungen.

 Können Sie die Angst davor, einst die Zügel nicht mehr in der eigenen Hand zu haben, nicht nachvollziehen?

Die haben wir schon lange nicht mehr in der eigenen Hand. Und schon genauso lange werden die Ängste vor dem Ausland auch politisch ausgeschlachtet. Diese Angst kann sich nur im Kontakt mit jenen Leuten und Institutionen lösen, die einem Angst machen. Die Schweiz hat sich verändert, das ist unbestreitbar. Aber hat das nicht auch Vorteile gebracht? Ist ein liberales Verständnis von gesellschaftlichem Zusammenleben nicht auch ein Gewinn für die junge Schweiz? Sobald Leute, die sich gerne abkapseln, in direkte Berührung kommen mit Fremdländischem, passiert häufig viel Unerwartetes und Positives.

 

 Ist ein historischer Roman das richtige Mittel, moderne Probleme aufzugreifen?

Ich denke, es ist eine Möglichkeit. Mark Twain hat mal gesagt, dass sich Geschichte zwar nie eins zu eins wiederhole, aber durchaus reime. Wenn wir auf den Klang dieses Reimes achten, können wir daraus vielleicht frühzeitig auf Erkenntnisse für unsere eigene Zeit schliessen. Wenn ich historische Romane schreibe, will ich dabei aber auch das allgemein Menschliche in der Dynamik von Beziehungen zeigen. Hier prallen gerade innerhalb von Familien auch immer Welten aufeinander: das konservative Grundbedürfnis und der Drang nach Veränderung. Wer will, kann auch daraus etwas auf die eigene Gegenwart beziehen–das macht aus meiner Sicht den Wert eines historischen Romans aus.

Vorschau

Lukas Hartmann liest im Schloss Überstorf

Auf Einladung der Biliotheken Überstorf, Schmitten, Flamatt und Wünnewil liest Lukas Hartmann am Freitagabend im Schloss Überstorf aus seinem neuen historischen Roman «Auf beiden Seiten». Die in vielen Rezensionen gerühmte Geschichte um den Schweizer Journalisten Mario spielt im Umfeld des Mauerfalles von 1989 und erzählt von Generationenkonflikten und einer politisch brisanten Vergangenheit, die bis heute nachwirkt. Für den 1944 in Bern geborenen und mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga verheirateten Autoren ist die Lesung in Überstorf eine Rückkehr an seinen alten Wohnort: Von 1991 bis 1996 lebte Hartmann in der Sensler Gemeinde, mit welcher ihn bis heute Freundschaften verbinden.mz

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