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«Ein Theater ist kein Ikea-Bausatz»

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«Ein Theater ist kein Ikea-Bausatz»

Autor: Carole Schneuwly

Mit der Eröffnung des Gastspielhauses Equilibre in Freiburg ist für die Kulturlandschaft der ganzen Region eine Ära zu Ende gegangen. Im Dezember 1999 unterzeichneten die Gemeinden Freiburg, Villars-sur-Glâne, Givisiez, Granges-Paccot und Corminboeuf eine Übereinkunft zur Schaffung regionaler kultureller Infrastrukturen; ab 2003 nannte sich der Gemeindeverband «Coriolis Infrastrukturen». Nun sind die grossen Ziele des Verbandes erreicht: In Villars-sur-Glâne steht mit dem 2005 eröffneten Nuithonie ein Zentrum für zeitgenössische Bühnenkunst, und in Freiburg ist das Gastspielhaus Equilibre für Theater, Konzerte, Ballett und Oper betriebsbereit. Zudem wurde 2007 das Kulturzentrum im Alten Bahnhof Freiburg eröffnet, und auch das Théâtre des Osses, das Konzertlokal Fri-Son und der Jazzkeller La Spirale profitierten von Coriolis Infrastrukturen.

Einer, der die ganze Entwicklung aus nächster Nähe miterlebt hat, ist Markus Baumer: Im Jahr 2000 wurde er als Kulturdelegierter für Stadt und Region angestellt und war in dieser Funktion unter anderem zuständig für die Geschäftsführung von Coriolis. Im Herbst 2010 gab er die Stelle auf, hat aber nach wie vor ein Beratermandat inne.

 

Markus Baumer, bei der Eröffnung des Equilibre haben sämtliche Redner Sie speziell geehrt und verdankt. Wie haben Sie diesen Abend erlebt?

Natürlich war ich gerührt, aber der Abend selbst war für mich etwas seltsam, fast surreal, als ob ich gleichzeitig da wäre und doch nicht richtig anwesend. Nach so vielen Jahren fehlt einfach die Distanz; man weiss irgendwann nicht mehr, ob man dieses Objekt nun liebt oder hasst. Etwas nüchterner betrachtet, war die Eröffnung nicht mehr als ein Tag in einem immerwährenden Prozess: Solche Projekte sind ja nie wirklich fertig. Jetzt werden die letzten Bauarbeiten beendet, dann fängt der Betrieb an, und auch da wird es wieder schöne und schwierige Momente geben.

 

Anlässlich der Eröffnung waren die Bühne und der Saal für die Aufführung des Balletts «Cinderella» erstmals richtig in Betrieb. Sind Sie überzeugt vom Ergebnis?

Ja, für mich haben sich alle Erwartungen erfüllt: Der Saal hat ideale Proportionen, als Zuschauer fühlt man sich wohl, Sicht und Klang sind von allen Plätzen aus gut. Auch das Foyer überzeugt mich. Wenn man das Equilibre erst einmal betreten und von innen erlebt hat, versteht man auch das eigenwillige Äussere besser.

 

Mit welchen Vorstellungen haben Sie im Jahr 2000 die Stelle als regionaler Kulturdelegierter angetreten?

Ich habe mir nicht allzu viele Gedanken gemacht, sonst hätte mir das Ganze wahrscheinlich zu viel Angst gemacht. Vieles hing von Zufällen und plötzlichen Gelegenheiten ab. Ursprünglich sollten ja das Nuithonie und das Equilibre parallel entstehen. Dann ergab sich nach der Expo.02 die Gelegenheit, den Mummenschanzsaal ins Nuithonie zu integrieren, was das Projekt enorm beschleunigt hat. Nun ist das Nuithonie seit fast sieben Jahren in Betrieb und hat bewiesen, dass das Konzept funktioniert. Das gibt auch Vertrauen für die Zukunft des Equilibre, das der gleichen Leitung untersteht.

 

Bei aller Zuversicht gab es doch auch viele Hürden zu bewältigen. Wann hatten Sie die grössten Zweifel?

Die schwierigste Zeit war die der Volksabstimmung über den Kredit für das Equilibre 2006. Ich habe mich damals bewusst dafür entschieden, mich persönlich und öffentlich dafür einzusetzen. Der Preis dafür waren viele Anfeindungen und ein grosser politischer Druck. Hätte das Volk die Vorlage nicht angenommen, hätte ich möglicherweise meinen Posten räumen müssen.

 

Und nach dem Erfolg in der Volksabstimmung, bei der 125 Stimmen den Unterschied machten, kamen weitere Sorgen auf Sie zu …

Dass es während des Baus zu Schwierigkeiten und Anpassungen kommt, ist bei einem solchen Projekt normal. Ein Theater ist kein Ikea-Bausatz, sondern ein Prototyp, bei dem man nicht von Anfang an weiss, wie er am Ende aussehen wird. Beim Equilibre war die multifunktionale Ausrichtung für Musik, Theater und Oper eine grosse Herausforderung. Speziell war, dass die künftigen Betreiber um Direktor Thierry Loup von Anfang an involviert waren. Auf lange Sicht ist das ein grosser Vorteil. Leider hat dieser Dialog auch zu dem bekannten Konflikt mit dem Architekten geführt.

 

Welches waren im Gegenzug die schönsten Momente?

Es gab viele kleine Erfolge, und das waren oft nicht die spektakulären Sachen. Ich denke zum Beispiel an die langen Verhandlungen mit den SBB über den Alten Bahnhof oder an die Konvention mit dem Casino Barrière 2007, die den Betrieb von Nuithonie und Equilibre bis 2023 sichern sollte. Und ich denke natürlich auch an den Abstimmungserfolg 2006, als niemand mehr glaubte, dass es reichen würde, und es am Ende doch gereicht hat. Insgesamt hatte ich das Glück, diesen Job in den zehn spannendsten Jahren machen zu dürfen, die es in Freiburg in diesem Bereich jemals gab.

 

Mit der Inbetriebnahme des Equilibre fängt nun ein neues Kapitel an. Wie sehen Sie die Zukunft des Hauses?

Ich habe ein gutes Gefühl. Ich glaube, alles ist gut aufgegleist. Eine wichtige Grundlage ist der Leistungsvertrag zwischen dem Gemeindeverband Coriolis und der Stiftung Equilibre und Nuithonie. Beide Seiten stehen hinter der Vereinbarung und wissen, woran sie sind. Die Mittel für den Betrieb, die vor allem von den Gemeinden und vom Casino kommen, sind für die nächsten drei Jahre klar beziffert (gut 2,2 Millionen Franken pro Jahr, Anm.d. Red.). Sie sind realistisch und stehen nicht zur Diskussion. Zudem glaube ich, dass das Bedürfnis seitens des Publikums da ist und dass Bühne und Saal den Erwartungen gerecht werden. Und wenn der Saal funktioniert, darf die Architektur ruhig kontrovers sein …

Serie Equilibre:Am 26. Januar beginnt mit der Premiere der Freiburger Oper der reguläre Betrieb im Equilibre. Bis dahin bringen die FN den Leserinnen und Lesern mit einer losen Artikelserie das neue Gastspielhaus näher.

Markus Baumer: «Wenn der Saal funktioniert, darf die Architektur ruhig kontrovers sein.»Bild Aldo Ellena

Kontroversen: Markus Baumer nimmt Stellung

Polemik und öffentlicher Druck gehören bei einem Projekt wie dem Equilibre dazu», sagt Markus Baumer. Hier nimmt der ehemalige Kulturdelegierte noch einmal Stellung zu fünf Themen rund ums Gastspielhaus, die in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wurden:

•Der Standort:«Es war ein mutiger und richtiger Entscheid, die Kultur auf diese Weise mitten in die Stadt zu rücken – obwohl daran fast das ganze Projekt gescheitert wäre. Ich bin stolz, dass das in Freiburg möglich war.»

•Die Architektur: «Wir haben ein kontroverses Projekt ausgewählt, das niemanden gleichgültig lässt. Dieses Haus prägt die Stadt, und das ist gut so. Wichtig ist, dass nun auch noch der Platz rundherum ansprechend gestaltet wird.»

•Die Kostenüberschreitungen: «Die Mehrkosten sind einerseits durch die Teuerung zu erklären und andererseits durch Verbesserungen am Projekt. Die Verbesserungen sind über das Casino Barrière finanziert. Den Steuerzahler wird das Equilibre unter dem Strich nicht mehr kosten als angenommen.» (Anm.d.Red.: Der Kredit, den Generalrat und Stimmvolk gutgeheissen hatten, belief sich auf 35 Millionen Franken; heute geht man von einer Abschlussrechnung in der Höhe von 50 Millionen Franken aus.)

•Der Streit mit dem Architekten: «Die zusätzlichen Honorarforderungen von Architekt Jean-Pierre Dürig wegen der Änderungen am Projekt sind meines Erachtens völlig überrissen. Die Stadt darf sich das nicht bieten lassen. Es ist schade, dass es so weit gekommen ist und dass die Parteien keine Einigung gefunden haben. Nun werden wahrscheinlich die Richter entscheiden müssen.» (Anm.d.Red.: Jean-Pierre Dürig hat Mitte Dezember eine Zivilklage gegen die Stadt eingereicht.)

•Die Eröffnungsvorstellung:«Der Vorwurf, dass zur Eröffnung keine Freiburger Kreation gezeigt wurde, ist lächerlich. Ein Projekt, wie es etwa dem Schauspieler Roger Jendly vorschwebte, wäre unter den gegebenen Bedingungen viel zu riskant gewesen. Kommt dazu, dass Jendlys Idee einer Molière-Inszenierung das deutschsprachige Publikum aussen vor gelassen hätte.» cs

Regionale Kulturpolitik: «Im Moment herrscht eine grosse Unsicherheit»

Wenn Markus Baumer über die Bedürfnisse der Kulturschaffenden spricht, dann weiss er aus eigener Erfahrung, wovon er redet: Als Jazzpianist, Programmchef des Jazzclubs La Spirale und Vorstandsmitglied der Interessenvereinigung Phare war er in den Neunzigerjahren an vorderster Front dabei, als die Freiburger Kulturszene von der Politik lautstark mehr Unterstützung forderte. Der spätere Kulturdelegierte gehörte damals zu jenen Rebellen, die auch mal eine Woche vor dem Oberamt campierten oder auf der Schützenmatte Kreuze für «verstorbene» Kulturprojekte aufstellten.

Schon damals habe er aber nicht nur provozieren wollen, sondern den Dialog gesucht, sagt Baumer heute. Als im Jahr 2000 die Stelle als Kulturdelegierter für Stadt und Region Freiburg ausgeschrieben wurde, lebte Baumer seit drei Jahren in Zürich, wo er den Jazzclub Moods leitete. «Ich bewarb mich, weil ich zeigen wollte, dass ich nach den Jahren des Reklamierens und Forderns nun auch bereit war, Verantwortung zu übernehmen», so Baumer.

Koordination ist gefragt

Der damals 30-Jährige bekam die Stelle – und hatte einen schwierigen Start. «Es dauerte eine Weile, bis ich mir das Vertrauen der Kulturschaffenden und der Politiker erarbeitet hatte», erinnert er sich. «Ersteren musste ich beweisen, dass ich meine Ideale nicht verraten hatte, Letzteren, dass ich ihnen nicht bei der ersten Gelegenheit in den Rücken fallen würde.»

2010 gab Baumer die Stelle als Kulturdelegierter auf und wechselte in die Direktion von Radio Freiburg. Zu diesem Zeitpunkt sei er sicher gewesen, dass für die kulturellen Infrastrukturen alles gut aufgegleist gewesen sei. Sorgen bereitet Baumer hingegen der Bereich der Kulturförderung, der 2010 vom Gemeindeverband Coriolis Promotion zur Agglomeration Freiburg wechselte. Die neue Organisation und Baumers Weggang führten dazu, dass die Kulturförderung von Stadt und Region heute wieder wie vor der Gründung von Coriolis getrennt gehandhabt werden. «Im Moment herrscht eine grosse Unsicherheit auf allen Seiten», so Baumer. «Die Kulturschaffenden haben keinen Ansprechpartner mehr.»

Darum brauche es unbedingt eine gute Koordination zwischen Stadt und Agglomeration. Die Situation sei vergleichbar mit jener in den Neunzigerjahren: «Wie damals sollten sich wieder alle Akteure an einen Tisch setzen, eine Auslegeordnung der Bedürfnisse vornehmen und gemeinsam nach langfristigen Lösungen suchen.» cs

Es wird immer wieder schöne und schwierige Momente geben.

Autor: Markus Baumer

Autor: ehemaliger Kulturdelegierter

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