Seit knapp drei Jahren macht die Alte Brunnengasse in der Stadt Freiburg, die Grand-Fontaine, regelmässig Schlagzeilen: In der Gasse, in der die Strassenprostitution seit dem Mittelalter angesiedelt ist, seien die Zustände unhaltbar geworden, klagen Anwohner. Sie haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen und fordern das Verbot des Strassenstrichs. Erst letzte Woche hielt der Verein die Jahresversammlung ab und beschloss, an der Forderung festzuhalten (die FN berichteten).
Verbot löst Probleme nicht
Die kantonale Kommission im Bereich der Prostitution (siehe Kasten) hat sich im vergangenen Jahr intensiv mit der Strassenprostitution in der Grand-Fontaine beschäftigt, wie sie in ihrem gestern publizierten Bericht schreibt. Dabei hat sie Vor- und Nachteile abgewägt. Sie kommt zum Schluss, dass ein Verbot die Probleme in der Grand-Fontaine kaum lösen würde und dass sich die Arbeitsbedingungen für die Prostituierten durch ein Verbot verschlechtern würden. Die Kommission empfiehlt deshalb der Stadt, bei der die Entscheidung liegt, das Verbot abzulehnen.
«Ein Verbot wäre schwie- rig durchzusetzen», begründet Justiz- und Sicherheitsdirektor Erwin Jutzet, der die Kommission präsidiert. Da der Strassenstrich traditionellerweise in der Grand-Fontaine angesiedelt sei, würde er auch mit einem Verbot nicht einfach verschwinden. «Es würde in der Gasse lärmig bleiben», ist Jutzet überzeugt. Denn selbst wenn die Prostituierten nicht mehr auf der Strasse um ihre Kunden werben würden, blieben die Salons bestehen. «Und die Freier würden weiterhin kommen.»
Jutzet betont, dass ein Verbot hohe Risiken mit sich brächte. «In der Grand-Fontaine spielt sich die Strassenprostitution in einem klaren Rahmen ab, und die Polizei kann einfach Kontrollen durchführen.» Damit seien die Prostituierten gut geschützt. Jutzet befürchtet, dass sich der Strassenstrich mit einem Verbot an den Stadtrand verlagern würde. «Das würde die Kontrollen erschweren, und die Prostituierten wären nicht sicher.»
Wissenschaftlich analysiert
Gemäss Kommissionssekretärin Lorraine Ducommun hat die Kommission die Situation des Strassenstrichs wissenschaftlich analysiert. Dabei zog sie Studien aus Berlin und dem angelsächsischen Raum bei. Zudem stützte sie sich auf Angaben und Erfahrungen der Kantonspolizei sowie des Präventionsprogramms Grisélidis, das sich in Freiburg um die Anliegen der Sexarbeiterinnen kümmert. «Wir haben juristische Aspekte analysiert, überprüft, welche soziale Rolle die Strassenprostitution spielt, und auch die Sicherheitsaspekte berücksichtigt.» Dabei kam die Kommission zum Schluss: «Ein Verbot wäre unverhältnismässig», sagt Ducommun.
Verbot als Ultima Ratio
Gemeinderat Thierry Steiert nimmt die Empfehlung der Kommission zur Kenntnis. «Sie wird in unsere Überlegun- gen einfliessen.» Diese werden aber im Moment noch nicht zu einer Entscheidung führen: Im Juni hat der Oberamtmann des Saanebezirks dem Café Grand-Fontaine, in dem sich Prostituierte und Freier treffen, die Erlaubnis erteilt, an den Wochenenden bis drei Uhr morgens zu öffnen, diese Erlaubnis jedoch an Bedingungen geknüpft. Da es Einsprachen gegen den Entscheid gab, muss der Betreiber des Cafés sich noch nicht an die Bedingungen halten. «Erst wenn klar ist, wie sich die Massnahmen auswirken, also zum Beispiel das Engagement zweier Sicherheitsagenten, die an den Wochenenden für Ruhe sorgen, werden wir den Entscheid fällen», sagt Steiert. Für ihn ist aber klar: «Ein Verbot wäre die Ultima Ratio.» Denn Immissionen würde es in der Grand-Fontaine so oder so geben. «Und in der Stadt gibt es schlicht kein Anrecht auf null Immissionen.»
Kommission: Situation wird mit neuem Gesetz jährlich analysiert
D as kantonale Prostitutionsgesetz ist seit 2011 in Kraft. Seither analysiert die beratende Kommission jährlich die Situation in diesem Gewerbe. In der Kommission sitzen Mitglieder des Amts für den Arbeitsmarkt, des Amts für Bevölkerung und Migration, des Kantonsarztamts, der Kantonspolizei, der Staatsanwaltschaft, der Oberämter sowie des Vereins Solidarité Femmes Freiburg und des Programms Grisélidis. Während sich die Kommission im aktuellen Bericht auf die Situation in der Grand-Fontaine konzentriert, hat sie sich im letzten mit den Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen befasst. Im kommenden Bericht wird sie sich gemäss Mitteilung auf die Informationen für Sexarbeiterinnen fokussieren. Dabei wird sie ein Augenmerk auf Grisélidis richten. Deren Sprechstunden sind von den 237 Sexarbeiterinnen, die es im Kanton gibt, gut besucht. Aus finanziellen Gründen musste Grisélidis diese im letzten Jahr aber einschränken. In den Sprechstunden erhalten die Prostituierten Rat bei administrativen, gesundheitlichen und juristischen Fragen. mir