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Eine Clowngeschichte

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Manchmal blieb der Clown an einem Ort längere Zeit als an einem anderen. Es kam auch vor, dass die Leute ihn darum baten, weil sie noch weiterspielen wollten, wie sie sagten. Seine Show war eigentlich nicht seine Show, er nannte es Spiel. Er überliess jeweils den Leuten, die zu ihm ins kleine Zelt kamen–in der Hoffnung, unterhalten zu werden, eine Zerstreuung zu finden–einfach seinen kleinen Zeltraum, sozusagen eine geschenkte Atmosphäre. Dies lediglich mit einem kurzen Akt seinerseits, indem er nämlich jedem Eintretenden einen Ball zuwarf.

 

 Der Clown besass nebst dem Zelt einige Stühle und einen riesigen Sack Bälle der Farben gelb, rot, schwarz, weiss. Entsprechend der Weltmenschheit, das hatte er so gewollt. Was ihm gefiel: Es verweigerte fast nie jemand einen zugeworfenen Ball, oder er erkannte dann einen Hoffnungslosen, einen Schüchternen, einen Momentan- oder Dauerwütenden, einen Insichversunkenen. Und der Clown lachte beim Zuwerfen, als hätte ihm jemand eine Erlaubnis gegeben, etwas zu tun, und er lachte noch mehr, da er wusste, dem war nicht so.

 

 Der Clown war nicht immer ein Clown gewesen. Die Arbeit in guter Stellung im staatlichen Finanzwesen hatte er jahrelang gewissenhaft ausgeführt. Vieles, was in der Welt des Import-Export geschah, lernte er kennen, nur sich selber nicht. Monatlich wurde ihm von den Arbeitgebern der Service geboten, seine digitalen Geräte dem neuesten Stand anzupassen. Unter dem Titel «Follow the Instructions» erhielt er Zugang zu modernen Arbeitsmethoden und konnte sich immer «updated» fühlen, er war stolz darauf. Sein Leben verlief geordnet, von zu Hause auf die Strasse, von der Strasse ins Büro, vom Büro zum Essen und das Ganze zurück. Dann fiel ihm eines normalen Tages dieser Buchtitel in die Augen, fiel in ihn hinein und sammelte sich zu einem immer quälender werdenden Gedanken: «Du musst dein Leben ändern», stand da. Ein Titel, den er spontan als «so ein Shit» und «abgedroschenen Quark» verachtete. Doch er überprüfte und analysierte seine Lebensweisen, er wünschte sich Erkenntnisse über die Dinge des Lebens, mit denen er sich im Einklang befinden könnte. Und er wollte seine Erkenntnisse nicht missachten. Kurz darauf begann er, seine Intelligenz dumm zu finden, wenn er sich mühelos den Aufforderungen «Follow the Instructions» anpassen konnte, als wäre er eine auf ein Nichts reduzierte Persönlichkeit.

 

 Er fühlte eine Schlagseite in seinem Hirn und eine Sehnsucht nach einer anderen Seite. Auch wenn er noch so sehr wünschte, dass es nicht so sei, begann er, sich als Apparat zu fühlen. Spielte jemand auf ihm? Und was? Er sehnte sich nach einem frohen, runden Spiel und kaufte die Bälle. Wie eine runde Sprache, dachte er, eine Aufforderung an jemand Bekanntes oder Unbekanntes. Er würde fortan Bälle in die Offenheit der Welt werfen, in die Arme der Leute, und ihnen zusehen. Ein Ball wird aufgefangen, ein Spiel kann beginnen, jeder ist der Mitspieler. Dieser Gedanke beruhigte ihn. Er war nicht mehr Buchhalter, er war Ballhalter geworden. Er kleidete sich fortan als Clown.

 

 Er hatte sich entschieden, die Leute zum Spielen zu bringen, an jenem Tag, als ihm die Amseln über die Füsse liefen im Park und ihm die Geste des Ballzuwerfens als eine Möglichkeit erschien. Weiter nichts.

Sus Heiniger ist Kunstmalerin und lebt in Murten. Als Kulturschaffende ist sie in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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