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«Eine Hierarchie von Stärke und Schwäche»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Die diesjährige schweizweite Aktion «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» stellt das Thema Rollenbilder in den Vordergrund. Natalie Trummer, Geschäftsleiterin von Terre des Femmes, erklärt den Zusammenhang zwischen Geschlechterstereotypen und Gewalt.

Werden Frauen eher Opfer von Gewalt als Männer?

Natalie Trummer: Das kommt auf den Kontext an. Männer sind eher Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum, beispielsweise bei Messerstechereien oder bei Raub. Frauen sind eher Opfer bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt.

Was ist geschlechtsspezifische Gewalt?

Das ist jene Form von Gewalt, die ausgeübt wird aufgrund von geschlechtlicher Zugehörigkeit: Genitalverstümmelungen, sogenannte Ehrverbrechen, aber auch erweiterte Suizide.

Begünstigen Rollenbilder die Gewalt an Frauen?

Traditionelle Rollenbilder sind ganz stark auf die Zweigeschlechtlichkeit von Mann und Frau ausgerichtet. Frauen sind schutzbedürftig, sanft, schwach. Männer sind Ernährer, sie sind dominant und beschützend. Diese Zuschreibungen geben eine Hierarchie von Stärke und Schwäche vor. Diese kann so gedeutet werden, dass der Dominante die Nicht-Dominante beherrschen und auch Gewalt anwenden kann. Diese Rollenbilder werden in der Öffentlichkeit, in der Werbung, in den Medien tausendfach reproduziert und so immer wieder zementiert.

Gibt es durch Rollenbilder auch Gewalt an Männern?

Es gibt weniger physische Gewalt gegen Männer aufgrund der Rollenbilder. Aber ein Mann, der mit einem traditionellen Rollenbild aufwächst und dann beispielsweise aus ökonomischen Gründen seine Familie nicht ernähren kannt, gerät in Not. Er wird von seinem Umfeld unter Druck gesetzt, wenn er seiner Rolle nicht entsprechen kann. Und so üben Rollenbilder auch auf Männer Gewalt aus.

Was haben Rollenbilder mit der Frage von Macht zu tun?

Sehr viel. Wie man Menschen im Alltag und in der Werbung darstellt, hat viel mit Macht zu tun. Die Botschaft ist sehr traditionell: die hegemoniale Männlichkeit versus die unterwürfige Frau – oder auch versus Männer mit einer anderen sexuellen Orientierung. Diese Bilder werden endlos reproduziert.

Wie können solche Rollenbilder durchbrochen werden?

Vorbilder haben eine extrem wichtige Funktion. Frauen, die eine klassisch männliche Karriere machen und trotzdem glücklich sind, sind für Mädchen ein ganz anderes Vorbild als Frauen, die eine traditionelle Hausfrauenkarriere haben. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft auf die Geschlechterrollen sensibilisiert wird. Jeder Mensch muss sich fragen, ob er eine Rolle lebt, weil sie vorgegeben ist, oder ob er sie gewählt hat, weil sie ihm entspricht. Dies müssen wir schon bei kleinen Kindern thematisieren und auch später immer wieder aufnehmen. Beispielsweise bei Teenagern, die sich in der Pubertät suchen: Sie müssen wir begleiten und ihnen alternative Modelle aufzeigen.

Diese Debatte ist nicht neu. Hat sich in den letzten 25 Jahren überhaupt etwas geändert in den Fragen rund um Rollenbilder?

Es hat sich nicht zum Guten geändert. Fachleute sind sich einig, dass wir einen Back­lash erleben. Wenn wir Bilder mit spielenden Kindern aus den 1970er-Jahren anschauen, dann sind diese viel weniger stereotypisiert als die Bilder von heute. Wir leben in einer komplexen Welt, und die Geschlechterdualität ist eine einfache Antwort für eine grundlegende Ordnung zwischen den Menschen. Das ist attraktiv. Zudem erleben wir in Zeiten, die als wirtschaftlich angespannt gelten, immer wieder eine Rückbesinnung auf traditionelle Modelle.

Zahlen und Fakten

340 Strafanzeigen im Kanton Freiburg

In der Schweiz hat die Polizei letztes Jahr über 14 000 Mal wegen häuslicher Gewalt interveniert. Dabei wurden 9195 Beschuldigte registriert, vier von fünf waren Männer. Diese Zahlen präsentierte die Fachkonferenz des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) am Dienstag. Drei Viertel der Opfer von häuslicher Gewalt waren Frauen; 13 Prozent waren zudem minderjährig. 2015 wurden bei häuslicher Gewalt 36 Menschen getötet, davon waren acht Kinder im Vorschulalter. Im Kanton Freiburg ist die Kantonspolizei letztes Jahr 441 Mal wegen häuslicher Gewalt ausgerückt; 350 Mal waren die Opfer Frauen. Zudem wurden 340 Strafanzeigen von Frauen wegen häuslicher Gewalt sowie 12 wegen Vergewaltigung in der Partnerschaft eingereicht.

njb

Häusliche Gewalt

«Gewalt ist vererbbar»

«Schon durch ihren Platz in der Gesellschaft sind Männer in einer starken Position», sagt Géraldine Morel. Sie ist Freiburger Koordinatorin für die Bekämpfung von Gewalt in Paarbeziehungen und arbeitet beim kantonalen Büro für Gleichstellung. Diese gesellschaftliche Position wirke sich auch in Paarbeziehungen aus. «Es gibt eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, die macht, dass sich Frauen eher in schwierigen Situationen wiederfinden.» Der Mann arbeite, mache Karriere und habe die wirtschaftliche Macht inne, während die Frau von ihm abhängig sei. «In solchen ungleichen Beziehungen kann es auch zu Gewalt kommen.»

Häusliche Gewalt sei nach wie vor ein Tabuthema. «Die Leute wollen ihre privaten Probleme nicht breittreten, sie schämen sich auch – und so reden sie nicht darüber.» Gerade auch die Vorstellung der Familie als Pfeiler der Gesellschaft erschwere es, über Probleme in der Familie zu sprechen.

Die Frauen stärken

Géraldine Morel betont, dass häusliche Gewalt auch ein Problem der öffentlichen Gesundheit sei. «Und sie kostet die Gesellschaft sehr viel.» Morel ist die Stärkung der Frauen sehr wichtig. «Je mehr Frauen in einer schwachen Situation, arm und isoliert sind, umso mehr Frauen sind auch in Gefahr.» Darum sei eine Ausbildung für Frauen wichtig, «aber auch die Möglichkeit, zu arbeiten – beispielsweise dank Kindertagesstätten».

Als Koordinatorin für die Bekämpfung von Gewalt in Paarbeziehungen erarbeitet Géraldine Morel zusammen mit weiteren Stellen in Arbeitsgruppen Präventionsprogramme. Unter anderem wollen die Arbeitsgruppen auch Schulen ansprechen. Und ein besonderes Auge soll künftig auf Kinder geworfen werden, die häusliche Gewalt miterleben. «Diese Kinder tauchen heute nirgends auf Ämtern auf.» Doch sei klar, dass sie unter der häuslichen Gewalt litten. So zeigten sich schulische und soziale Probleme – die dann wieder zu einer prekären Situation führen könnten. Und: «Gewalt ist vererbbar.» Knaben könnten selber später in Beziehungen gewalttätig werden; Mädchen hingegen gewalttätige Partner aussuchen.

Jeden Tag rückt die Polizei in der Schweiz 40 Mal wegen häuslicher Gewalt aus (siehe auch blauer Kasten). «Bei 80 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt interveniert die Polizei jedoch nicht», sagt Géraldine Morel. Und schliesst: «Das Zuhause ist für Frauen der gefährlichste Ort.»

njb

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