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Eine Stimme für das Zürcher Babylon

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Eine Stimme für das Zürcher Babylon

Der Freiburger Beat Grossrieder produziert eine neunsprachige Wandzeitung für die Langstrasse

Kürzlich ist in Zürich die zweite Ausgabe der «Wandzeitung 4/5» erschienen. Schweizweit einzigartig ist, dass die Zeitung auf Deutsch, Albanisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Serbisch, Spanisch, Tamilisch und Türkisch erscheint. Alleinverantwortlicher Redaktor ist der Freiburger Beat Grossrieder.

Von URS HAENNI

Wie geht man vor, wenn man eine Zeitung möglichst billig herausbringen, damit eine gewisse Nachhaltigkeit erreichen und einzelne Zielgruppen in den verschiedensten Sprachen ansprechen will?

Diese Frage stellten sich die Vereinigung Langstrasse Plus und die Sozialen Dienste der Stadt Zürich, als sie sich an das Projekt einer publizistischen Stimme für das Langstrasse-Quartier wagten. An der Zürcher Langstrasse und ihren angrenzenden Strassen findet man eine für ein solches Projekt äusserst komplexe Bevölkerungsstruktur: 10 500 Menschen aus 99 Nationen, 42 Prozent Migranten, 30 verschiedene Sprachen. Dazu ist das Quartier auch für seine über 150 Sex-Salons und seine Drogenszene bekannt.

Offene Augen für die Umgebung

Nach einer rund zweijährigen Planungsphase mit eingehender Analyse haben die Initianten die Lösung gefunden: eine vierteljährliche Wandzeitung, welche bei Erscheinen jeweils rund eine Woche an zwei Dutzend Plakatständern im öffentlichen Raum des Quartiers hängt und gleichzeitig zielgruppenspezifisch in Läden, Bars und Cafés des Quartiers aufliegt.

Verantwortlicher Redaktor für die «Wandzeitung 4/5» (4/5 steht für die Stadtkreise 4 und 5) ist Beat Grossrieder, ehemaliger Journalist der Freiburger Nachrichten. Einerseits wohnt Grossrieder schon mehrere Jahre in diesem Quartier, andererseits arbeitet er heute als Abschlussredaktor bei der Weltwoche und als fester freier Journalist beim Beobachter – beste Voraussetzungen für die Wandzeitung.

«Ich lerne so das Quartier noch besser kennen und laufe mit offenen Augen durch die nächste Umgebung», beschreibt er eine seiner Motivationen für das Projekt.

«Keine Hofberichterstattung»

Grossrieder bezeichnet die «Wandzeitung 4/5» als «Liebhaberprojekt» für alle Mitwirkenden, bei dem es nicht viel zu verdienen gebe. Es sei aber überhaupt schon ein Erfolg, dass die Wandzeitung jetzt zustande gekommen sei. Vor zwei Jahren nämlich, als die Idee entstanden sei, sei noch gar kein Geld dafür vorhanden gewesen.

Die erste Wandzeitung für das Langstrasse-Quartier erschien am 6. Juni, die zweite Nummer am 26. Oktober. Vorerst ist das Projekt auf zwei Jahre befristet, doch erhoffen sich sowohl Grossrieder als auch die Trägerschaft, dass die Zeitung danach weitererscheinen kann.

Mit Beat Grossrieder hat die Trägerschaft gewiss keinen bequemen Journalisten für das Projekt gewonnen: Grossrieder ist bekannt für sein hartnäckiges Recherchieren. Obwohl in der Trägerschaft mehrere städtische Ämter quer durch die verschiedensten Departemente vertreten sind, gab sie Grossrieder zu verstehen, dass Kritisches und Investigatives sehr erwünscht sind. Oder wie er es ausdrückt: «Es soll keine Hofberichterstattung sein.»
Der Journalist weist aber darauf hin, dass er sehr gerne auch über Menschen und ihre Geschichten schreibe. Dies zeigte sich schon zu Beginn seiner Journalistenlaufbahn, als er mit einer FN-Serie über Randständige den BZ-Preis für Lokaljournalismus gewann.
Inhaltlich hat sich die Wandzeitung zum Ziel gesetzt, ein Quartiergefühl, eine Quartieridentität zu schaffen, die verschiedensten Zielgruppen anzusprechen sowie Informationen, Orientierung und ganz einfach Lesevergnügen zu vermitteln.

Abwanderung von Familien stoppen

Was darunter zu verstehen ist, machte die erste Nummer deutlich. Der Hauptartikel war einem Projekt gewidmet, bei dem Jugendliche einen Film über das Langstrassenquartier realisierten, mit dem sie gar den ersten Preis an den Schweizer Jugendfilmtagen gewannen. Daneben berichtete Grossrieder über die Fortschritte des Quartierzentrums «Bäckeranlage» sowie über ein Buch mit Fotos und Geschichten von Menschen der Langstrasse. Dazu ergänzt ein Service- und Informationsteil jede Ausgabe.

Für die erste Ausgabe der Wandzeitung suchte Grossrieder eher «unverfängliche Themen». Man wollte die Leute nicht gleich vor den Kopf stossen. Bereits in der zweiten Ausgabe dominiert jedoch ein Hauptartikel über das Milieu. Grossrieder zeigt darin, wie die Stadt mit verschiedenen Massnahmen versucht, die Auswüchse des Milieus einzudämmen, damit die Abwanderung von Familien aus dem Quartier gestoppt werden kann. Dieses Anliegen – die Aufwertung des Quartiers – hat sich die Organisation «Langstrasse Plus» denn auch zuoberst auf die Fahne geschrieben, und die Wandzeitung soll mit ihren beschränkten Möglichkeiten dazu beitragen.

Die «Wandzeitung 4/5» besteht aus einer Doppelseite auf Deutsch; die Rückseite ist jeweils in eine der acht Fremdsprachen übersetzt. Darin besteht die andere Einzigartigkeit des Projektes. Es soll sich im Quartier herumsprechen, dass es jetzt auch eine Lokalzeitung in der jeweiligen Muttersprache der Bewohner gibt. Entsprechend wird die Zeitung gemäss den Sprachgruppen verteilt. Die türkische Übersetzung liegt im türkischen Lebensmittel-Lädeli auf, die portugiesische Übersetzung in der brasilianischen Bar.

Bei der Übersetzung greift man auf vorhandene Strukturen zurück. Derzeit übersetzen vor allem Frauen aus Hilfsorganisationen die Texte in die verschiedenen Sprachen.

Journalistisch gefordert

Wegen der Übersetzungen und teilweise auch wegen des unterschiedlichen Zielpublikums ist Beat Grossrieder gezwungen, in einer möglichst schlichten Sprache zu schreiben. Dazu kommt der beschränkte Platz auf zwei Zeitungsseiten, und schon ist Grossrieder mit einer der grössten Herausforderungen journalistischer Schreibe konfrontiert: sich kurz und bündig fassen.

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