Sie kommen von Deutschland und Norwegen: Seit dieser Woche leben die zwölf jungen Fischadler im Kanton Freiburg. Auf dem Areal der Strafanstalten von Bellechasse werden sie aufgezogen, bis sie flügge sind. «Wenn die Vögel ganze Fische verspeisen können und täglich Fliegübungen machen, ist die Zeit reif, sie gehen zu lassen», erklärt Wendy Strahm, Koordinatorin des Projektes des Westschweizer Vereins «Nos Oiseaux». Mitte September werden die Fischadler nach Afrika fliegen. Die Hoffnung ist, dass sie in vier bis fünf Jahren, wenn sie erwachsen sind, zurückkommen: «Fischadler bleiben ihrer Heimat treu», erklärt Strahm, «sie kehren immer an den Ort zurück, von dem sie das erste Mal losgeflogen sind.» So sei es sich auch zu erklären, dass sich in der Schweiz seit über einem Jahrhundert kein Fischadler mehr zum Brüten niedergelassen hat: «Das letzte Mal brütete der Fischadler 1914 hier–seither hat sich in der Schweiz keiner mehr in die Luft geschwungen.» Beliebt waren seine Eier, und der Mensch schoss den Vogel als Jagdtrophäe. Heute ist der Fischadler geschützt.
Sechs Betreuer leben nun für drei Monate in einer Personalwohnung der Anstalten von Bellechasse. Die Männer und Frauen stammen aus aller Welt. In Dreier-Equipen kümmern sie sich tagtäglich um die jungen Vögel und bereiten vier bis fünf Mal pro Tag Fischmahlzeiten vor. Meist handelt es sich dabei um Rotauge.
Der Standort auf dem Gefängnisareal kommt nicht von ungefähr und bleibt geheim: «Die Tiere brauchen Ruhe», sagt Strahm, «es ist nicht gut, wenn sie mit dem Menschen in Kontakt kommen, sie geraten völlig durcheinander.» Auf dem abgesperrten Bellechasser Boden darf sich niemand einfach so bewegen und niemand darf zu den Fischadlern. «Das ist ideal für uns, deshalb haben wir den Standort ausgewählt–wir selber sehen die Vögel auch nur über die Videoüberwachung des Naturhistorischen Museums Freiburg», so die Biologin, «den Fisch füttern wir ihnen durch ein Rohr in ihre Volieren.» Es sei für sie ein Geschenk, dass sich sowohl die Anstalten von Bellechasse wie auch Galmiz offen zeigten gegenüber dem Projekt.
Die Fischadler sind unterschiedlich gezeichnet auf ihren Köpfen: «Bei einem Vogel sieht die Zeichnung aus wie ein H–er heisst jetzt Henri», sagt Strahm und lacht. Dieser Name sei jedoch nicht offiziell.