Hutätä ist eine bekannte Sensler Sagengestalt. Was und wer dahinter steckt – damit hat sich Raoul Thoos beschäftigt. Ihn und viele andere Erzählkünstlerinnen und -künstler gibt es am ersten Ueberstorfer Erzählfest am 2. September zu erleben.
«Mit dem Ueberstorfer Erzählfest möchte ich zeigen, dass Erzählen auch etwas für Erwachsene ist», sagt Brigitte Hirsig. Sie organisiert im Namen des Vereins Kultur-Alltag das erste Ueberstorfer Erzählfest und ist selber Geschichtenerzählerin. Früher seien Märchen jahrhundertelang nur etwas für Erwachsene gewesen. «Es gab kein Fernseher oder Radio – so hat man einfach Geschichten weitererzählt», so Hirsig. Das habe erst geändert, als die Gebrüder Grimm ihre Märchensammlung als «Kinder- und Hausmärchen» herausgaben.
Nichtsdestotrotz findet sich im Programm des ersten Ueberstorfer Erzählfests auch ein Programm für die Kinder: Ab 14 Uhr erzählen Monika Wingeyer und Franziska Ezzat Märchen für Kinder ab fünf Jahren. Der spätere Nachmittag steht beim Erzählfest ganz im Zeichen der Sagenwelt. Ab 16 Uhr erzählt Andreas Sommer Sagen aus der Gegend, und Raoul Thoos widmet sich im Sensler Dialekt Sagen aus dem Sensebezirk.
Hutätä auf der Spur
Am Erzählfest kommt auch die furchterregende Gestalt Hutätä zum Zug. Die Geschichten über ihn hatte einst German Kolly aufgeschrieben. Der Sagensammler lebte von 1898 bis 1980 und hielt Sagen und Märchen, die vorher nur mündlich überliefert wurden, schriftlich fest. Seine Sammlung «Sagen und Märchen aus dem Senseland» aus den 1960er-Jahren fehlt in kaum einem Büchergestell im Sensebezirk.
Auch Erzähler Raoul Thoos kennt die Märchen aus seiner Kindheit. Am Anlass erzählt er Sensler Sagen, unter anderem über Hutätä, auf seine ureigene Manier. Er ist Literaturwissenschaftler, Mittelalter-Experte und Übersetzer und interessiert sich schon lange für Hutätä. Was ihn fasziniere, sei die Frage, warum diese Märchen erzählt wurden. Dem ist er auf den Grund gegangen: «Hutätä ist eine Freiburger Gestalt, der Name kommt nur hier vor», erklärt Thoos. Wie die Freiburger Sagengestalt aussehe, sei schwierig zu sagen: «Er nimmt sehr viele verschiedene Gestalten an.» Hutätä habe oft auch lächerliche Elemente, sagt Thoos. So werde er häufig von 1000 Hündchen begleitet, die sich auch noch verwandeln könnten.
Nachtjäger und Türst
Die Gestalt unter dem Namen Hutätä gibt es zwar nur in Deutschfreiburg, jedoch sei sie in ganz Europa unter dem Namen Nachtjäger bekannt. Auch im Kanton Luzern komme eine ähnliche Gestalt in den Sagen vor: der Ritter Türst. Auch dieser sei furchterregend und werde ebenfalls von 1000 Hunden begleitet, die jedoch alle nur dreibeinig seien. «Eigentlich völlig absurd», so Thoos.
Eine Gemeinsamkeit, die Thoos auf folgende Spur lenkte: «Es gibt Vermutungen, dass Hutätä Wotan darstellt.» Wotan, oder auch Odin, war eine germanische Gottheit, oftmals dargestellt in der Begleitung von zwei Wölfen. Doch warum wurde Hutätä so lächerlich und furchterregend zugleich erzählt? «Im achten Jahrhundert wurde Nordeuropa christianisiert. Damals entstanden Geschichten, um die Sagenwelt der Germanen lächerlich zu machen», so die Schlussfolgerung von Thoos.
Improvisation am Abend
Am Abend ab 19 Uhr stehen am Erzählfest Geschichten für Erwachsene auf dem Programm. «Es geht um Ironie, Liebe zwischen Mann und Frau oder wie man das Glück findet – bei Erwachsenen können die Geschichten auch mal etwas länger sein», sagt Brigitte Hirsig. Hier kommt auch sie selber zum Zug und gibt ihre Spezialität zum Besten: Improvisieren. «Jemand sagt einen Satzanfang, und ich erfinde dazu eine Geschichte.» Zum Abschluss des Tages gibt es um 20.30 Uhr eine bunte Erzählrunde mit allen Erzählenden des Tages.
Welche Bedeutung hat das Erzählen von Geschichten heute noch für die Menschen? «Eine sehr grosse», sagt Brigitte Hirsig: «Ich erlebe immer wieder, dass es Menschen verbindet, wenn sie zusammensitzen und in die Geschichte eintauchen. Es ist etwas Besonderes.»
Besonders ist auch die Umgebung, in der das Erzählfest stattfindet: Das historische Techtermannhaus in Ueberstorf bietet den zum Anlass passenden, märchenhaften Garten. Für musikalische Unterhaltung und kulinarische Leckerbissen ist gesorgt – unter anderem gibt es ein Märliguetzli. Das Fest soll auch die Möglichkeit zum Austausch bieten: «Dieses kleine Erzählfestival soll die Erzählkunst wieder aufleben lassen und die Menschen aus dem Dorf und der Umgebung zusammenbringen», so Brigitte Hirsig.
Ueberstorfer Erzählfest: Samstag, 2. September, ab 14 Uhr, Techtermannhaus, Ueberstorf. Eintritt frei. Abends wird ein Transport zum Bahnhof Flamatt organisiert. Weitere Infos: www.kulturalltag.ch
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