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«Es erinnert ein wenig an die EU-Krise»

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Reiner Eichenberger, die Finanzlage im Kanton Freiburg hat sich verschlechtert, die Demografie wird oft als Grund angegeben. Zieht Bevölkerungswachstum notwendigerweise Geldprobleme mit sich?

Freiburg hat das stärkste Bevölkerungswachstum, und dieses Wachstum bringt enorme Kosten; sicher kurzfristig, häufig auch langfristig. Wenn man wächst, muss erst investiert werden. Zudem neigen Behörden dazu, zu bauen und die Ausgaben auszuweiten. Das Bevölkerungswachstum bietet ihnen wunderbare Argumente dafür. Zuwanderer, die nicht 300 000 Franken plus verdienen, kosten erst einmal. Mit zwei Kindern sind sie keine Nettozahler, sondern sie beziehen mehr vom Staat. Auch Gutverdienende lohnen sich nur, wenn sie lange im Kanton bleiben, die Kinder aus der Schule sind und die Eltern weiterhin Steuerzahler sind. Deshalb ist Bevölkerungswachstum kurzfristig eher eine Fehlinvestition. Das hat man der Freiburger Politik der Vergangenheit zu verdanken.

 

 In welchem Sinn?

Gutverdienende suchen attraktive steuerliche und schulische Bedingungen. Etwa gute Verfügbarkeit von Gymnasien möglichst in Wohnnähe. Der Kanton Freiburg ist deshalb relativ unattraktiv für Leute, die leistungsorientiert sind.

 

 Kommen die jetzigen Struktur- und Sparmassnahmen also zu spät?

Ja, eindeutig. Das Argument, man müsse nun sparen, ist natürlich richtig, kommt aber viel zu spät. Man will jetzt nur noch sieben neue Stellen pro Jahr schaffen. In den letzten fünf Jahren wurden aber jedes Jahr 160 neue Stellen mit der Demografie begründet. Aber die Bevölkerung wächst weiter? Wie soll das aufgehen? Wenn man bisher sagte, man brauche dieses Wachstum der Beamtenschaft unbedingt: Weshalb braucht man es jetzt plötzlich nicht mehr? Fakt ist: Man hat Geld verschwendet, weil es einfach da war. Nun will der Staat den Gurt enger schnallen. Aber das hätte man schon in den fünf guten Jahren tun müssen.

 

 Warum ist dies nicht geschehen?

Eine Schuldenbremse, wie sie Freiburg hat, hilft zwar, in schlechten Zeiten keine Schulden zu machen. Sobald es aber gut geht, wird das Geld verpulvert. Das ist in Freiburg passiert: Niemand hat über grundsätzliche Reformen nachgedacht. Jetzt wird eine Pflästerlipolitik gemacht. Das gibt insgesamt eine stattliche Summe, aber bringt langfristig nicht mehr Effizienz und bessere, nachhaltigere Strukturen. Es erinnert ein bisschen an die EU in der Krise.

 

 Ist Opfersymmetrie falsch?

Nein, nicht generell. Wenn man bisher in allen Bereichen in etwa gleich ineffizient gewesen ist, dann ist der Rasenmäher sinnvoll. Wenn man aber meint, in einzelnen Bereichen sei klar ineffizienter gearbeitet worden, dann macht es Sinn, zu versuchen, diese anzupacken. Doch es ist unwahrscheinlich, dass man so die richtigen Bereiche trifft. Denn ausgerechnet diese haben besonders gute Beziehungen zur Politik–deshalb auch die bisherige Verschwendung. Wenn es nicht völlig auf der Hand liegt, wo das Geld verjubelt wurde, ist generelles Sparen wohl sinnvoller.

 

 Kann man einzelne Dienstleistungen einstellen?

Natürlich wäre das eine Option. Aber Politiker haben immer den Eindruck, sie hätten alles in ihrer Macht Stehende zum Sparen schon getan. Deshalb braucht es einen anderen Ansatz: Die Anreize der Entscheidungsträger sind zu ändern. Diese sind institutionell bedingt. Einige Eigenschaften der politischen Institutionen Freiburgs führen dazu, dass die Regierung nicht richtig zum Geld schaut. Da muss man ansetzen.

Die Personalseite meldet Kritik an. 40 Prozent auf ihrem Buckel sei zu viel. Ist die Kritik nachvollziehbar?

Ich verstehe nicht ganz, wenn der Staatsrat sagt, es gebe keine Gehaltskürzung. In einer Tabelle präsentiert er eine Senkung der Gehaltsskala um 0,9 Prozent. Die Senkung des Teuerungsausgleichs führt ebenfalls zu einer Reallohnsenkung, wird aber nicht richtig ausdiskutiert. Der Nicht-Stufenanstieg ist zwar keine Lohnkürzung, aber mit den versprochenen Anstiegen haben natürlich viele Leute fest gerechnet. Sicher zahlt der Staat in vielen Bereichen gut, aber in anderen Bereichen bezahlt er wenig. Vor allem für hoch qualifizierte und gute Leute. Freiburg hat wohl eher zu viele Stellen geschaffen als die Löhne unsinnig erhöht. Darum sollte der Staat über Personalabbau nachdenken.

Mit welchen Folgen?

Es kommt auf die Ursache der bisherigen Personalsteigerung an. Wenn es wirklich die Demografie gewesen wäre, würde man jetzt in eine Katastrophe laufen. Zum Glück war das Argument oft nur vorgeschoben. Deshalb gibt es Stellen, die man kürzen kann. Die Welt ändert sich: Einige Stellen braucht es nicht mehr, dafür braucht es neue in anderen Bereichen. Da ist der Staat im Vergleich zur Privatwirtschaft viel träger.

 

 Wo liegt noch Potenzial?

Was unterscheidet Freiburg von anderen, wirtschaftlich erfolgreichen Kantonen? Die direkte Demokratie. Sie führt zu guter Finanzpolitik, ist aber in Freiburg stark eingeschränkt. Zum Beispiel beim Finanzreferendum: In Freiburg gibt es ein fakultatives Finanzreferendum erst für Ausgaben ab neun Millionen Franken. Dazu braucht es 6000 Unterschriften. In Zürich reichen schon 3000 Unterschriften bei sechs Millionen einmaligen Ausgaben und bei wiederkehrenden Ausgaben ab 600 000 Franken. Gleiches gilt für die Gemeindeautonomie: Freiburg ist heillos überzentralisiert. Erfolgreiche Kantone haben viel mehr Gemeindeautonomie mit einer besseren Aufgabenteilung. Gemeindeautonomie ist äusserst wichtig für eine gute Finanzpolitik.

 

 Wie steht es mit der Steuerpolitik?

Freiburg konzentriert sich auf quantitatives Wachstum. Der Kanton hat relativ tiefe Firmensteuern und hohe Steuern für Leistungsträger. Das ist die falsche Politik. Firmen ziehen in den Kanton, aber die Manager nicht. Man muss immer die Gesamtsteuerzahlung anschauen: die Unternehmenssteuer plus das, was die Mitarbeiter bezahlen, minus das, was die Mitarbeiter den Staat kosten. Firmen mit vielen gut verdienenden Mitarbeitern bringen netto Geld in den Kanton. Freiburg hat sich ein bisschen auf die falsche Wirtschaftsentwicklung spezialisiert.

Sparmassnahmen: Das Staatspersonal sieht sich als Opfer in Krisenzeiten

D as Staatspersonal des Kantons Freiburg muss einen grossen Beitrag an die Struktur- und Sparmassnahmen leisten, welche der Staatsrat am Montag bekannt gegeben hat. In einem Interview mit der Zeitung «La Liberté» zeigt sich der Präsident des Personalverbandes Fede, Bernard Fragnière, empört: «Der Plan ist absolut inakzeptabel.» Fragnière ruft dabei in Erinnerung, dass die Arbeitsbedingungen für das Staatspersonal in Freiburg früher unterdurchschnittlich waren, dass diese sich aber zuletzt klar verbesserten, insbesondere durch den Prozess Evalfri, dank dem viele Funktionen aufgewertet wurden. «Wir hatten das Gefühl, angehört zu werden. Umso grösser nun der Schock über den Sparplan, der für uns total inakzeptabel ist», so Fragnière. Der Fede-Präsident sieht im Staatspersonal jenen Bereich, der in Krisenzeiten zu Opfern bereit sein muss: «Während der Krise der 90er-Jahre hat man die Löhne des Staatspersonals eingefroren. In der Zeit der Hochkonjunktur wurden dann aber die Steuern gesenkt. Jetzt, wo der Konjunkturzyklus wieder ungünstig ist, greift man wieder die Lohnverhältnisse im öffentlichen Dienst an.»

Fragnière erwähnt in «La Liberté», dass die vergangenen Steuersenkungen im Kanton jährlich rund 140 Millionen ausgemacht haben. «Das ist genau der Betrag, der nun fehlt, um das Budget des Kantons auszugleichen», so Fragnière. Für ihn ergreift der Staatsrat insofern den falschen Weg, als dieser strukturelle Massnahmen für ein konjunkturelles Problem anwende.

Der Fede-Präsident verlangt von der Regierung Kohärenz: «Wenn der öffentliche Dienst im Kanton bisher zu gut bezahlt war, soll es der Staatsrat klar sagen. Die Massnahmen sind umso schwerer zu akzeptieren, als Freiburg diesbezüglich im interkantonalen Vergleich sich im Mittelfeld befindet.»

Fragnière verweist darauf, dass der Staat vor ein paar Jahren begonnen hat, seine Leistungen zu überprüfen. Einige Möglichkeiten seien aufgedeckt worden, und diesen Weg müsse man weitergehen. «Das Personal ist dazu bereit; es verlangt dies sogar», so Fragnière. Man sei bereit für eine Geste, aber nicht in dieser Grössenordnung. Die Fede plant nun eine Mobilisierung am 14. Juni. uh

Zur Person

Ökonom mit einem Auge auf die Politik

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Freiburg. Forschungsschwerpunkte sind Finanz- und Wirtschaftspolitik, ökonomische Analyse der Politik, Deregulierung des politischen Prozesses. Der 52-Jährige hat viele Bücher und Artikel publiziert.uh

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