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«Es ist gut, dass Sie uns anrufen»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Die Frau wählt die Nummer 143 morgens um zwei Uhr. Sie leidet an Krebs, wird bald sterben und sorgt sich um ihren Ehemann und ihre drei kleinen Kinder. «Es sind Ängste, über die sie mit niemandem sprechen kann. Vor allem nicht mitten in der Nacht», sagt Claire-Lise Sunier, Leiterin der Geschäftsstelle Nordwest der Dargebotenen Hand. Mit diesem praxisnahen Beispiel zeigt Sunier die Bedeutung des Schweizer Sorgentelefons auf. Auch wenn die an Krebs leidende Frau in psychologischer Betreuung ist, mag es Dinge geben, die sie ihrem Psychiater nicht erzählen will, oder die Ängste sind tagsüber bei der Sitzung mit dem Psychiater nicht gleich belastend wie in der Dunkelheit der Nacht.

Zweisprachige Zentrale

Die FN treffen Sunier in Biel, wo sich die Geschäftsstelle Nordwest der Dargebotenen Hand befindet. Wenn im Kanton Freiburg jemand die Nummer 143 wählt, so nimmt ein zweisprachiger Mitarbeiter oder eine zweisprachige Mitarbeiterin in Biel das Telefon entgegen. Neben Freiburg treffen hier die Anrufe aus Neuenburg und dem Jura sowie aus Teilen der Kantone Bern und Solothurn ein; es ist die einzige zweisprachige Zentrale der Schweiz.

Bei einem echten Gespräch dürfen Journalisten nicht dabei sein. Die Nummer 143 garantiert absolute Anonymität; die Anruferinnen und Anrufer wissen: Was sie am Telefon erzählen, verlässt die Geschäftsstelle nicht. Und damit beginnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laut Sunier auch das Gespräch: «Wir bereiten den Menschen einen warmen Empfang, danken ihnen für den Anruf und betonen, dass sie alles sagen können, was sie wollen.»

Keine Ratschläge

Die Gründe, weshalb jemand die 143 wählt, sind unterschiedlich: psychische Probleme, Gewalt, Beziehungsprobleme, Überforderung, finanzielle Schwierigkeiten, Sucht, Suizidgedanken, Einsamkeit, das Gefühl, nicht zu genügen.

Auch die Erwartungen an das Gespräch sind unterschiedlich: «Manche wollen einfach eine menschliche Stimme hören, andere sind froh, erzählen und deponieren zu können, was für sie schwierig ist, und andere erwarten konkrete Ratschläge, aber die geben wir nicht», sagt Sunier. Stattdessen versuchen die Mitarbeiter im Gespräch herauszufinden, wo die Ressourcen der Menschen liegen.

Zur Veranschaulichung greift Sunier wieder zu einem Beispiel: Ein Kadermitarbeiter ruft um 5.30 Uhr morgens an, er ist auf dem Weg zur Arbeit und erzählt, dass ihm alles über den Kopf wächst. «Wir ermuntern den Mann, sagen ihm, dass es gut ist, dass er anruft, und fragen, was für ihn im Moment am wichtigsten ist. Dann fragen wir, was er schon unternommen hat, was er noch tun könnte, damit es ihm besser geht.» Die Lösung sei manchmal ganz einfach. «Schon ein Spaziergang kann helfen.» Alleine würden die Menschen jedoch nicht mehr darauf kommen, weil sie zu stark in einer Negativspirale sind.

Immer wieder gibt es auch Menschen, die regelmässig die Nummer 143 wählen. «Mit der Zeit kennen wir sie. Es sind meist sehr einsame Leute, die Mühe haben, ihren Alltag zu bewältigen. Ruft so jemand länger nicht an, machen wir uns Sorgen», sagt Sunier. Denn da alles anonym bleibt, wissen die Mitarbeiter nicht, wie es nach einem Anruf mit einem Menschen weitergeht. «Hin und wieder ruft aber jemand an, um sich zu bedanken.»

Ohne Vorurteile

Wie die Anrufenden bleiben auch die Mitarbeiter anonym. Beim Besuch der FN steht eine Frau im Einsatz. Bequem sitzt sie auf einem Lehnstuhl, liest Zeitung und wartet auf die Anrufe. Es ist kurz vor 15 Uhr, die meisten Telefonate gehen zwischen 18 und 22 Uhr bei der Dargebotenen Hand ein. Im Büro befindet sich neben einem Schreibtisch und dem Lehnstuhl auch ein Bett für die Nachteinsätze. Sie engagiere sich bei der Dargebotenen Hand, weil sie etwas Positives tun wolle, sagt die Frau. «Und weil ich von anderen Lebenssituationen profitieren kann.»

Eine solche Einstellung sei wichtig, sagt Claire-Lise Sunier. In der Grundausbildung würden die künftigen Zuhörer lernen, nicht zu werten und keine Vorurteile zu haben. «Wir nehmen den Menschen an, so wie er ist», sagt sie. Dies sei nicht immer einfach: «Was, wenn jemand anruft und sagt: Ich habe meine Frau geschlagen?» Die Antwort der Mitarbeitenden müsse auch hier lauten: «Es ist gut, dass Sie uns anrufen.»

Suizid

Das Sorgentelefon alarmiert auf Wunsch die Polizei

Seit vergangenem Sommer hängen Schilder der Dargebotenen Hand bei der Zähringerbrücke und bei der Grandfeybrücke in Freiburg. Via Anrufknopf kann das Sorgentelefon bei der Grandfeybrücke sogar direkt kontaktiert werden. Claire-Lise Sunier, Leiterin der Geschäftsstelle Nordwestschweiz der Dargebotenen Hand, begrüsst dies. Immer wieder komme es vor, dass sich suizidale Menschen beim Sorgentelefon melden. «Sie tun dies aus zwei Gründen: Entweder, weil doch noch etwas Hoffnung vorhanden ist oder weil sie vor dem Sterben noch eine menschliche Stimme hören wollen. Letzteres ist jedoch sehr selten», sagt Sunier.

Klare Worte

Ruft jemand mit Suizidgedanken an, so verwenden die Mitarbeiter der Dargebotenen Hand klare Worte: Umbringen, vergiften, töten. «Das ist hart für uns und braucht Mut», sagt Sunier. Aber es sei nötig, um den Anrufenden vor Augen zu führen, was sie vorhätten. Anschliessend würden die Mitarbeiter darauf eingehen, was die Anrufenden erzählen und abklären, wie das persönliche Umfeld aussieht. «Gibt es jemanden, der Sie vermissen wird?», sei eine häufige Frage, denn Menschen, die vor dem Suizid stünden, hätten die Gedanken an Familie, Freunde, Bekannte ausgelöscht. Die Antwort könne lauten: «Oh, meine Katze. Niemand wird sie füttern.» – «So ist es möglich, die Menschen zurück in die Realität zu holen», sagt Sunier.

Auf Wunsch aktiv

Die Mitarbeiter würden auch fragen, ob die Anrufer Hilfe möchten. In diesem Fall müssten die Betroffenen aus der Anonymität heraustreten, Name und Aufenthaltsort bekannt geben, so dass die Mitarbeiter die Polizei anrufen können. «Es ist der einzige Fall, in dem wir aktiv werden, und auch hier nur, wenn die Menschen dies möchten.» Von sich aus könnte das Sorgentelefon gar nicht Alarm schlagen, da die Herkunft des Anrufs für die Mitarbeiter nicht ersichtlich ist.

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Zahlen und Fakten

Gut 11 000 Gespräche pro Jahr

Bei der Telefonzentrale Nordwestschweiz der Dargebotenen Hand in Biel gehen jährlich zirka 15 000 Anrufe ein. 11 000 Gespräche finden effektiv statt. Der Unterschied ergibt sich, weil gewisse Anrufe Schweige-, Fehl- oder Juxanrufe sind oder weil der jeweilige Mitarbeiter des Sorgentelefons bereits in einem Gespräch ist. Rund 70 Prozent der Anrufe stammen von Frauen, 30 Prozent von Männern. 20 Prozent aller Anrufe kommen aus dem Kanton Freiburg. 40 Frauen und Männer arbeiten freiwillig in Biel. Sie leisten pro Monat mindestens vier Schichten, wovon eine in der Nacht. Zuvor absolvieren sie eine Grundausbildung und später regelmässig Weiterbildungen. Wer beim Sorgentelefon arbeiten will, muss physisch und psychisch in guter Verfassung sein, über Lebenserfahrung verfügen und zweisprachig sein. Der Einsatz ist unentgeltlich, Spesen für die Anfahrt werden rückvergütet. Angestellt sind die Geschäftsführerin, eine Sekretärin und eine Ausbildnerin. Finanziert wird das Sorgentelefon durch Spenden, Leistungsverträge mit Kantonen, Beiträge der Landeskirchen und der Gemeinden. In Freiburg und Neuenburg gibt es je einen Verein, der aktiv Fundraising betreibt. Das Jahresbudget der Dargebotenen Hand Nordwestschweiz beläuft sich auf 320 000 Franken. Die Dargebotene Hand Schweiz bietet auch Kontakte via Chat an.

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Zum Jahresbeginn öffnen die FN Türen, die normalerweise geschlossen sind. Die Leserinnen und Leser erhalten so Einblick in Bereiche, die sonst nicht zugänglich sind.

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Bisher sind erschienen: In einer Gefängniszelle in Bellechasse (4.1.); Das Warenlager von Manor (5.1.); Mit der Spitex unterwegs (7.1.); Die Grossküche des Campus Schwarzsee (13.1.); Die Depots des Naturhistorischen Museums Freiburg (14.1.); Hinter den Kulissen der Freiburger Oper (17.1.)

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