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«Es ist keine einfache Strafe»

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236 Stunden lang muss Anna* in einem Betagtenheim arbeiten. Lohn erhält sie dafür keinen: Sie arbeitet eine Strafe ab. Im Ausgang hat sie sich einmal mit einem Mann gestritten, der ihr zu nahe kam–so heftig, dass die Fetzen flogen. Der Mann zeigte sie wegen Tätlichkeit an, und die Freiburger Staatsanwaltschaft verurteilte sie zu gemeinnütziger Arbeit.

«Mache eigentlich alles»

Anna geht an mehreren Tagen die Woche ins nahe gelegene Betagtenheim, sobald ihre beiden Buben in der Schule sind. Jede Woche leistet die Mittdreissigerin so 18 Stunden Arbeit. «Ich helfe in der Waschküche, putze Zimmer und Fenster, nähe–ich mache eigentlich alles», sagt Anna. Als sie mit ihrem Bewährungshelfer darüber gesprochen habe, dass sie in einem Betagtenheim arbeiten könnte, habe sie sich gefreut: «Ich dachte, dass ich mit den alten Menschen arbeiten würde.» Doch nun habe sie kaum Kontakt zu den Heimbewohnern. Trotzdem gefällt Anna die Arbeit: «Ich wohne seit vier Jahren in meiner Gemeinde, aber Kontakt zu Leuten hatte ich bisher kaum–man spricht ja nicht einfach jemanden auf dem Trottoir an.» Das habe sich nun geändert: «Durch meine Arbeit im Heim habe ich viele Leute kennengelernt.» Mit einigen Mitarbeiterinnen habe sie engeren Kontakt; ihnen erkläre sie auch, warum sie die gemeinnützige Arbeit leisten müsse.

Zwei Jahre Zeit

Anna ist nicht erwerbstätig: «Meine beiden Kinder sind ein Vollzeitjob.» Jetzt muss sie jedoch die Zeit finden, um im Heim zu arbeiten. Fabio Scascighini, Chef der Abteilung Alternative Strafvollzugsformen bei der kantonalen Bewährungshilfe, erlebt dies immer wieder: Wer zu einer gemeinnützigen Arbeit verurteilt wird, muss sein Leben umstellen. Die Strafe muss innert zweier Jahre abgearbeitet werden. «Wenn jemand zu 100 Prozent erwerbstätig ist und 720 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten muss, wird er während zweier Jahre an sechs Tagen die Woche arbeiten.» Einige Verurteilte leisten die gemeinnützige Arbeit auch während der Ferien. «Es ist keine einfache Strafe, denn sie wird in der Freizeit und an den Wochenenden geleistet.»

Die Vorteile

Der Vorteil dieser Strafe: Die Verurteilten werden nicht aus ihrem sozialen Umfeld gerissen und können weiterhin ihrer Arbeit nachgehen. Die Angestellten der Abteilung Alternative Strafvollzugsformen begleiten die Leute, die gemeinnützige Arbeit leisten müssen. «Wir coachen und motivieren sie», sagt Fabio Scascighini. «Es bleibt aber eine Strafe.»

Die Abteilung Alternative Strafvollzugsformen arbeitet mit einem Netz von rund hundert Institutionen und Organisationen zusammen, bei denen gemeinnützige Arbeit geleistet werden kann. Dabei darf der Arbeitsmarkt nicht konkurrenziert werden. Wichtig ist, dass die jährlich rund 250 bis 300 Verurteilten nahe ihrem Wohnort die Strafe abarbeiten können, «denn die meisten haben einen Fahrausweisentzug», sagt Scascighini. Seine Mitarbeiter suchen eine Arbeit, die den Kompetenzen des Verurteilten entspricht.

Scascighini ist es wichtig, dass die Verurteilten ihre Tat nicht banalisieren: «Es gibt viele, die erzählen, dass sie sich nur einmal betrunken ans Steuer gesetzt hätten und genau in diesem Moment in eine Polizeikontrolle gekommen seien.» Darum sprechen seine Mitarbeiter mit den Verurteilten über die Rückfallgefahr. «Wir wollen ihnen helfen, Muster aufzubauen, damit sie nicht noch einmal für dasselbe verurteilt werden.»

Scascighini versteht seine Mitarbeiter «auch als eine Art Sozialarbeiter», wie er sagt: «Wir versuchen zu verhindern, dass jemand aufgibt und darum ins Gefängnis kommt oder eine Geldstrafe bezahlen muss, für die er kein Geld hat.» Denn wer die gemeinnützige Arbeit aufgibt oder gar nicht erst antritt, dessen Dossier geht zurück an den Staatsanwalt. Dieser wandelt die Strafe in eine Geld- oder Haftstrafe um. Letztes Jahr haben 82 Prozent ihre Arbeit geleistet, zwölf Prozent arbeiteten nur einen Teil ab und liessen einen Teil umwandeln, und sechs Prozent wandelten die ganze Strafe um.

«Nichts ist vergebens»

Anna wird ihre Strafe abarbeiten. «Ich will dafür bezahlen, was ich getan habe.» Sie sieht die Arbeit im Heim positiv: «Ich kann einiges lernen und Kontakte knüpfen.» Und überhaupt: «Im Leben ist nichts vergebens.»

* Name der Redaktion bekannt

Unternehmen: Die Stiftung St. Wolfgang macht gute Erfahrungen

I n der Stiftung St. Wolfgang arbeiten regelmässig Verurteilte ihre Strafe mit gemeinnütziger Arbeit ab. «Wir wollen ihnen eine Chance geben», sagt Andreas Raemy, Bereichsleiter Verpflegung. Die Stiftung beschäftigt auch Personen, die via Regionale Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu ihr kommen, Bezüger von Invalidenrenten und der Stiftung IPT, welche Menschen bei der beruflichen Wiedereingliederung unterstützt. «Wir können all diese Personen gut integrieren», sagt Raemy. «In der Küche sind wir ein geschlossenes Team.» So seien die Personen, die gemeinnützige Arbeit verrichteten, nie alleine, sondern im Team und betreut. «Das ist ein grosser Vorteil.»

«Eine klare Linie»

Die Stiftung Wolfgang betreibt in den Heimen Wolfacker in Düdingen, Sonnmatt in Schmitten und Auried in Flamatt je eine eigene Küche; neu kommt auch die Küche im Pflegeheim Bachtela in Bösingen dazu. «Pro Küche nehmen wir nicht mehr als eine Person auf», sagt Raemy.

«Wichtig ist, dass wir eine klare Linie haben», sagt Raemy. «Wer gemeinnützige Arbeit leistet, hat die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angestellten.» Wichtig sei auch, dass beide Seiten das Engagement jederzeit abbrechen könnten. Wenn sich zum Beispiel zeige, dass jemand nicht motiviert sei oder gar nicht erst erscheine, breche die Stiftung rasch ab. «Aber das macht nur ein kleiner Teil.»

Die Meisten integrierten sich sehr gut; «darum bieten wir diese Möglichkeit auch weiterhin an», sagt Raemy. So habe einmal ein Mann 500 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten müssen – und sei kurz darauf mit einer neuen Strafe von 300 Stunden wiedergekommen. «Als er diese Strafe abgearbeitet hatte und sich verabschiedete, hatten alle eine Träne in den Augen.»

Die Tat ist kein Thema

Laut Andreas Raemy verbüsst ein grosser Teil der Verurteilten eine Strafe wegen Vergehen im Strassenverkehr.. Die Tat sei aber nur im ersten Gespräch ein Thema, dann nicht mehr. «Wir wollen keine Vorurteile schüren.» Wer von aussen in die Küche schaue, sehe nicht, dass da jemand gemeinnützige Arbeit leiste. «Es könnte ja auch ein Praktikant sein.» Ob die Person dann im Team über seine Tat spreche, sei sehr unterschiedlich. «Einige integrieren sich stark und erzählen auch von sich, andere leisten nur ihre Stunden ab.»

Raemy hat in den Küchen der Stiftung Wolfgang schon sehr unterschiedliche Leute eingesetzt. «Sie kommen aus allen Schichten.» Einige könnten die Geldstrafe nicht bezahlen, andere wollten sie aus Prinzip nicht bezahlen. «Wir hatten auch schon Buchhalter und Radioreporter.»

Keine fixe Arbeitskraft

Dem Küchenteam bringen die Einsätze der Verurteilten Erleichterung und Hilfe bei der Arbeit. Andreas Raemy rechnet sie aber nicht als fixe Arbeitskräfte ein. Die Einsätze seien unregelmässig: In einem Jahr leisteten zwei Leute ihre Strafe ab, in einem anderen Jahr sechs. «Wir könnten deshalb gar nicht auf sie zählen – aber wir setzen die Leute ein, wenn sie da sind.» Wenn einmal jemand nicht erscheine, dürfe in der Küche kein Loch entstehen. Die Meisten, die ihre Strafe abarbeiten, sind erwerbstätig. «Ihre Anstellung hat Vorrang, wir richten uns mit den Einsätzen nach ihnen», sagt Raemy. Ein Vorteil sei, dass in den Küchen an sieben Tagen die Woche gearbeitet werde. «So können wir auf die Wünsche eingehen, wann die Leute ihre Arbeit leisten wollen.» njb

Zahlen und Fakten

Gemeinnützige Arbeit statt Haft

Seit 1992gibt es im Kanton Freiburg die gemeinnützige Arbeit; im Schweizer Recht ist die Strafe seit 1985 vorgesehen. Ist die Täterin oder der Täter einverstanden, kann der Richter oder Staatsanwalt eine gemeinnützige Arbeit vonhöchstens 720 Stundenfür ein Delikt und höchstens 360 Stunden für eine Busse aussprechen. Diese Arbeit ist unentgeltlich und wirdzugunsten sozialer Einrichtungen,Verwaltungen oder einer hilfsbedürftigen Person geleistet. Ziel ist, dass der Verurteilte seine Strafe leisten kann, ohne seine familiären und beruflichen Pflichten zu vernachlässigen. So können unbedingte Haftstrafen unter sechs Monaten verhindert werden. Heute werden im Kanton Freiburggut neun Prozent der Strafenauf diese Art geleistet; das ist schweizweit der dritthöchste Anteil. In Bern sind es 33 Prozent, in Zürich knapp 20 Prozent. Seit 2007 nimmt die Zahl der Verurteilungen zu gemeinnütziger Arbeit klar ab; in Freiburgwar die Spitze 2009 erreicht,seither sinkt der Anteil leicht. 2009 haben 287 Freiburgerinnen und Freiburger gemeinnützige Arbeit geleistet, 2011 waren es noch 255 gewesen.njb

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