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Esther Bejarano singt gegen das Vergessen

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Esther Bejarano mag eigentlich keinen Rap. «Langsam habe ich mich aber daran gewöhnt», sagt sie. Und wenn die bald 90-Jährige auf der Bühne steht und zum Wortgesang ihrer jüngeren Kollegen tanzt, ist nichts zu merken von der Abneigung gegen den Musikstil. Gemeinsam singt sie mit der deutschen Band Microphone Mafia seit drei Jahren gegen Faschismus, Rassismus und die Nationalsozialisten. «Weil deren Gräueltaten nie vergessen gehen dürfen.» Am Wochenende war Bejarano, eine der letzten Holocaust-Überlebenden, am Kollegium St. Michael in Freiburg zu Gast.

Dank der Musik überlebt

Esther Bejarano wurde 1924 als jüdisches Mädchen in Deutschland geboren. 1941 kam sie in ein erstes Arbeitslager, 1943 deportierten die Nazis sie ins Konzentrationslager Auschwitz. Die 1,50 Meter kleine Frau musste tagelang Stei- ne schleppen. Zusammengepfercht schlief sie mit zig anderen Frauen in einem Pferdestall, auf dem nackten Boden. Alle froren entsetzlich. Und Bejarano wusste: Lange würde sie das nicht überstehen.

Die Musik rettete ihr das Leben: Eine gefangene polnische Dirigentin hatte den Auftrag, ein Mädchenorchester aufzubauen. Bejarano meldete sich, denn ihr Vater war Musiker, und sie konnte Klavier spielen.

«Ein Klavier haben wir nicht», habe die Dirigentin zu ihr gesagt. «Aber wenn du Akkordeon spielen kannst, dann nehmen wir dich.» Bejarano, die nie zuvor ein Akkordeon in der Hand gehalten hatte, log: Sie könne Akkordeon spielen. Die Dirigentin gab ihr ein paar Minuten Zeit zum Üben, dann musste Esther Bejarano den Schlager: «Du hast Glück bei den Frauen, Bel Ami» vorspielen. Und es klappte. «Ein Wunder», sagt Bejarano heute.

 Die Musik bestimmte auch nach dem Konzentrationslager ihr Leben. Sie lebte 15 Jahre in Israel und absolvierte dort eine Musikschule. Sie sang an Opern und trat später auch mit ihren beiden Kindern auf. Doch es gibt Lieder, die erträgt sie nicht mehr. «Im Lager mussten wir Märsche spielen, wenn die Transporte mit neuen Häftlingen ankamen. Wir spielten und wussten, dass die Menschen direkt in die Gaskammer fuhren», erzählt Esther Bejarano. «Es war schlimm. Aber wir konnten ja nichts machen. Hätten wir nicht gespielt, hätten uns die Wachen erschossen.»

Schon oft Zeugnis abgelegt

Bejarano berichtet präzis und klar von ihren Erlebnissen. Bei den Auftritten liest sie aus ihrem Buch «Erinnerungen». «Weil ich diese Dinge lieber vorlese, als sie zu erzählen.» Doch auch wenn sie vor Publikum erzählt: vom Akkordeon, von den physischen und psychischen Qualen, von ihrer Befreiung, es wirkt wie eingeübt. So oft hat sie schon Zeugnis abgelegt. Im direkten Gespräch allerdings berichtet sie von Dingen, die sie auf der Bühne meist für sich behält.

Sie erzählt, wie ihre Eltern nach Kovno deportiert und dort erschossen wurden–und ihre Stimme droht zu brechen. Sie erzählt, wie ihre Schwester nach Holland floh, und als die Nazis dort einmarschierten, auf einem Heuwagen versteckt in die Schweiz kam. «Meine Schwester ist in der Schweiz gestorben», sagt Bejarano. Und Wut schwingt mit. Denn die Schweizer Grenzwächter wiesen die 21-Jährige ab. Noch in Basel, auf der deutschen Seite, wurde sie erschossen.

Gegen NPD-Propaganda

Lange hatte Esther Bejarano keine Worte gefunden. «Ich habe kaum über die Erleb- nisse in Auschwitz gesprochen, ich musste alles verdrängen.» Doch dann, als sie wieder in Hamburg war, erlebte sie mit, wie die NPD Propaganda machte und dabei von der Polizei geschützt wurde. «Da wusste ich, ich muss etwas tun.»

Zuerst machte sie mit ihren beiden Kindern Musik gegen den Faschismus. Sie hielt unzählige Vorträge und schrieb zwei Bücher. Dann kam die Anfrage der Rapper von Microphone Mafia. «Ich fand das Konzept gut, denn ich wollte die Jungen erreichen.»

Und es funktioniert: Die Schüler des Kollegiums St. Michael spendeten ihr stehend Applaus, und ein Schüler kommentierte Bejaranos Geschichte mit den Worten «Das ist heavy» und einem betroffenen Kopfschütteln.

«Wir leben trotzdem»

Bejaranos Sohn unterstützt sie auf den Konzerten, ihre Tochter erlitt vor einigen Jahren einen Herzinfarkt und kann nicht mehr mitreisen. Auch für die bald 90-Jährige sind die vielen Auftritte anstrengend. «Vor einer Kon- zertreise denke ich jedes Mal, ich schaffe das nicht mehr. Doch die Jungs überzeugen mich immer wieder.» Und sie fügt an: «Die Bühne ist meine Therapie.»

Auch ihr Lieblingslied ist eine Art Therapie. Ein Lied, das in den polnischen Gettos entstand und den Menschen Mut machen sollte. Sie singt das Lied auf der Bühne, aber auch alleine, in ihrem Hotelzimmer. Laut und klar tönt es auf Jiddisch: «Wir leben trotzdem. Wir werden leben und erleben und schlechte Zeiten überleben. Wir leben trotzdem. Wir sind da.»

«Hätten wir nicht gespielt, hätten uns die Wachen erschossen.»

Esther Bejarano

Auschwitz-Überlebende

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