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«Etat aller Unterthanen und Seelen»

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«Etat aller Unterthanen und Seelen»
Die Kornlisten von 1785 geben Aufschluss über die damalige Bevölkerung des Kantons Freiburg
In den Depots des Staatsarchivs Freiburg schlummert eine interessante Quelle zur Bevölkerungsentwicklung, der Versorgungslage und dem staatlichen Krisenmanagement bei Missernten im 18. Jahrhundert: die Kornlisten von 1785.
Von DAVID BLANCK*
Im Frühjahr 1785 war es nicht die Hitze, sondern der lange Winter und das anhaltende schlechte Wetter, welches den Bauern und den Kantonsregierungen gleichermassen Sorge bereitete. Erst im April, nach fünf Monaten Winter, schmolz damals im Schweizer Mittelland, wie auch in andern Teilen Europas, die Schneedecke. Der Kleine Rat (heute Staatsrat) von Freiburg reagierte am 12. Mai 1785. In einem Mandat an die Landvögte wurde auf den Zustand eines grossen Teils der Äcker und Saaten verwiesen, welcher «eine geringe Einsamlung und Ernde verhoffen» liess. Deswegen wurde «eine genau und specifizierliche Verzeichnüs» des Korns in sämtlichen Speichern des Kantons sowie ein «Etat aller Unterthanen und Seelen» in Auftrag gegeben. Für diese Erhebung der Kornreserven und Einwohner wurden vorgedruckte Formulare in deutscher und französischer Sprache an alle Landvögte sowie die vier Venner von Freiburg verschickt. Letztere waren für die Stadtquartiere und das zugehörige Umland, die so genannte Alte Landschaft zuständig.
«Aus wahr vätterlicher Liebe»
Das Vorgehen der Freiburger Regierung war durchaus nicht ungewöhnlich. Wie in anderen Kantonen auch, wachte die hiesige Staatsgewalt damals streng über die Preisentwicklungen auf dem Kornmarkt. Schwere Missernten bedeuteten steigende Kornpreise. Trotz der grossen Zahl von Menschen, welche von der Landwirtschaft lebten, waren viele auf den Markt angewiesen. Dies galt natürlich vor allem für Stadtbewohner, aber auch für Handwerker, Bergbauern, Winzer und Kleinbauern. Die Teuerung des wichtigen Grundnahrungsmittels Getreide, welches vor allem in Form von Brot oder Brei konsumiert wurde, bedrohte damit direkt den Wohlstand und die Versorgung der Bevölkerung. Die staatliche Einmischung lässt sich denn auch aus dem paternalistischen Herrschaftsverständnis der Obrigkeit des Ancien Régime erklären. So handelte der Freiburger Rat 1785 nach eigenen Angaben «aus wahr vätterlicher Liebe und Sorgfalt der allzu grossen Theure der Früchten vorzukommen, und einer allfällige Noth und Mangel vorzubiegen». Letztendlich ging es den Regierenden in diesen revolutionären Zeiten auch darum, mögliche Unruhen und Aufstände, ausgelöst durch Hunger und Verarmung, zu vermeiden. Die Visitation der Kornspeicher und das Erheben der Einwohnerzahlen gehörten dabei zu den traditionellen Instrumenten der Teuerungspolitik in der alten Eidgenossenschaft. Denn kannte man die Kornreserven der Bauern und die Anzahl Esser im Kanton, konnte man die Bedrohung besser abschätzen und notfalls Massnahmen anordnen, wie beispielsweise Zwangsverkäufe oder das Einfrieren der Kornpreise. Freiburg hatte eigentlich schon Anfang 1783 ein Ausfuhrverbot für Korn erlassen. Zuwiderhandeln wurde mit einer Beschlagnahmung der Waren und fünf Talern Strafe pro Sack geahndet. Lediglich ein streng kontrollierter Handel mit dem Kanton Bern war erlaubt. Aber würde diese Massnahme noch ausreichen für die Missernte von 1785?
385 erhaltene Kornlisten
Die ersten ausgefüllten Formulare trafen Ende Mai 1785 in Freiburg ein, die meisten aber erst im Juni. Einige Vögte entschuldigten dies mit dem anhaltend schlechten Maiwetter, was die Besichtigungen erschwert habe. Insgesamt sind uns heute 385 dieser Blätter im Staatsarchiv erhalten geblieben. Nicht aufzufinden waren die Listen der Vogteien Vaulruz, Vuippens und Wallenbuch, sowie die der so genannten Gemeinen Vogteien, welche von Bern und Freiburg gemeinsam verwaltet wurden. Dies waren Grandson, Murten, Orbe/Echallens und Schwarzenburg. Auch bei den Vogteien Attalens, Corbières, Romont und Font/Vuissens fehlen einzelne Gemeinden. Mit Ausnahme der Vogtei Murten ist der deutsche Kantonsteil ziemlich vollständig erhalten. Das sind vor allem die Listen der Alten Landschaft, welche zum Banner der Au gehörten, sowie die Vogteien Plaffeien und Jaun. Wie in Bern (1757, 1764) und Zürich (1756) kamen auch in Freiburg bereits fortschrittliche, gedruckte Formulare zum Einsatz. Die einheitliche Tabelle im Format 41 x 38,5 Zentimeter erleichterte das Ausfüllen und auch das spätere Auswerten der Ergebnisse. Eingetragen wurde der Ortsname und darunter in der linken Spalte die Namen der «Hausväter», manchmal mit Zusatzangaben zum Beruf oder einer genaueren Ortsbezeichnung, sowie die Anzahl Personen im zugehörigen Haushalt. Rechts davon folgten die vorgefundenen Kornmengen, jeweils getrennt nach Weizen, Mischelkorn (Mischsaat aus Roggen und Dinkel oder Roggen und Weizen), Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer und Hülsenfrüchten. Die Massangaben erfolgten in Sack und Mäss, wobei acht Mäss einen Sack ergeben (in Estavayer sechs Mäss). Ein Mäss (französisch Bichet) entsprach je nach Region einem Inhalt von ca. 13 bis 16 Litern. In der untersten Zeile wurden dann die Ergebnisse addiert.
Summarische Volkszählung
Wir verdanken also dem schlechten Wetter von 1785 eine Erhebung der Einwohner, 26 Jahre vor der ersten eidgenössischen Volkszählung von 1811. Jedoch kann diese Erhebung noch nicht mit modernen statistischen Untersuchungen verglichen werden. So diente beispielsweise die gelegentliche Angabe des Berufs in erster Linie dazu, Personen mit gleichem Namen in einer Agrargesellschaft zu unterscheiden. Es sind keine verlässlichen und flächendeckenden Angaben für den sozialen Status der Einwohner. Der eingetragene «Hausvater» war übrigens des öfteren auch eine Frau. Deren Status als Familienoberhaupt bedurfte dann aber einer Erklärung, weswegen meist die Angabe «Witfrau», «Wittib» oder «Witwe» folgte. Auf genauere Informationen zu den restlichen Hausbewohnern wurde gänzlich verzichtet, ging es doch vor allem um die Gesamtzahl der Einwohner. Es existierten auch keine genauen Instruktionen, wie die Angaben erhoben werden sollten. Die Sachbearbeiter, welche von Haus zu Haus zogen und mit Federkiel oder Bleistift die Listen ausfüllten, handelten oft nach eigenem Gutdünken oder nach Anweisungen ihrer direkten Vorgesetzten. So wurden in der Vogtei Greyerz neben den Gesamteinwohnerzahlen jeder Gemeinde auch der Anteil an Frauen und Männern angegeben. Der anonyme Bearbeiter von Wünnewil und Bösingen ergänzte pflichteifrig die Listen noch um Angaben zu den zwei bzw. drei fremden Haushaltungen in diesen Pfarreien. Er kontrollierte die Toleranzbriefe, d.h. die Aufenthaltsbewilligungen, dieser Fremden, die meist aus andern Kantonen stammten, und waren die Betreffenden nicht zuhause anzutreffen, erkundigte er sich über sie. So vermerkte er, dass einer der «Tolerierten» aus Bösingen wegen diverser kleinerer Diebstähle einen «schlechten Ruhm» geniesse. Aber trotz dieser Einschränkungen stellen komplette Listen aller Hausstände einer Gemeinde aus der Zeit des Ancien Régime eine wertvolle Quelle für den Historiker und Geschichtsfreund dar. Auch für Genealogen, welche im Archiv auf der Suche nach ihren Vorfahren sind, können die Listen wichtige Hinweise liefern und eine Ergänzung zu den Angaben in den Tauf-, Ehe- und Sterberegistern der Pfarreien darstellen.
Unterschiedliche Vorräte
Die eigentlichen Getreideverzeichnisse können ebenfalls einige Hinweise liefern zur wirtschaftlichen Situation einzelner Personen und Haushaltungen in den Gemeinden, wie auch zu den damaligen Verhältnissen in d

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