Autor: pascal jäggi
FreiburgEs war ein Prozess ohne Gewinner, den Gerichtspräsident André Waeber gestern leiten musste. Ein krebskranker Pensionär, der kaum Geld zum Leben hat und dazu noch verschuldet ist, entschied sich im Sommer 2008 durch einen Banküberfall in Givisiez einen Teil seiner Sorgen loszuwerden. Dass er damit andere ins Elend stürzen würde, namentlich die drei damals anwesenden Angestellten, hat er offensichtlich nicht bedacht.
Der Täter hatte kurz nach seinem Eintreten eine der Angestellten gepackt und ihr das Messer an den Hals gehalten. Gesprochen hat er nicht viel, nur «das Geld» gesagt. Nachdem ihm ein Angestellter rund 15 000 Franken ausgehändigt hatte, zog er sich zurück, seine Geisel noch immer festhaltend. Erst als er an der Tür war, liess er sie los.
Draussen wechselte er seine Kleidung und ging in die nahe Postfiliale, um mit der Beute Zahlungen zu tätigen. Dann setzte er sich in ein Restaurant, wo er ebenfalls offene Rechnungen beglich. Das Messer liess er verschwinden und legte sich zuhause schlafen.
Geldprobleme nichts Neues
Wegen 3900 Franken an offenen Steuerrechnungen, die er seiner Frau verschwieg, habe er den Überfall begangen, erklärte der Angeschuldigte. Seit Monaten habe er versucht, auf andere Weise das Geld aufzutreiben. Doch hatte er schon bei verschiedenen Verwandten und Kollegen Schulden. Als auch der Staat (die Ausgleichskasse) nicht helfen wollte, habe er sich erstmal in seine Stammbeiz gesetzt, erinnerte sich der Schweizer. Ein plötzlich einsetzendes Gewitter habe ihm dann eine Eingebung beschert: Keine Menschen auf der Strasse, die Bank vis-à-vis; da habe er die Gelegenheit ergriffen. So lautete die Version des Angeschuldigten und seiner Verteidigerin Séverine Monferini Nuoffer.
Ganz anders sahen das der Geschädigtenvertreter Armin Sahli und der Substitut der Staatsanwaltschaft, Fabien Gasser. Der Täter habe den Überfall von langer Hand geplant, meinten die beiden. «Spontan war vielleicht der Zeitpunkt, aber dass er die Bank überfallen wird, wusste er schon lange», erklärte Gasser. Verschiedene Gegenstände im Auto, wie Latexhandschuhe oder die Tatwaffe, ein Messer mit 18 Zentimetern Klingenlänge, die schon länger im Auto lagerten, seien Beweis genug dafür, meinte Gasser.
In der Bank hinterliess er mit seiner kriminellen Aktion ein Gefühlschaos. Seine Geisel liess sich frühpensionieren und konnte ihre Aussage vor Gericht nur machen, als der Täter aus dem Raum gewiesen wurde. Die zweite Angestellte kann bis heute nicht über den Vorfall sprechen und hat sich von der Verhandlung dispensieren lassen.
Vor Gericht bedauerte der Räuber seine Tat, er habe nicht an die Opfer gedacht, sondern einfach nur eine Lösung für sein Geldproblem gesucht.
Geringe Abschreckung?
Bei allem Mitleid für den seit Freitag hospitalisierten Mann forderte Armin Sahli eine exemplarische Strafe. Um die Wichtigkeit des Prozesses zu betonen, waren auch der Verwaltungsratspräsident und der Direktionspräsident der Raiffeisen-West anwesend. Sahli erinnerte daran, dass seit diesem Vorfall noch vier weitere Überfälle auf Raiffeisenbanken in der Region verübt wurden. «Offensichtlich sind die Strafen zu gering, sonst nähmen die Überfälle nicht derart zu», vermutete Sahli. Fünf Jahre Haft, teilweise auf Bewährung seien angemessen, befand der Anwalt.
Fabien Gasser sprach sich für drei Jahre teilweise unbedingte Haft aus, Séverine Monferini Nuoffer forderte eine Strafe auf Bewährung von höchstens zwei Jahren.
Für das Gericht war dies keine Option. «Die Höchststrafe für seine Tat, Geiselnahme zum Zweck des schweren Raubs, wären 42 Monate Gefängnis. Angesichts der Umstände sind 30 Monate angemessen. Sechs davon müssen aber unbedingt ausgesprochen werden», erklärte André Waeber. Für den Rest sind zwei Jahre Bewährungsfrist gesetzt worden. Der Täter war zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs bereits nicht mehr anwesend. Er musste schon wieder ins Spital zurückkehren.