Kolumne Zweisprachigkeit
Autor: Claudine Brohy
Vom Klang der Vuvuzela und elf anderen Amtssprachen
Geht es Ihnen wie mir, spitzen Sie auch die Ohren, wenn Sie in anderen mehrsprachigen Gebieten sind? Nicht nur, um zu hören, in welcher Sprache die Leute jeweils sprechen, sondern auch, um zu erfahren, warum sie welche Sprache wählen, ob sie mischen, wie die Mehrheit mit der Minderheit umgeht, welche wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Enjeux hinter den sprachlichen Herausforderungen stecken?
So hört man in Luxemburg die Menschen Deutsch, Französisch und Lëtzebuergesch mit- und durcheinander sprechen. Der Luxemburger Dialekt ist übrigens dort seit 1984 eine der drei Amtssprachen, aber auch das Portugiesische ist stark präsent, weist doch Luxemburg den höchsten Ausländeranteil der EU auf. Laut der spanischen Verfassung haben alle Bürgerinnen und Bürger des Landes, auch diejenigen der autonomen Gemeinschaften, wie Katalonien oder das Baskenland, die Pflicht, Spanisch zu können, und das Recht, es zu gebrauchen. Die anderen Sprachen sind nur in den bestimmten Gemeinschaften Amtssprachen.
Somit sind alle Sprechenden der Minderheitensprachen eigentlich zweisprachig. Dies verhindert nicht, dass katalanische Nationalisten in Barcelona mitunter demonstrativ nach den Kopfhörern der Simultanübersetzung greifen, wenn Spanisch gesprochen wird. So tief sitzt noch das Verbot der Muttersprache unter dem Regime Francos. Eine Algerierin erklärt mir, dass sie nach der Repression gegenüber den Berbersprachen, der Arabisierung der Schulen und der Verwaltung auf Kosten des Französischen nun endlich eine neutrale Sprache gefunden habe: Englisch. Ich schüttle zweifelnd den Kopf: Englisch eine neutrale Sprache? Sie wendet sich wieder ihrer Kollegin zu, in einem unglaublichen Mix aus algerischem Dialekt und … Französisch.
Die Fussballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika hat die ganze Welt mit dem polarisierenden Klang der Vuvuzela vertraut gemacht. Aber man hört noch viele andere Klänge: Ganze elf Amtssprachen gibt es im Land: Sepedi, Sesotho, Setswana, Siswati, Tshivenda, Xitsonga, Afrikaans, Englisch, isiNdebele, isiXhosa und isiZulu. Eigentlich hat ein Sprachenaufstand das Ende der Apartheid im Jahr 1994 in Südafrika eingeläutet, das nur zwei Amtssprachen kannte: Afrikaans und Englisch. Nebst den elf Amtssprachen werden in der Verfassung noch 15 andere Sprachen genannt, welche gefördert werden sollen, darunter die Zeichensprache und Deutsch.
In Wirklichkeit gewinnt das Englische im öffentlichen Raum, in der Ausbildung und in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung, obwohl viel unternommen wird, um die sprachliche Vielfalt des Regenbogenstaates zu erhalten. Ich komme mit einer schwarzen Frau ins Gespräch. Sie spricht bei der Arbeit Afrikaans, Englisch und isiXhosa. In der Mitte des Namens ist ein Klick- oder Schnalzlaut, es gibt noch zwei weitere Klicklaute, wie galoppierende Pferde, sagt sie, und wie ein knallender Champagnerkorken. Und was spricht sie zu Hause? Die Muttersprache halt. Vier Sprachen, jeden Tag? Ja, das sei hier völlig normal. Sagt’s und schlurft davon.
Claudine Brohy ist Linguistin und wohnt in Freiburg. Sie ist zweisprachig aufgewachsen und hat in Freiburg und in Kanada studiert. Sie interessiert sich für die verschiedenen Aspekte der Zweisprachigkeit und ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die im Monats- rhythmus frei gewählte Themen zur Zweisprachigkeit bearbeitet.