«Erstaunt, um nicht zu sagen enttäuscht, nimmt der Gemeinderat Kerzers davon Kenntnis, dass Staatsrat Maurice Ropraz diverse Umfahrungsprojekte im ‹oberen› Kantonsteil priorisiert und vorantreibt.» Dies hat der Gemeinderat von Kerzers in einem offenen Brief an die Kantonsregierung geschrieben. Der Brief ist auf der Website der Gemeinde aufgeschaltet und bezieht sich auf den Entscheid des Staatsrats vom Juni: Die Kantonsregierung plant, drei Projekte konkret an die Hand zu nehmen: die Planung der Umfahrung Givisiez mit der Tiguelet-Brücke ist bereits weit fortgeschritten. Darauf folgen die Verbindung Marly–Matran sowie die Umfahrungsstrasse Düdingen. Für weitere fünf Projekte im welschen Kantonsteil beantragte der Staatsrat dem Grossen Rat Studienkredite (siehe Kasten). Die Umfahrung Kerzers berücksichtigte er nicht (siehe FN vom 21. Juni).
Kerzers fordert nun zum wiederholten Male angemessene Unterstützung des Kantons in Sachen Verkehr. Dies, weil die Gemeinde und mit ihr der gesamte nördliche Teil des Seebezirks neue Arbeitsplätze generiere und über ein grosses wirtschaftliches Potenzial verfüge. Der Gemeinderat Kerzers bittet den Staatsrat in dem Brief, die Umfahrung der Gemeinde zu den fünf Projekten im welschen Kantonsteil hinzuzufügen. Mit einer Umfahrung soll die seit Jahren andauernde Verkehrsüberlastung gelindert werden.
Unklare Grundlagen
Der Oberamtmann des Seebezirks Daniel Lehmann versteht die Enttäuschung der Kerzerser:«Für den Seebezirk ist es unverständlich, dass Kerzers hinten ansteht.» Bereits 2014 habe es eine breit angelegte Studie zu Umfahrungsstrassen im Kanton gegeben, und bereits damals habe die Gemeinde Kerzers wie auch der Gemeindeverband des Seebezirks nicht verstanden, weshalb Kerzers nicht prioritär behandelt wurde: Das Resultat der Studie habe erstaunt. Es sei bis heute nicht klar, auf welchen Grundlagen die Ergebnisse der Studie beruhen, so Lehmann. Deshalb habe Kerzers und auch der Gemeindeverband interveniert sowie nachgefragt. «Wir haben aber nie eine Antwort erhalten.» Der Kanton hat laut Lehmann nie versucht, die zugrunde liegenden Daten genauer zu erläutern. Auch anlässlich der erneuten Entscheidung vom Juni nicht, die Umfahrung Kerzers nicht in Angriff zu nehmen.Kommt der gesamte Seebezirk in Sachen Umfahrungsstrassen zu kurz? «Das kann ich weder bestätigen noch dementieren, jedes Projekt ist einzeln zu betrachten», sagte Lehmann.
Staatsrat Ropraz ist nicht der Ansicht, dass der Seebezirk zu kurz kommt: «Der Staatsrat beantragt dem Grossen Rat einen Studienkredit für eine Umfahrung Courtepin.» Nicht alle Projekte könnten gleichzeitig realisiert werden. «Der Nutzen einer Umfahrung in Kerzers wäre geringer als an anderen Orten», erklärte Ropraz, «da es sich grösstenteils um hausgemachten Verkehr handelt.» Dagegen hatte sich Kerzers bereits 2014 gewehrt: Für sie ist der Verkehr nicht hausgemacht, die Gemeinde weist diese Argumentation in ihrem Brief erneut entschieden zurück.
Ropraz betonte jedoch, dass eine Umfahrung von Kerzers nicht definitiv vom Tisch ist, die Planung hänge von verschiedenen Faktoren ab. Die Umfahrungsprojekte, für die der Staatsrat im Herbst keinen Studienkredit beantragt, würden erneut evaluiert.
Zahlen und Fakten
Acht Projekte sind in Planung
• Weit fortgeschritten ist die UmfahrungGivisiez: Der Grosse Rat wird im Herbst über einen Kredit von 17 Millionen Franken entscheiden; die Inbetriebnahme ist für Ende 2018 geplant.
• Sobald der Bund die Verbindungsstrasse Birch–Luggiwil, welche die Autobahnausfahrt Düdingen mit der Hauptstrasse Richtung Murten verbindet, fertig geplant hat, wird die UmfahrungsstrasseDüdingenin Angriff genommen.
• Für die VerbindungsstrasseMarly–Matranmit einer Brücke ernennt der Staatsrat einen Projektausschuss, der einen Verpflichtungskredit ausarbeiten soll.
Fürfünf weitere Projekteim welschen Kantonsteil wird der Staatsrat dem Grossen Rat im Herbst einen Studienkredit von 26,65 Millionen Franken beantragen:
•Belfaux: Eine 2,5 Kilometer lange Umfahrung soll die Ortsdurchfahrt entlasten (15 000 Fahrzeuge täglich).
•Courtepin: Die Umfahrung wäre rund 3,2 Kilometer lang, das Dorf kämpft mit 12 000 Fahrzeugen täglich.
•Romont: Eine 2,7 Kilometer lange Umfahrung soll die Hälfte der rund 18 000 Fahrzeuge absorbieren.
•Neyruz: Über 20 000 Fahrzeuge fahren täglich durch Neyruz, eine 2,6 Kilometer lange Umfahrung soll Abhilfe schaffen.
•Prez-vers-Noréaz: 3,7 Kilometer Umfahrungsstrasse sollen dem Verkehrsaufkommen von täglich 23 000 Fahrzeugen begegnen.emu