Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Gaffer: Warum wir nicht wegschauen können

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Bei einem Unfall oder Unglück hinsehen zu wollen, ist ein natürlicher Instinkt. Aber wann wird dieses Verhalten zum Problem? Und wie erleben Rettungskräfte den Umgang mit Schaulustigen? Die FN haben bei einem Psychiater und der Sensler Feuerwehr nachgefragt.

Es war ein kurioser Fall, der kürzlich am Sensler Polizeigericht verhandelt wurde: Einem Mann wurde vorgeworfen, an einer Unfallstelle angehalten zu haben, um vom verunfallten Fahrzeug mit seinem Smartphone Fotos zu machen. In der Schweiz ist dieses Verhalten nicht zwingend strafbar, aber: Als ihn ein anwesender Polizist zur Rede stellen und anschliessend kontrollieren wollte, sei er zu seinem Auto zurückgekehrt und einfach davon gefahren. Vor Gericht sagte der Beschuldigte, er habe lediglich ein besonderes Vogelnest fotografiert, welches sich im Hintergrund der Unfallstelle befand. Ausserdem habe er nicht bemerkt, dass der Polizist ihn habe kontrollieren wollen, so der Angeklagte weiter. Er habe einen Anruf erhalten und sei deshalb schnell zu seinem Fahrzeug zurückgekehrt.

Nun liegt das Urteil des Falls vor: Der Mann wird vom Sensler Polizeigericht für schuldig befunden. Laut der Urteilsbegründung stehe für das Gericht fest, dass der Angeklagte die Absicht der Polizei erkannt habe. Damit habe sich der Mann der Hinderung einer Amtshandlung schuldig gemacht, so das Gericht weiter.

Ein Bild aus dem Jahr 2008: Ein Gaffer macht Fotos eines Massenunfalls im Intschi-Tunnel auf der Autobahn A2 bei Amsteg. Schwerer verletzt wurde niemand. 
Archivbild Keystone

Gehört zur menschlichen Natur

Was der Mann an diesem Tag tatsächlich fotografieren wollte, spielt für diesen Gerichtsfall keine Rolle. Trotzdem gibt der Fall Anlass zur Frage, warum viele von uns die Tendenz haben, bei einem Unfall oder Unglück hinschauen zu wollen. Luca Rampa, Psychiater und stellvertretender ärztlicher Direktor des Bereichs Erwachsenenpsychiatrie im FNPG Freiburg, sagt auf Anfrage der FN:

Es sind eigentlich basale Bedürfnisse und Reaktionen, welche unser Verhalten so steuern, dass wir bei Gefahr entweder davor flüchten oder stehen bleiben.

Luca Rampa
Psychiater

«Wenn wir keinen Ausweg sehen, dann bleiben wir häufig stehen. Wenn die Gefahr hingegen weiterhin vorhanden, aber womöglich nicht mehr so unmittelbar ist, dann bleiben wir stehen und versuchen zu analysieren und zu verstehen, was geschehen ist.» Das gehöre zur Natur des Menschen. Man wolle sich sicher fühlen und lernen, wie man Gefahren ausweichen kann. Aber: «In diesem Prozess ist man im Falle von Unfällen oder Katastrophen teils so vielen Reizen ausgesetzt, dass es wiederum auch zu viel ist und wir so reagieren, dass wir die Aufmerksamkeit nicht vom Ereignis und den Geschehnissen abbringen können.»

Kein modernes Phänomen: Gaffer gab es schon immer. Im Bild: Schaulustige beobachten die Unfallstelle nach dem Absturz eines Swissair-Fliegers im Kanton Aargau im Jahr 1963.
Archivbild Keystone

Bei einem schlimmen Vorfall hinsehen zu wollen, ist also sozusagen ein natürlicher Impuls. Hinzu kommt der Umstand, dass wir uns anderen Menschen anpassen. Wenn also in einer Gruppe von Menschen alle an einen Ort starren, entsteht der Drang, selbst herauszufinden, was so spannend ist. Diese Neugier bildet auch die Grundlage unserer Fähigkeit, immer wieder neue Dinge zu lernen.

Grenzen der Neugierde

Problematisch wird dieses Verhalten jedoch, wenn persönliche Grenzen von anderen Menschen verletzt werden. Wenn wir durch unser Verhalten zum Beispiel die Rettungskräfte aufhalten oder so sensationsgierig sind, dass die Smartphone-Kamera auf den Unfallort gerichtet wird.

Hier verläuft die Grenze zwischen natürlicher Neugier und Schaulustigkeit. Der Psychiater Rampa Luca erklärt es so: «Menschen haben Mitgefühl, und durch Empathie und gegenseitige Präsenz solidarisieren sie sich untereinander. Dies kann Leute ebenfalls dazu bringen, stehen zu bleiben, wenn etwas starke Emotionen auslöst. Wenn aber eine Person dieses Mitgefühl nicht entwickeln kann und sogar Spass dabei findet, einem Unfall zuzuschauen, dann sind tiefgreifenden Prozesse in der Emotionsregulation häufig dysfunktional ausgelegt.» Dies betreffe aber wahrscheinlich nur einen sehr kleinen Teil der Personen, die auf Unfallstellen herumstehen.

1999: Medienschaffende und Schaulustige beobachten Rettungskräfte, während sie die vermissten Opfer des Unglücks im Saxetbach im Berner Oberland suchen.
Archivbild Keystone

Erfahrungen der Rettungskräfte

Aber auch, wenn sicher nur ein Bruchteil der Unglückbeobachter böse Absichten hat: Immer wieder kommt es vor, dass sogenannte Gaffer Rettungskräfte bei ihrer Arbeit behindern. Während die Kantonspolizei «allgemein kein Problem» mit Schaulustigen feststellt, klingt es bei der Feuerwehr Sense anders.

Bei Einsätzen am Tag komme es fast immer vor, dass Menschen bei Unfällen stehen blieben, um das Geschehen zu beobachten oder sogar zu filmen. «Wir weisen nach Möglichkeit die Gaffer weg», sagt Anja Zbinden von der Feuerwehr Sense. «Zum Schutz der Opfer und der Angehörigen sowie auch der Feuerwehrleute.» Es gebe aber immer wieder Menschen, die das Geschehen stundenlang aus der Distanz beobachten würden.

Von einer Häufung solcher Fälle will Anja Zbinden aber nicht unbedingt sprechen. Gaffer habe es schon immer gegeben. «Heute sind sie halt schneller auf Platz.» Und seit es das Smartphone gebe, bestehe auch das Problem mit respektlosem Filmen oder Fotografieren von Schadensplätzen.

Kein Gaffergesetz

Direkte gesetzliche Möglichkeiten, gegen solche Menschen vorzugehen, gibt es in der Schweiz noch nicht. «In der Schweiz gibt es kein Gesetz, welches Gaffen verbietet – aber: Niemand darf den Verkehr oder die Arbeit der Rettungskräfte stören oder behindern», sagt Zbinden. So können Personen, die den Rettungsweg versperren oder während des Fahrens das Telefon benutzen, gebüsst werden.

Wir haben nur die Möglichkeit, die Gaffer wegzuweisen – sollte uns das nicht gelingen, bekommen wir Unterstützung von der Polizei.

Anja Zbinden
Feuerwehr Sense

Dieses Vorgehen bestätigt auch die Kantonspolizei. Im Rahmen des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und des Polizeigesetzes könne die Kantonspolizei Personen von einem Ort vorübergehend wegweisen oder fernhalten, wenn sie Einsätze zur Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere durch Polizeikräfte, Feuerwehrleute oder Rettungsdienste, behindern oder sich selber damit in unmittelbare Gefahr bringen würden. Ausserdem könne diese Widerhandlung mit einer Busse bestraft werden, so die Sprecherin der Kantonspolizei auf Anfrage.

Leider komme es vor, dass die Arbeit der Feuerwehrleute tatsächlich durch Schaulustige behindert würden, sagt Anja Zbinden. Normalerweise würde eine Unfallstelle oder ein Schadensplatz abgesperrt oder ein Sichtschutz aufgestellt. Es komme aber vor, dass die Gaffer schon vor den Einsatzkräften vor Ort seien und sich dann der Gefahr nicht bewusst seien und sich respektlos verhalten würden. «Ab und zu versuchen sie, uns sogar zu sagen, was wir machen müssen.»

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema