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Ganesha

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Gastkolumne

Autor: Sus Heiniger

Ganesha

Am Ausgang stand er. In seiner ganzen Riesigkeit. Schwerer, dunkler Gong in meinem Magen, das kurze Erschrecken. Wie sollte man einen plötzlich dastehenden Elefanten im normalen Alltag erwarten. Da stand der indische Elefant am Tor des grossen Hindutempels, in einer indischen Stadt.

Ich kannte Ganesha, den die Gläubigen der hinduistischen Religion verehren. Ganesha, den Gott des Anfangs und des Gelingens, der Weisheit und Intelligenz besitzt, der mit seiner breiten Elefantenstirn jedes Hindernis beseitigt. Als dickbäuchiger, gedrungener Mann, mit einem Elefantenkopf, zwei oder vier Händen, mit liebevollem, verschmitztem Ausdruck, wird er als Figurine oder auf Abbildungen dargestellt. Ganesha ist in allen Hindu-Haushalten, in Taxis, Geschäften, Restaurants und überall anwesend, als Schutzpatron und weiser Gott.

So war ich dann nicht mehr überrascht, das Zeremoniell am Hindutempel zu verfolgen. Für wenige Münzen konnten die Menschen sich segnen lassen vom heiligen Koloss. Er stand ruhig in der Hitze des Tages und warf Schatten wie eine Hauswand. Die Beine waren vier Sockel, ein Hinterbein war mit einer schweren Kette am Boden festgemacht. Neben dem Tier stand sein Führer – vielleicht sein Besitzer – der «Mahoud». Elefanten können auch Privatbesitz sein, doch viele reiche Tempel haben ihren eigenen Tempelelefanten.

Der Kopf des grauen Riesen war farbig bemalt. Kunstvolle Ornamente liefen über die Stirn, um die Augen, über die Ohren, über viele dicke Hautfalten bis zum Rüssel. Der Rüssel! Der ist das Instrument! Auf den Rüssel wartet jeder, der sich vor den Elefanten stellt. Mit erhobenem Kopf warten sie alle. Nur die Augen bewegen sich nach oben, zum Himmel scheint es, von wo sich dann in einem eleganten Bogen der Elefantenrüssel hebt und langsam senkt, auf den Scheitel des vor ihm Stehenden, tapst, auch kurz liegen bleibt, um sich wieder sanft zu heben und am Elefantenkinn herunterfällt, als wärs ein Spiel.

Es ist kein Spiel, es ist der Segen, der jedem, der diesen Rüssel auf seinem Kopf gefühlt hat, geschenkt ist. Ist das eine Art Schutz? Wie schön, wenn man sich auf so einfache, rituelle Weise Schutz, Segen holen kann. Die Hindus können das.

Auch innerhalb der Tempelmauern, auf dem Tempelareal, wurde ich Zeugin dieser Fähigkeit. Es steht dort ein Laubbaum für Frauen, die sich ein Kind wünschen. Die Äste sind dicht behängt mit farbigen, winzigen Körbchen, Schächtelchen, ein jedes liebevoll und persönlich geschmückt. Vergilbte, zerrissene winden sich in neue, frische Gebinde, der Baum ist wie eingeknüpft. Es ist ein absolut stilles Kommen und Gehen von Frauen, die diesen Baum in Anspruch nehmen wollen. Sie möchten offensichtlich Segen, vielleicht Hilfe, vielleicht ist dies dasselbe, nachdem sie ihr Gebinde in die Äste gehängt, andächtig verweilt und die Stirn kurz vor dem Baum auf den Boden gesenkt haben. Geschützt, gestärkt beim Weggehen? Ich hatte diesen Eindruck.

An anderer Stelle sitzt Nandi, der Stier. Er verkörpert Shiva, den hohen Gott. Jeder Hindu-Tempel ist an dieser Skulptur zu erkennen. Ich sehe, wie sich eine Frau der steinernen Figur nähert. Sie ist allein, kniet langsam an die eine Seite des Nandi nieder, legt diesem einen Arm um den Nacken und bringt ihren Mund nah an seine Ohrmuschel. Dann beginnt sie zu flüstern. Lange Zeit und unabgelenkt spricht sie lautlos dem Nandi ins Ohr. Dann erhebt sie sich, legt die Stirn kurz auf den Boden und verlässt das Tempelareal. Gestärkt? Entlastet? Gesegnet?

Bei meinen mehrmaligen Indienbesuchen habe ich dann später erfahren, dass Menschen wie du und ich zu solchen Kraft-Holen-, Segen-Holen-Ritualen kommen. Leute, die in Banken arbeiten, in Schulen, Spitälern, Büros. Der Universitätsprofessor nimmt sein tägliches Bad im heiligen, verschmutzten Fluss und geht gestärkt und gesegnet nach Hause.

Nach vielen solchen Erlebnissen hatte ich dann mal einen Gedanken, der mir jetzt ab und zu in den Sinn kommt: Was könnte in einem Menschen hier ablaufen, würde er seine Stirn nur einmal täglich kurz auf den Boden legen? Er dürfte sich natürlich selber aussuchen, wo und wofür er sich verneigen tät.

Sus Heiniger ist Kunstmalerin und lebt in Murten. Als Kulturschaffende ist sie in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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