Ein italienisches Sprichwort sagt: «Oft lässt sich das, was sich nicht durch Gewalt besiegen lässt, ganz einfach durch Geduld besiegen!»
Es ist wertvoll darüber zu sinnieren, wie es um die eigene Geduld steht. Geduld hat viele verschiedene Gesichter – alle sind nur vorteilhaft. Das Wort Geduld (altertümlich auch Langmut) bezeichnet die Fähigkeit zu warten. Oft gilt Geduld als eine Tugend; ihr Gegenteil ist die Ungeduld. Als geduldig erweist sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig zurückzustellen. Diese Fähigkeit ist eng mit der Hoffnung verbunden. Geduldig ist auch, wer Schwierigkeiten und Leiden mit Gelassenheit und Standhaftigkeit erträgt.
Erkennen Sie, wo Sie geduldig oder eben ungeduldig sind: im Beruf, im Privatleben, beim Hobby, an der Kasse beim Einkaufen oder im täglichen Stau auf der A1 …
Von mir selber behaupte ich, dass ich ein sehr geduldiger Mensch bin. Der Sport hat mich dies in verschiedensten Facetten gelehrt. Gerne gebe ich Ihnen einige Beispiele aus meinem Leben, aus meinem Beruf als Trainer, der sich hervorragend eignet, geduldig zu werden. Denn ohne Geduld läuft im Sport wenig.
Einer meiner Träume ging 2008 mit der erstmaligen Teilnahme an Olympischen Spielen in Peking in Erfüllung. 43 Jahre alt war ich dazumal und es brauchte etwa 30 Jahre Geduld. Zuerst versuchte ich es als Athlet, als Zehnkämpfer, merkte aber bald, dass ich nie die geforderte Punktzahl erreichen würde. Doch es gab ja auch noch den Weg, als Trainer oder Funktionär reüssieren zu können. Diesen schlug ich dann mit voller Konsequenz ein. Mit viel Geduld und hartnäckigem, stetem Arbeiten wurde dieser Traum schliesslich Realität.
Seit nunmehr 26 Jahren hege ich den Traum, einmal mit dem HC Freiburg-Gottéron den Meisterpokal in die Höhe stemmen zu können. Täglich mache ich meine Kraftübungen, damit ich bereit bin, den Pokal auch würdig heben zu können, … für den Fall …, ich bin bereit! Viermal waren wir bereits sehr nahe, doch etwas fehlte immer. Letztendlich fehlte meist die Geduld–bei den Spielern, in unserem Staff oder bei unseren treuen Zuschauern und Fans. Die Geduld, den Traum zu Ende zu führen. Die Geduld, den verschiedenen Widerwärtigkeiten zu trotzen und geduldig von Spiel zu Spiel zu gehen. Es braucht verschiedene Parameter, welche durch Weitsicht und Kalkül aufgebaut werden müssen: die richtige Mischung im Team, Jung und Alt, Französisch- und Deutsch sprechende Rollenspieler und Leader. Es braucht eine gute Mischung im Trainerstaff, welcher die Tugenden von Ehrlichkeit, Offenheit, Empathie, Kritik, Fachwissen und viel Geduld vereint und wo jeder seine Rolle kennt und lebt.
Manchmal sind es auch die Umstände, die Gegebenheiten unserer Gesellschaft, welche Hindernisse und Schwierigkeiten darstellen. So ist Geduld wohl jene Tugend, die in unserer hektischen Zeit manchmal auf der Strecke bleibt. Am liebsten alles bekommen und das sofort. Wir sind das Warten nicht mehr gewohnt. Auch deshalb, weil durch die heutigen Technologien und der daraus resultierenden ständigen Erreichbarkeit und Mobilität Wartezeiten auf ein Minimum reduziert werden. Als ich 1996 als Delegationsleiter des Schweizerischen Leichtathletikverbandes die Juniorennationalmannschaft an die WM in Sydney führte, gewann Anita Weyermann die Goldmedaille über 3000 m. Um uns gut zu akklimatisieren, waren wir insgesamt drei Wochen unterwegs. Es gab neben den Trainings viel freie Zeit. Mit dem schwedischen Delegationsleiter organisierte ich an den trainingsfreien Nachmittagen Spiele wie Monopoly und Jassen, um unsere Athletinnen und Athleten bei Laune zu halten. Sie waren sich nicht gewohnt, mit so viel freier Zeit umzugehen. Derweil sassen die afrikanischen Läuferinnen und Läufer unter den Bäumen und flochten sich verschiedenste Frisuren, geduldig, gemäss ihrem vertrauten Lebensrhythmus.
Im Zusammenhang mit unserer Gesundheit braucht es hie und da sehr viel Geduld. Bei Sportlern ist eine gute Gesundheit Voraussetzung, um gute Leistungen zu erbringen. Jedoch gibt es im Sport auch oftmals Verletzungen. Gerade im modernen Eishockey, das mit dem schnellen Tempo und der physischen Voraussetzungen der Spieler eine «Kampfsportart» geworden ist, sind Verletzungen an der Tagesordnung – leider. Es gibt einfache und sehr komplexe Verletzungen, wobei in beiden Fällen während der Rehabilitation die Biologie berücksichtigt werden (sollte) muss. Doch im Sport hat man oftmals nicht die Geduld zu warten. Einerseits erwarten die Öffentlichkeit, die Fans, der Trainer, die Klubführung, die Medien ein schnelles Comeback, anderseits die Sportler selber, sie sind ehrgeizig und wollen möglichst schnell zurück auf den Platz. Die Athletenuhr tickt unerbittlich und das Karrierenende kommt mit jedem Sekundenschlag näher – die Zeit läuft einem davon. Gerade bei den komplexen Verletzungen, wie Schleudertraumas und Hirnerschütterungen ist der Leidensweg sehr gross und es braucht endlos Geduld. Nicht selten führt die Angst, wie es weitergehen soll, bei den Betroffenen zu Depressionen. Hier geduldig zu bleiben, zuversichtlich Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und Energielosigkeit zu ertragen, Geduld zu üben–,wem dies gelingt. Chapeau!
Mit vier Beachvolleyballspielerinnen und zwei Beachvolleyballspielern stehe ich vor der entscheidenden Olympiasaison. Geduld und Zuversicht sind gefragt. Nächste Woche beginnt das Trainingsprogramm und sollte für alle drei Teams in Rio mit maximalem Erfolg enden. Wünschen Sie uns, dass wir stets geduldig agieren und die Geduld auch in schwierigen Zeiten nicht verlieren.
Auch ich wünsche Ihnen und auch mir, weiterhin geduldig zu sein, viel Geduld durch Ihr Handeln zu verbreiten …, ganz nach der Aussage eines deutschen Politikers: «Herrgott, gib mir Geduld – aber bald!»
Bruno Knutti ist eidg. dipl. Sportlehrer und Trainer Swiss Olympic I. Seit unzähligen Jahren ist der Freiburger Konditionstrainer bei Freiburg-Gottéron und er betreute Athleten wie David Aebischer, Martin Gerber, Urs Kolly sowie Schweizer Beachvolleyballer.