Gefährliche Liebschaften
Tanzabend im Stadttheater Bern
Die Ballett-Uraufführung «Gefährliche Liebschaften» am Stadttheater Bern überzeugt mit eindringlichen und aufwühlenden Bildern. Stijn Celis zeigt in einer mutigen Inszenierung den Fall zweier zutiefst verdorbener Menschen.
Alleine betritt zu Beginn des Stücks ein Tänzer in goldglänzendem Gehrock die Bühne. Er breitet die Arme aus und präsentiert sich selbstverliebt dem Publikum. Alleine verlässt im Schlussbild eine vollständig nackte Frau die Bühne. Ihr Abgang ist still und in sich gekehrt. Zwischen diesen bei-den Bildern wird geliebt, gehasst, begehrt, betrogen, gesiegt und verloren. Grundthemen des Stücks «Gefährliche Liebschaften» von Choderlos de Laclos, einem Briefroman aus dem 18. Jahrhundert, sind die menschlichen Abgründe und die Dekadenz einer zu Tode gelangweilten, privilegierten Gesellschaft.Im Mittelpunkt stehen die Figuren des Vicomte de Valmont (Erik Wagner) und der Marquise de Merteuil (Emma Murray). Beide sind sie Meister der Täuschung. Nur zum Zeitvertreib stürzen sie mit ihren Intrigen andere Menschen ins Verderben. In ihrem arroganten Machtwahn glauben sie, selber immun gegen alles Leid zu sein.Ganz ohne Worte kommt das Stück offenbar nicht aus. Einige klug ausgewählte Textpassagen sollen das Geschehen auf der Bühne verdeutlichen. Sie werden zwar nicht immer überzeugend vom Briefwechsel zum Dialog umfunktioniert, jedoch souverän in Englisch vorgetragen von Emma Murray.Über Projektionsflächen flimmern die deutschen Übersetzungen und Videoeinspielungen. Doch Text und Tanzfilmausschnitte sind nur Ausschmückungen einer Inszenierung, die durch reine Körpersprache eigentlich alles ausdrückt, was es zu erzählen gibt.Raffiniert und nie überzeichnet vermitteln die Tänzer mit ihren lasziv eleganten Bewegungen die erotisch aufgeladene Stimmung am Hof. Herzergreifend getanzt (begleitet am Flügel von Abdiel Montes de Oca) ist der innere Konflikt, in der sich die fromme Mme. de Tourvel (Patricia Vazquez) befindet.Genauso brillant und überzeugend ist die Marquise, wie sie mit süffisantem Gesichtsausdruck herumstolziert, oder wie sie mit Schlägen, Zuckungen, jähen Bewegungen und Verrenkungen ihren Selbsthass und Ekel ausdrückt.Äusserst einprägsam und aufrüttelnd ist schliesslich der Fall der machtverliebten Intrigantin dargestellt. Qualvoll lange, aber umso eindringlicher wird der Marquise alles genommen. Einsam und nackt, körperlich wie seelisch, wird sie zum Spielball ihrer eigenen Schatten und derer, die sie zuvor gequält hat.In der Schlussszene setzt sie sich besiegt, gedemütigt und vollständig nackt den Blicken des Publikums aus. Diese mutige Inszenierung überzeugt mit ihrer Eindringlichkeit und den hervorragenden Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer. sda