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Geschüttelt und gerührt

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Christchurch, die Stadt am Ende der Welt, kurz vor dem Nur-noch-Pinguine, gebaut à la Falli Hölli auf wackligem Grund, wo die Natur noch die gesetzgebende Gewalt repräsentiert. Die Ankömmlinge auf Schiffen zu Zeiten der Kolonialisierung hatten am Hafen zu wenig Platz, da standen unpraktische Hügel, und so musste das unweite Sumpfland entwässert werden für das Grossprojekt mit massiver Kirche als tonangebende Mitte, dem Namen getreu.

Die «Gartenstadt» war ein anderer gängiger Name für den eroberten Ort. Man sprach bewundernd von der Blumenpracht, die tatsächlich auf keinem Wunder basiert, denn das Grundwasser liegt nur einige Zentimeter tief. Verwunderlich hingegen war, dass so lange alles vor sich hin florierte und die kellerlosen Häuser den Narzissen gleich nur so aus dem Boden sprossen.

Ab September 2010 wurde dieser Siedlerplan zweimal in Folge heftig durchgeschüttelt, und seither bebte es über 7600 Mal. 80 Prozent der Häuser in der Innenstadt sind gefallen, allen voran die vermeintlich gesetzgebenden Gewalten Kirche, Parlament, Gericht und so auch die Universität. Zu den wenigen beständigen Gebäuden zählt das Striplokal, wegen der vielen Stangen, sagt man, die sich die Kirchen auch mal hätten anschaffen sollen. Unverhältnismässig unschönere Eisenstangen halten nun künstlich die Gotteshäuser aufrecht, es sieht, ja wie soll man sagen, «metaphorisch» aus. Ein Stadtzentrum befreit von Shoppingcentern und Banken, ohne Bürotürme und eingeklemmte Parks. Firmen, die nicht auf Laufpublikum angewiesen sind, zogen damals kurzfristig an den Stadtrand und sitzen dort ihre Hypothek ab. Eine Zone der Innenstadt blieb lange vollkommen gesperrt.

Am schnellsten zurückgekehrt sind Bars, Cafés und Klubs in Wohnwagen, eine Container-Bibliothek und Kunstprojekte am Laufmeter. Aus einem nationalen Geldtopf wurden circa 100 Projekte in den Bereichen Kunst und Landschaftsarchitektur gefördert, die die Leerflächen neu füllen sollten. Gerade so als bräuchte es erst einmal eine sichtbare Lücke, um Sinn und Zweck solcher Arbeit zu verstehen. Da, wo einst das Hotel Plaza eine seltene diagonale Strasse blockierte, gibt es nun beispielsweise wieder einen Durchgang, genannt «The Commons»: ein Platz für alle von allen mit öffentlichen Klos, Spielfeld und Sachen, Fahrradreparatur, einer Pflanzen-Umtopf-Stelle und öffentlichen Pianos, glücklicherweise regelmässig gestimmt. Unweit daneben eine Tanzfläche mit Soundsystem für drei Franken die Stunde. Ansonsten sieht man Stadtgärten, Büchertauschregale, Street-Art, Spielplätze und unendlich viele Parking-Flächen, genauso wie auch autofreie Parks, und aus der definitiv gesperrten Wohnzone soll ein «Essbarer Wald» werden. Die neuen Häuser tragen Aufschriften wie «Rise» und «Hope», es scheint, gemeinsam mit ihnen hätte sich ein allgemeiner Optimismus aufgebaut. Ein Bild von Zerstörung und ihrer Blüte, ein Verlust mit Gewinn geschmückt, das Prekäre als Zustand, der Übergang als scheinbares Ziel. Man ist gerührt und wünscht sich, mit genügend Abstand zur Katastrophe, andere Städte würden einmal ein wenig durchgeschüttelt.

Und da steht sie nun, die neue Einnahmequelle: Horden von Touristen fotografieren, was nicht mehr da ist. Darumherum immer mehr Baustellen. Schon stehen ein paar billig gebaute Novotels und Konsorten. Der Ausnahmezustand verabschiedet sich langsam und macht dem Standard Platz. Dem Praktischen. Dem geschlossenen Raum. Dem Konsum. Dennoch. Ich habe mich in eine Stadt verliebt, ganz unerwartet, und nur noch für kurze Zeit.

 

 Anmerkung zur letzten Kulturkolumne meinerseits: Nach vier Anrufen an Zufallskandidaten für das Schreiben dieser Kolumne habe ich aufgegeben. Bleibt die Frage, ob die Aufgabe selbst oder die Bezahlung für die Aufgabe unattraktiv war. Sicher ist, Partizipation bleibt grundsätzlich ein Problem.

 Martin Schickist Performancekünstler. Er wuchs in Tafers auf und lebt derzeit hauptsächlich unterwegs. Derzeit hält er sich im Rahmen seines Projekts «Radical Living» in Christchurch (Neuseeland) auf (die FN berichteten).

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