Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

«Das Feuer ist unser Mittelpunkt»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Es ist etwas los in der Freiburger Unterstadt: Aus einem grossen Festzelt dringt Gypsy-Jazz und übertönt das Rauschen der Saane. Gleich daneben schwingt sich eine waghalsige Akrobatin an einem Seil Richtung Baumwipfel. Eine Handvoll Marktstände und unzählige Wohnwagen bevölkern die Wiese an der Grossrahmengasse, wo sich dieser Tage Jenische, Sinti und Roma aus der ganzen Schweiz niederlassen. Zusammen feiern sie das traditionelle Kulturfest der Jenischen: die Feckerchilbi.

Tradition ist wichtig

«Eigentlich ist Fecker ja ein Schimpfwort, aber darüber stehen wir mittlerweile», sagt Hans Gemperle. Mit ledrigem Cowboyhut und einem prachtvollen Bart steht der Jäger hinter seinem Marktstand und preist Tierfelle und Hornschmuck an. «Ich bin Jenischer durch und durch. Wenn ich längere Zeit an einem Ort bleibe, werde ich kribbelig», verrät er in urchigstem Bündnerdeutsch. «Ich habe das Reisen einfach im Blut.» Seine Grossmutter sei sogar noch zu Fuss durch die ganze Schweiz gezogen und habe Wäscheklammern und Tücher verkauft.

Eindrücke im Video:

Die Tradition seiner Familie liege ihm am Herzen, deshalb habe er unbedingt an der Feckerchilbi teilnehmen wollen. «Das Entscheidende an der Chilbi ist die Völkerverständigung», sagt Gemperle. Es sei wichtig, die Möglichkeit zu haben, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten, seine eigene Kultur zu präsentieren und damit Vorurteile aus dem Weg zu räumen. «Die Besucher dürfen mich alles fragen», sagt er und lacht. «Ich spreche gerne von Angesicht zu Angesicht mit den Leuten. So kommt man sich immer sofort näher.»

Kaffee nach jenischer Art

Gemächlichen Ganges führt Gemperle den Besucher ans nahe gelegene Lagerfeuer. Dort köchelt der sogenannte Fecker-Lascho in einem russigen Topf vor sich hin – ein starker Kaffee-Schnaps nach althergebrachtem Rezept. «Das fährt so richtig ein», warnt die Dame, die das Getränk zubereitet, und wirft schmunzelnd ein weiteres Scheit ins Lagerfeuer. «Das Feuer ist unser Mittelpunkt, das Zentrum der jenischen Kultur», sagt Gemperle und nimmt einen grossen Schluck aus seiner Tasse. «Am Feuer ist Licht, am Feuer ist Wärme, am Feuer ist Leben. Hier versammeln wir uns zum Kochen, zum Diskutieren und manchmal auch zum Streiten.»

Näher an der Gesellschaft

Von der Seite stösst ein älterer Herr zur Runde. Willi Gruber ist Rentner und hat 35 Jahre lang als Lagerverwalter gearbeitet. «Ich war mein ganzes Leben lang sesshaft», sagt der markige Mann aus dem Kanton St. Gallen. Viele Aussenstehende würden deshalb nicht so richtig verstehen, inwiefern er eigentlich Jenischer ist. «Das typisch jenische Leben gibt es eigentlich gar nicht mehr», sagt er. Nur noch ein verschwindend kleiner Teil sei noch die ganze Zeit unterwegs. «So richtig jenisch haben vielleicht noch unsere Grosseltern gelebt, heute sind wir alle viel näher an der Gesellschaft. Wir sind alle irgendwo angemeldet und zahlen Steuern wie jeder andere Schweizer auch.»

«Hier sind alle willkommen»

Einige Meter weiter hat der Wanderdrechsler Paul Rüegg aus dem Glarus seinen Marktstand aufgeschlagen. «Ich bin kein Jenischer», sagt er sofort. Er habe sich aus Interesse an der Feckerchilbi angemeldet. «Ich erweitere gerne meinen Horizont.» Normalerweise ist Rüegg mit seinem handgemachten Holzgeschirr und Kunsthandwerk eher an Mittelaltermärkten präsent und gibt Drechselkurse für interessierte Laien. Dazu reist er fast das ganze Jahr durch die Schweiz und übernachtet dabei stets in seinem Wohnwagen. «Ich habe alles dabei, was ich brauche. Eigentlich lebe ich ja schon wie ein Jenischer», sagt Rüegg von sich selbst. «Meine Frau sagt mir auch immer, ich sei ein richtiger Zigeuner.» In der Runde der Jenischen fühle er sich deshalb mehr als wohl: «Hier sind alle willkommen», bilanziert er. «Man muss nur dazu bereit sein, sich dem Fremden zu öffnen.»

Ausstellung

Als «Zigeuner» beleidigt und verfolgt

«Deine unbekannten Nachbarn»: So nennt sich eine Ausstellung, die im Rahmen der diesjährigen Feckerchilbi auf der Wiese an der Grossrahmengasse in Freiburg zu sehen ist. In den Räumlichkeiten des Théâtre de la Cité hat die Radgenossenschaft der Landstrasse Fotos und Texte über das Leben der Jenischen und der Sinti in der Schweiz zusammengetragen. In der Ausstellung können die Besucher unter anderem die den beiden Bevölkerungsgruppen eigene Sprache und Musik kennenlernen und in ihre so komplexe wie traurige Geschichte abtauchen: Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts wurden die Jenisch- und Sinti-Familien von den Behörden systematisch verfolgt. Bis heute haben die oft als «Fahrende» und «Zigeuner» beschimpften Minderheiten mit rassistischen Vorurteilen zu kämpfen. Die Ausstellung wird durch verschiedene Filmvorführungen ergänzt. Gezeigt wird unter anderem der Spielfilm «Kinder der Landstrasse», der das Schicksal einer jenischen Familie in der Schweiz nach dem 2. Weltkrieg nachzeichnet.

lr

 

 

Meistgelesen

Mehr zum Thema