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Ein Blick auf Biel und Freiburg

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Die «pragmatische Zweisprachigkeit», die der Freiburger Gemeinderat propagiert, vermag Rainer Schneuwly nicht zu überzeugen. Das «Bieler Modell» ist dem Journalisten lieber, wie er in seinem Buch «Bilingue. Wie Freiburg und Biel mit der Zweisprachigkeit umgehen» schreibt, das soeben im Verlag Hier und Jetzt erschienen ist. Auf 160 Seiten zeigt Rainer Schneuwly die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der beiden zwei­sprachigen Städte auf.

Recht auf Einsprachigkeit

Die Unterschiede beginnen mit dem «Bieler Modell», mit der Angewohnheit der Bielerinnen und Bieler, dass jene Person die Sprache festlegt, die das Gespräch eröffnet – und die andere Person passt sich an. In Freiburg hingegen dominiert Französisch. Die Französischsprachigen gingen «ganz selbstverständlich» davon aus, dass die Deutschsprachigen Französisch sprechen oder zumindest verstehen, schreibt Schneuwly. Anders als in Biel verweigere die französischsprachige Mehrheit in Freiburg somit der deutschsprachigen Minderheit das Recht auf Deutsch und auf Einsprachigkeit. «Hingegen fordert die französische Mehrheit dieses Recht für sich selber ein.»

Die Stadt Biel gilt seit 1952 offiziell als zweisprachig. Die Stadt spielt die Zweisprachigkeit als Trumpf aus. Freiburg hingegen ist bis heute nicht offiziell zweisprachig – obwohl sie bereits bei der Gründung 1157 zweisprachig war. Gilt im Seeland der Doppelname Biel-Bienne, nennt sich die Zähringerstadt nach wie vor «Ville de Fribourg».

Die Industrialisierung

Rainer Schneuwly schaut in seinem Buch denn auch auf die Geschichte der beiden Städte zurück. Die Quintessenz: Seit der Stadtgründung wird in Freiburg Deutsch und Französisch gesprochen; mal ist die eine Sprache wichtiger, mal die andere. In Biel galt lange Zeit Deutsch als einzige und offizielle Sprache; das Französische ist aber schon früh und kontinuierlich präsent.

Mit der Industrialisierung und den Uhrmachern kommt das Französische im 19. Jahrhundert endgültig in Biel an. Und so sind in Biel die Strassen ab 1864 zweisprachig beschildert, während die Deutschsprachigen in Freiburg für zweisprachige Strassen- und Bahnhofsschilder kämpfen müssen: Erst 1991 erhalten 22 Strassen und Plätze auch deutschsprachige Schilder, und am Bahnhof werden die «Fribourg/Freiburg»-Schilder erst 2012 installiert.

Rainer Schneuwly führt die zweisprachige Beschriftung des Bahnhofs auf den neuen Gemeinderat zurück: 2011 wurden Thierry Steiert und Antoinette de Weck in die Stadtregierung gewählt. Der zweisprachige Steiert und die für Anliegen Deutschsprachiger aufgeschlossene de Weck hätten die Sprachenpolitik in der Stadt verändert, schreibt Schneuwly – ein Bewusstseinswechsel habe stattgefunden.

Sprache zweiter Klasse

Der Journalist zeigt in seinem Buch auch auf, wie die Radikalen nach der Machtergreifung 1847 das verhasste Deutsche des Ancien Régime zur Sprache zweiter Klasse machten. Denn von 1481 bis 1789 war Deutsch die vorherrschende Sprache im Stadtstaat Freiburg; es war die Sprache des Patriziats. Die Radikalen schlossen auch weiterführende deutschsprachige Schulen im Sensebezirk – was zu einem Bildungsdefizit in Deutsch­freiburg führte.

Der reformierte Seebezirk kam 1803 zum Kanton Freiburg. Die Bezirksreform machte den Bezirk 1848 dann zu einem politisch, konfessionell und sprachlich einzigartigen ­Mosaik.

Schneuwly beobachtet, dass die Zweisprachigkeit im Kanton und in der Stadt Freiburg in den letzten Jahren an Ansehen gewonnen hat. Die junge Generation sehe sie als Chance. Die diskutierte Grossfusion von neun Freiburger Gemeinden könnte gar dazu führen, dass Deutsch in der neuen Gemeinde als Amtssprache anerkannt wird – dass die Gemeinde also offiziell zweisprachig wird.

Der Journalist vergleicht Biel und Freiburg mit zwei Ehepaaren: In Biel lebten Herr Deutsch und Frau Französisch eine recht harmonische Ehe, «in Freiburg lebt das Paar eine offene Zweierbeziehung» – sie blicke in die Romandie, er orientiere sich an Bern und der übrigen Deutschschweiz.

«Bilingue. Wie Freiburg und Biel mit der Zweisprachigkeit umgehen». Verlag Hier und Jetzt. 160 Seiten.

«In Freiburg lebt das Ehepaar Frau Französisch und Herr Deutsch eine offene Zweierbeziehung.»

Rainer Schneuwly

Journalist und Buchautor

«Ängste abbauen und Offenheit schaffen»

An der Vernissage zum Buch «Bilingue» von Rainer Schneuwly in Bern diskutierten der Freiburger Syndic Thierry Steiert (SP) und die Bieler Vize-Gemeindepräsidentin Silvia Steidle (FDP) über die Zweisprachigkeit ihrer Gemeinden. Während Silvia Steidle erzählte, dass die franko­phonen Bielerinnen und Bieler lieber Dialekt sprechen, ist für Thierry Steiert klar: «Wenn wir Deutsch sprechen, dann Hochdeutsch.» Das zeige, wie unterschiedlich die Realitäten in den beiden Städten seien.

Steiert, der in beiden Sprachregionen aufgewachsen ist, sieht Schneuwlys Buch als «nachvollziehbare Anklage, aber auch als Anregung». Die absolute Diskriminierung der Deutschsprachigen sei lange Zeit eine Realität gewesen. «Ich habe das in der Kantonsverwaltung noch miterlebt.» Seither habe sich aber einiges getan.

Während 150 Jahren habe sich der ganze Kanton Freiburg wie unter einer Bleiglocke befunden, sagte Steiert. Der Sensebezirk habe nicht nur unter der Obrigkeit, sondern zusätzlich unter einer konfessionellen Isolation gelitten. «Bern war den Senslern als reformierte Gegend ebenso suspekt wie der französischsprachige Kantonsteil.»

Der Freiburger Syndic empfindet die Zweisprachigkeit als Bereicherung. «Wir sollten ihr Potenzial ausschöpfen und der Jugend dieses Privileg mitgeben.» Die Deutschsprachigen profitierten stärker von der Zweisprachigkeit als die Romands: «Sie sind gezwungen, sich mit der anderen Sprache auseinanderzusetzen.» Die jungen Frankophonen hätten das bemerkt. «Sie haben die Germanophobie früherer Generationen abgelegt und gehen auf die Deutschsprachigen zu.» Das sei lange undenkbar gewesen.

Ihm ist es ein Anliegen, dass Kaderstellen in der Gemeindeverwaltung mit zweisprachigen Personen besetzt werden. Und: «Ziel ist die offizielle Zweisprachigkeit.» Er strebe ein «echtes Brückenbauen» an, das zu einem besseren Verständnis zwischen den Sprachgruppen beitrage. Das beginne bereits bei den Kindern: «Wir müssen bei ihnen Ängste abbauen und Offenheit schaffen.» Denn die Anerkennung des Deutschen als Amtssprache alleine sei kein Zaubermittel.

Zwei Kulturen

Dass Deutsch und Französisch nicht nur zwei Sprachen sind, sondern auch zwei Kulturen repräsentieren, merkt die Bielerin Steidle immer wieder. Beispielsweise, wenn deutschsprachige Schwangere Lust auf Essiggurken haben. «Die Französischsprachigen verlangen nach Erdbeeren.» Sie möchte erreichen, dass die Werbung in der Stadt zweisprachig sein muss. Silvia Steidle wies darauf hin, das die Zweisprachigkeit für Fremdsprachige «nicht immer einfach» sei.

Biel lasse sich die Zweisprachigkeit etwas kosten, sagte die Gemeinderätin: Rund fünf Millionen Franken im Jahr, beispielsweise für Übersetzungen. «Bilinguismus bringt aber auch etwas – er ist mehr als nur ein Kostenfaktor.»

njb

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