«Das ist unsere letzte Chance. Wenn der Generalrat am Montag der Pensionskassenreform zustimmt, ist es gelaufen», rief gestern Gaétan Zurkinden, Regionalsekretär des Verbands des Personals öffentlicher Dienste VPOD, den rund 200 Demonstrierenden zu. Sie hatten sich auf dem Rathausplatz in der Stadt Freiburg versammelt, in der Hoffnung, dass das Parlament doch noch die Reissleine ziehe. Danach sieht es im Moment aber nicht aus. Nur die Grünen-Fraktion kündigte an, dass sie das Reformpaket an den Gemeinderat zurückweisen wolle. Alle anderen Parteien wollen dem neuen Vorsorgeplan zustimmen, wie eine Umfrage der FN ergab (siehe Mittwochsausgabe).
Unter den Demonstranten waren viele Arbeiter des Strasseninspektorats sowie Mitarbeiter der Kläranlage in den Neiglen. Viele von ihnen arbeiten schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, für die Stadt. Ihre Enttäuschung über das Vorgehen bei der Rentenreform und das Ergebnis war sichtbar. Am härtesten trifft es die über 45-Jährigen. Sie verlieren nach der Umstellung vom Leistungs- zum Beitragsprimat im Schnitt 15 Prozent ihrer jährlichen Rente (siehe auch Kasten). Ein 55-jähriger Mann sagte: «Ich arbeite seit 19 Jahren für die Stadt. Ich werde 470 Franken weniger erhalten, als mir ursprünglich versprochen wurden.» Der 57-jährige Kollege neben ihm, der seit 33 Jahren bei der Stadt angestellt ist, verliert 453 Franken. Die oft gemachte Vorhaltung, dass sie im Vergleich zu den Versicherten in der Privatwirtschaft auch nach der Rentenreform noch gut da stünden, zumal sie einen gesicherten Arbeitsplatz hätten, liessen sie nicht gelten. «Wir schauen, dass alles rundläuft, erledigen den Winterdienst und sind gut genug, den Dreck wegzuräumen. Sonst sollen wir schweigen. Das ist nicht in Ordnung», sagte ein Mann. Ein anderer meinte: «Mir fehlen die Worte.»
Enttäuscht zeigten sich die Demonstranten nicht nur vom Gemeinderat, sondern auch von der SP. Auf einem Plakat war eine Herde Schafe aufgemalt, die hinter ihrem Leittier, Syndic Thierry Steiert, herlief. Die SP-Fraktion will am Montag die Reform unterstützen. Zwar räumte sie ein, dass es sich beim Engagement der öffentlichen Hand zur Abfederung der Finanzierungslücken um ein Minimum handle. Gleichzeitig betonte sie, dass zur langfristigen Sicherung der Pensionskasse einschneidende Massnahmen nicht zu vermeiden seien. «Es ist schockierend, dass sich Vorstandsmitglieder, die selber beim Kanton angestellt sind und sich dort für einen Streik gegen die Pensionskassenreform ausgesprochen haben, im Fall der Stadt plötzlich eine andere Meinung vertreten», sagte Zurkinden. «Die Linke scheint nicht mehr zu wissen, was links ist.» Der VPOD forderte darum die SP auf, sich für Rentenkürzungen von maximal fünf Prozent einzusetzen, wie dies im Kanton Genf möglich gewesen sei. «Das kostet die Stadt 15 Millionen Franken mehr. Das ist nicht zu viel, denn es ist ein einmaliger Betrag, und der Stadt geht es gut.» Denkbar sei auch eine Erhöhung des Arbeitnehmerbeitrags um 1,5 Prozent, verbunden mit einer Erhöhung der Lohnklassen.
Am kommenden Montag, am Tag der entscheidenden Generalratssitzung, will das Personal noch einmal die Arbeit niederlegen und sich in den Neiglen treffen. Danach geht es erneut vor das Rathaus.
Zahlen und Fakten
Wechsel zum heute gängigen System
Mit der Pensionskassenreform strebt die Stadt Freiburg einen Systemwechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat an. Zudem ist eine Senkung des technischen Zinssatzes von 3,5 auf 2,75 Prozent vorgesehen. Der neue Vorsorgeplan führt je nach Alter zu Rentenkürzungen von bis zu 15 Prozent. Die Stadt plant Ausgleichsmassnahmen für 8,3 Millionen Franken und eine Beitragserhöhung von 12 auf 16 Prozent.
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