Regale voller Bücher, Tische mit Computern und der typische Bibliotheksgeruch. Doch wenn man die Schilder an den Regalen liest, merkt man schnell, dass das hier keine normale Bibliothek ist. Statt mit «King», «Rowling» oder «Tolkien» sind die Regale hier mit «Paschtu», «Urdu» oder «Tigrinya» angeschrieben. Die interkulturelle Bibliothek «LivrÉchange» in Freiburg hat nämlich gut 250 verschiedene Sprachen im Angebot. «Wir haben drei Abteilungen: Für Kinder bis zwölf, Lehrbücher für Sprachen und Literatur für Erwachsene», erklärt Rosemarie Zeller, Präsidentin von «LivrÉchange». Doch die Bibliothek ist mehr als nur eine Bücherausleihe, sie ist auch ein sozialer Treffpunkt verschiedenster Kulturen. «Wir haben Konversationskurse auf Deutsch und Französisch und Aktivitäten für Kinder», erklärt Zeller. Dazu gehört zum Beispiel «Cantemos Juntos», wo spanischsprechende Kinder Lieder und Gedichte in ihrer Muttersprache lernen, oder «Jouons ensemble», ein Spielnachmittag für Kinder unterschiedlichster Kulturen in Begleitung ihrer Mütter. «Es ist wichtig, dass die Kinder mit ihrer Muttersprache vertraut sind, bevor sie eine neue Sprache lernen», sagt Zeller. Die Kinder, die in diese Aktivitäten kommen, sind zwischen zwei und sechs Jahre alt, also gerade am Anfang der Sprachentwicklung.
Regelmässig organisiert «LivrÉchange» Freiluftaktivitäten im Schönberg, in den Quartieren Villars Vert oder Dailles in Villars-sur-Glâne oder in Marly. Dazu bringen sie Bücher und Geschichtenerzählerinnen in verschiedenen Sprachen mit.
Von einer Lehrerin gegründet
Entstanden ist die interkulturelle Bibliothek vor fast 15 Jahren. Claire Steinmann, eine der Gründerinnen, war Lehrerin im Schönberg. Sie begann, Kindern Bücher in ihrer Muttersprache zu geben. Daraufhin kam sie auf die Idee, eine Bibliothek aufzubauen. «Wir möchten den Kindern Zugang zu ihrer Sprache und ihrer Kultur geben», erklärt Rosemarie Zeller. Deswegen seien die Bücher meist nicht nur in einer fremden Sprache, sondern auch von einem Autor aus diesem Land geschrieben worden. Die kulturellen Hintergründe seien sehr wichtig, vor allem auch in Kinderbüchern.
Schwierig sei dabei vor allem die Beschaffung der Bücher. «Wir tauschen uns natürlich mit anderen interkulturellen Bibliotheken aus», meint Zeller. «Aber manchmal reist auch jemand, den wir kennen in irgendein Land und bringt uns Bücher mit.» Sonst wäre das Porto viel zu teuer. Besonders kompliziert sei es, afrikanische Bücher zu finden, so Zeller, davon besonders Bücher in «Tigrinya», der Sprache Eritreas, für die hier eine Nachfrage bestehe. Einige der Lehrbücher für Französisch oder Deutsch seien von zweisprachigen Helfern extra für die Bibliothek zusammengestellt worden. Die Beschaffung, Katalogisierung und Ausleihe der Bücher basiert ebenfalls fast vollständig auf Freiwilligenarbeit. Zeller erklärt: «Wir haben nur zwei bezahlte Stellen, die sich fünf Personen teilen. Dazu kommen gut 60 Freiwillige, vor allem Lehrer und Lehrerinnen.»
Nicht nur Flüchtlinge
Das Spektrum der Besucher der Bibliothek ist vielfältig. Es gebe zwar viele Flüchtlinge, zum Beispiel aus Eritrea, aber häufig auch Studenten der Uni, darunter viele Tessiner und Italiener, Au-pairs, oder Leute verschiedener Nationalitäten, die im Kanton leben und arbeiten. Doch die Bibliothek richtet sich nicht nur an ausländische Personen. «Wir bieten auch Führungen für Schulklassen an», erzählt Zeller. «Es ist schön zu sehen, dass ein Kind, das wegen seiner fremden Sprache ausgelacht wird, hier sieht, wie besonders es ist, wenn man nicht nur französisch oder deutsch spricht.» Auch soll einer Klasse gezeigt werden, wie viele Sprachen und Kulturen existieren.