Grossprojekte gegen Urbanisierung
Markus Peter, Architekt des Zürcher Fussballstadions, sprach an der Baurechtstagung
Ob Fussballstadion in Zürich oder Gastspielhaus in Freiburg: Grossprojekte lösen in der Bevölkerung Konflikte aus. Durch zusätzliche private Investorenprojekte werden diese zunehmen. Diese Meinung hat Professor und Architekt Markus Peter an der Schweizerischen Baurechtstagung vertreten.
Von JEAN-LUC BRÜLHART
Grossprojekte gehen einher mit der Problematik der Urbanisierung. Wo Grosses geplant ist, treffen verschiedene Meinungen und Bedürfnisse aufeinander. Markus Peter ist prädestiniert, zum Thema «Urbanisierunskonflikte und Grossprojekte» zu referieren, denn er ist nicht nur Professor für Entwurf und Konstruktion an der ETH Zürich, sondern viel mehr noch Architekt des umstrittenen Fussballstadions in Zürich.
Schleichende Zersiedlung
Um den Stadionbau in einem grösseren Zusammenhang zu sehen, muss auch die Entwicklung der Städte in den letzten Jahrzehnten betrachtet werden. Gemäss Markus Peter verharren die planerischen Leitbilder der helvetischen Landesplanung in zwei negativen Polen: zum einen das Bild einer ungleichen Schweiz mit grossen urbanen Zentren und peripheren Gebieten, zum anderen eine Zersiedlung der Landschaft. Peter stellt fest, dass es in den letzten 30 Jahren im Zuge einer schleichenden Zersiedlung zu fast durchgängig industrialisiertem Land ohne eigentliche Peripherien und ohne wirkliche Grossstädte gekommen sei.
Streuung der Zentralität
Entstanden seien vielmehr polyzentrische Stadtregionen, nicht nur um metropolitane Zentren, sondern auch bei kleineren und mittleren Städten. Die Streuung der Zentralität führt dazu, dass sich in den suburbanen Gürteln neue urbane Konfigurationen mit grossflächigen Infrastrukturanlagen wie Shopping-Zentren bilden. «Die Gürtel um die Städte bestimmen die Motorik im Innern», sagte Markus Peter. Als gegenläufiger Trend beobachtet der Architekt eine Wiederaufwertung des Städtischen. «Nicht nur die Innenstädte erleben einen ökonomischen und kulturellen Aufschwung. Auch zentrumsnahe Industrie- und Infrastrukturbrachen werden zu trendigen Wohn- und Freizeitquartieren.
Neue Dynamik:
Investoren haben das Sagen
Peter stellt fest, dass seit den 90er-Jahren eine neue Dynamik die Architektur erfasst hat. In dieser Zeit habe die neoliberale Investorenwelt die Architektur instrumentalisiert und den ökonomischen Gesetzen unterworfen. Fussballstadien kombiniert mit kommerzieller Nutzung sind, neben den bekannten Investorenobjekten wie Einkaufszentren, in den Sog der ökonomischen Dynamik geraten.
Ein Sportstadion ist heute nicht mehr nur ein Sportstadion. Es ist gleichermassen Shopping- und Vergnügungs-Center, Hotel, Kino, Parking. Die finanziell schwachen Vereine sind nicht in der Lage, ihre veralteten Stadien aus eigener Kraft zu erneuern und die unter Spardruck stehenden Finanzhaushalte der öffentlichen Hand können auch nicht Hand bieten. Deshalb wird auf das Modell der privaten Investition gesetzt.
Es zählt also nicht nur architektonische Qualität, sondern für den Investor das Erreichen einer Rendite. «Die Fassade enthüllt immer weniger, was im Innern passiert», fasst es Peter zusammen. Solche Bautypen – wegen der unterschiedlichen Programme
Gemäss Markus Peter generieren die Fussball-Veranstaltungen, der eigentliche Hauptzweck des Neubaus, nur 10 Prozent des Verkehrsaufkommens und 90 Prozent die Mantelnutzung (Shopping-Center, Kinos . . .).
Eine Identität geben
Markus Peter ist der Auffassung, dass Gebäude ausserhalb der Stadtzentren, wie in Zürich der Fall, Formen und Silhouetten haben dürfen, die dem Stadtteil eine Identität geben. Eine «Anziehungsmaschine» nennt der Architekt das neue Zürcher Fussballstadion.
Er stellt fest, dass in den vergangenen Jahrzehnten in der Stadt eine Auffüllung stattgefunden hat, nicht aber eine Transformation. «Entstanden ist eine Stadt der Zufügungen, die sich wie archäologische Schichtungen im Stadtkörper ablesen lassen.»
Juristische und kaum
politische Auseinandersetzung
Das geplante Fussballstadion liege in einem Gebiet, in dem Konflikte und verhärtete Positionen zum Individualverkehr schon lange urbanistische Entwicklungsfragen überschatten. «Diese Divergenzen entladen sich gegenüber Neubauprojekten durch Blockierung und Verhinderung, ohne je politische Formen angenommenn zu haben», sagte Peter. Die Austragungsform beschränke sich zum Vorneherein innerhalb eines juristischen Dispositivs.
Nicht-Bereitschaft, etwas auszutragen
Auf die Frage, ob nun das Fussballstadion in Zürich gebaut wird oder nicht, antwortet Peter: «Das ist mehrfach nicht klar.» Es herrsche zwischen den Parteien leider eine Kultur der Nicht-Bereitschaft, etwas auszutragen. Alle würden auf ihre Anwälte hoffen. Dabei würde es neben den politischen und juristischen Aspekten auch eine ökonomische Komponente geben. «Aber darüber wird in der Öffentlichkeit nicht gesprochen», sagte Peter abschliessend.