«Gute Basis, aber noch nicht perfekt»
Dienstchef Martin Tinguely zieht nach 100 Tagen «Neuer Fahrplan» eine erste Bilanz
Laut Martin Tinguely, Vorsteher des Amts für Verkehr und Energie, haben die meisten Freiburgerinnen und Freiburger mit dem neuen Fahrplan gewonnen. Verbesserungen werde es aber weiterhin geben.
Mit MARTIN TINGUELY sprach
CHRISTIAN SCHMUTZ
Wie fahren Sie zur Arbeit?
Mehrheitlich mit dem Auto. Mindestens ein- bis zweimal pro Woche mit dem Bus.
Ist Ihr persönlicher Fahrplan am 12.12. besser geworden?
Die Fahrzeiten auf den regionalen Linien in die Zentren sind alle fast gleich geblieben. Verschiebungen hat es bei den Abfahrts- und Ankunftszeiten gegeben. Besser oder schlechter wäre es eher beim Umsteigen geworden, aber das muss ich von Posieux nach Freiburg nicht.
Was hat sich im Regionalverkehr vor allem geändert?
Die Abfahrts- und Ankunftszeiten. Im Fernverkehr gibt es schnellere und auch mehr Züge zum Beispiel nach Basel oder Genf. Von Murten erreicht man Genf in 107 statt 129 Minuten nach dem alten Fahrplan. Da alle Abfahrtszeiten der Fernzüge geändert wurden, mussten wir die Fahrpläne der regionalen Linien anpassen. Eine unserer Hauptaufgaben ist es gewesen, dass auch die Fahrgäste der regionalen Linien von den Verbesserungen im Fernverkehr profitieren können. Da haben wir möglichst viele andere Bedürfnisse einbezogen, wie auch die Betriebszwänge der Verkehrsunternehmen. In gewissen Fällen wurden nicht nur Fahrpläne, sondern auch die Anfangszeiten von Schulen geändert.
Wo gab es Schwierigkeiten?
Leider war ein direkter Anschluss nicht überall möglich. Bei einigen Verbindungen mussten wir eine Auswahl treffen. Sollten zum Beispiel die Sensler Busbenützer in Freiburg einen direkten Anschluss nach Bern oder Lausanne bekommen? Beides zusammen war nicht möglich. Wir haben uns für Bern entschieden, weil mehr Leute diesen Anschluss brauchen. Ein Plaffeier, der nach Lausanne fahren will, verliert also einige Minuten. Insgesamt haben aber sicher mehr Leute gewonnen als verloren. Allgemein kann man sagen: Es ist eine gute Basis, aber noch ist es nicht perfekt und nicht für Jahre definitiv.
Hat alles funktioniert?
Ja, was die Stabilität des Fahrplans angeht, besser als erwartet. Die Züge verkehren sogar pünktlicher als früher.
Sie haben bestimmt auch viele Beschwerden gehört…
Am Fahrplanprojekt haben sich sich seit Frühling 2004 sehr viele Leute beteiligt. Oft war es möglich, deren Anliegen positiv zu beantworten. Nach dem 12.12. hat es auch einige Beschwerden gegeben. Hauptproblem sind die Kapazitäten, wenn also zu viele Leute denselben Bus nehmen wollen. Zum Beispiel haben wir eine Leerfahrt Plaffeien-Freiburg über Alterswil umgeleitet, um dort einen Kapazitätsengpass zu entschärfen. Städtische Anliegen zum Fahrplan werden an den Verkehrsverbund Cutaf weitergeleitet.
Wie können Sie etwas verbessern?
Prinzipiell sollten Änderungen nur am Fahrplanwechsel gemacht werden. Gesuche werden objektiv geprüft und wenn möglich vorbereitet. Anpassungen innerhalb der bestehenden Fahrpläne sind eine Ausnahme, da sich die Leute daran gewöhnt haben.
Und wie wollen Sie Leute zum Umsteigen bewegen?
Wir möchten gern ein Maximum an öffentlichem Verkehr. Dafür braucht es einen attraktiven Fahrplan, attraktive Tarife und ein Angebot, das den Bedürfnissen der Benützer angepasst ist.
Neue Kurse für Bösingen und Nachtschwärmer
Was sagt Dienstchef Martin Tinguely zu konkreten Anliegen seit dem 12.12.? Es gibt Hoffnung für Bösinger und Nachtschwärmer aus dem Cutafland.
Wie sieht es mit den miserablen Busverbindungen für Bösingen aus?
Die Fahrzeiten auf der Linie sind gleich geblieben, die Fahrpläne konnten mit der OS Düdingen koordiniert werden. Kapazitätsprobleme bestehen in der Morgenspitze. Ein Entlastungskurs vor 7 Uhr wird dieses Problem entschärfen. Am Nachmittag stellt die Verschiebung eines Kurses neu einen Anschluss von Freiburg sicher. Beides ändert sich bereits nach den Osterferien . Eine detaillierte Information von «Postauto» folgt.
Warum fahren die letzten Busse vom Bahnhof Freiburg früher in die Quartiere und die Regionen?
Die letzten Fahrten wurden mit dem nationalen Fahrplan koordiniert. Auf der Ebene des Verkehrsverbundes Cutaf wird momentan die Frage von Dienstleistungen nach Mitternacht erarbeitet. In den Cutaf-Gemeinden könnte es ab Dezember 2005 an Wochenenden Nachtbusse geben. Aber die Organisation und Finanzierung ist noch unklar.
Wird die Idee des Park+Ride im St. Leonhard geschwächt durch eine halb so häufige TPF-Kadenz?
Der Takt auf der Linie bleibt mit 15 Minuten attraktiv. Die Takte im Stadtnetz sind der Benutzerhäufigkeit angepasst worden, die Cutaf bestellt die Frequenz der Stadtbusse beim Verkehrsbetrieb TPF. Die St.-Leonhard-Linie hatte nicht genügend Benützer für einen 7,5-Minuten-Takt. Jetzt ist der Takt gleich wie derjenige nach Marly. Halbvolle Busse nützen niemandem.
Die Busfahrer hätten seit Dezember schlechtere Arbeitsbedingungen. Stimmt das?
Es stimmt, dass die Fahrpläne für die Benutzer gemacht wurden und nicht für die Fahrer. Da in Stosszeiten mehr Busse im Einsatz stehen als dazwischen, sind aufgeteilte Einsatzpläne selbstverständlich. Aber die TPF haben mit ihren Chauffeuren einen Gesamtarbeitsvertrag, den sie einhalten müssen.
Der Anschluss am Bahnhof klappe oft nicht, weil die Busse oder Züge nicht aufeinander warteten.
Die Anschlüsse klappen meistens. Die Fahrer der Regionalbusse und Regionalzüge wissen, wie lange die Fernzüge Verspätung haben, und entscheiden, ob sie warten oder abfahren. Bei den Zügen muss man auch ans Kreuzen und weitere Anschlüsse denken. Auf dem Stadtnetz ist das Problem anders. Priorität hat das Zeitintervall zwischen den Kursen.
Oft wird ein einheitliches Freiburger Tarifsystem gefordert wie «Libero» in Bern. Tut sich etwas?
Wir prüfen ein solches Tarifsystem nach Zonen für den ganzen Kanton. Dabei sollen sowohl Abonnemente und Einzelbillette einbezogen werden. Frühestens auf Fahrplanwechsel im Dezember 2006 könnte es so weit sein. chs
Martin Tinguely und das Verkehrsamt
Martin Tinguely ist 41-jährig, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist ausgebildeter Bauingenieur der ETH Lausanne und hat ein MBA in Unternehmensführung. Er ist in Grolley aufgewachsen und wohnt in Posieux.
Seit 1999 ist Tinguely Vorsteher des kantonalen Amts für Verkehr und Energie. Der Kanton (ohne die Cutaf als Verkehrsverbund der Agglomeration) setzt für den regionalen Verkehr jährlich rund 65 Millionen Franken ein, wobei der Bund rund 80 Prozent subventioniert. Darin sind auch Unterhalt der Zugslinien und der Infrastruktur einbezogen. chs