Der berufliche Werdegang von Stephan Flückiger steht stellvertretend für die Profile der Berater der Freiburger Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Er hat zuerst einen Berufsabschluss als Möbelschreiner gemacht, führte dann fünf Jahre selbständig einen Laden, arbeitete anschliessend im Personalwesen einer Firma für Haushaltsgeräte und ist heute Leiter des RAV Nord in Murten. Zudem ist Flückiger französischer Muttersprache, kann sich aber auch in Schweizerdeutsch ausdrücken.
Ein vergleichbares Anforderungsprofil sucht Flückiger auch, wenn er Bewerbungsgespräche zur Anstellung eines RAV-Beraters führt: einen möglichst breiten beruflichen Hintergrund, Erfahrung im Personalwesen, Lebenserfahrung, zweisprachig, dazu eine einnehmende und kommunikative Persönlichkeit. Getestet wird dies durch Fallbeispiele.
Ein Beruf mit Fachausweis
Erstes Kriterium aber ist ein eidgenössischer Fachausweis als RAV-Berater oder im Bereich Sozialversicherungen. «Das war früher anders», sagt Flückiger. «Aber seit rund zehn Jahren verlangt das Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco, den Fachausweis.» Er präzisiert, dass eine Anstellung auch möglich ist, wenn ein Bewerber den Fachausweis in fünf Jahren nachholt.
Zwar sind für den RAV-Leiter die Persönlichkeitsmerkmale seiner Berater entscheidend für beruflichen Erfolg, die formellen Anforderungen sind für ihn aber Ausdruck, wie sich die RAV nach einer Aufbauphase professionalisiert haben.
RAV-Berater wird man in einem Weiterbildungs-Studiengang; der Beruf öffne auch den Zugang zu anderen Unternehmen, wie etwa Temporärbüros. «Es ist eine Arbeit, die hauptsächlich im Büro stattfindet», so Flückiger. Im RAV Nord, welches die Bezirke See, Sense und Broye abdeckt, arbeiten jetzt dann 20 Berater, wovon zwei als Kontaktpersonen für Unternehmen vermehrt ausserhalb des Büros tätig sind. Weiter gehören drei Gruppenleiter, ein Sozialassistent und acht Sekretariatsmitarbeiter zum Team.
120 Dossiers pro Berater
Im ganzen Kanton Freiburg arbeiten 119 Personen in den RAV-Büros. 87 von ihnen sind RAV-Berater, welche direkt im Kontakt zu den Stellensuchenden stehen, informiert David Fasel, Kommunikationsverantwortlicher beim Amt für den Arbeitsmarkt.
Die Hauptarbeit der RAV-Berater besteht aus Beratungsgesprächen mit Stellensuchenden. Stephan Flückiger lässt es sich nicht nehmen, auch selber Gespräche mit Stellensuchenden zu führen. «Ich finde es wichtig, dass ich weiter in die Praxis eingebunden bin. Ich muss die tägliche Realität spüren.» Doch während der RAV-Leiter sich höchstens um zehn Dossiers von Stellensuchenden kümmern kann, sind es bei anderen RAV-Beratern über 100. «Für 120 Stellensuchende gewährt das Seco einen RAV-Berater», so Flückiger. Es komme aber zu saisonalen Schwankungen. In den Wintermonaten, wenn gewöhnlich mehr Personen auf Arbeitssuche sind, kann das Volumen auf 160 Dossiers pro Berater anwachsen.
Belastendes verarbeiten
Wer als RAV-Berater angestellt wird, durchläuft eine Probezeit von einem Jahr. Diese vergleichsweise lange Zeit sei nötig, um zu erkennen, ob ein Berater mit den Belastungen des Berufs umgehen kann. «Das Gleichgewicht zwischen Empathie und Motivation herstellen sowie eine gewisse Distanz behalten, das muss ein RAV-Berater sich antrainieren», so Flückiger. Gelingt das nicht, dann könne es an die Gesundheit gehen. «Wir hatten einen solchen Fall, das kommt aber eher selten vor.»
Ein weiteres belastendes Element für das RAV-Personal kann aggressives Verhalten seitens der Stellensuchenden sein. «Nicht oft, aber es kommt vor. Von unhöflichem Auftreten bis zu bedrohlichem Verhalten ist vieles möglich. Auch wenn es nur etwa zwei Prozent der Stellensuchenden betrifft: Wenn eine gewisse Grenze überschritten wird, müssen wir die Polizei einschalten.»
Die RAV-Berater verarbeiten belastende Momente im Team, so Flückiger. Teamsitzungen am RAV-Standort oder auf Stufe RAV Nord finden regelmässig statt. Dabei werden Erfahrungen, Informationen oder manchmal auch Dossiers ausgetauscht. «Wir achten darauf, dass unsere Berater nicht Gespräche mit Stellensuchenden aus ihrer Familie oder ihrem Bekanntenkreis führen.»
Und auch der Austausch von Erfolgen gehört zur Arbeit im Team. «Jede Person, die einen Job findet, ist für uns ein Erfolg», sagt Flückiger. «Aber die besonders schönen Momente sind jene, wo alles kaputt schien, wo und wir dann docn etwas aufbauen konnten. Wenn so eine Person eine Stelle findet, ist die Dankbarkeit jeweils besonders gross.»
Die FN nehmen das20-Jahr-Jubiläumder Regionalen Arbeitsvermittlungszentren zum Anlass, deren Arbeit in einer losen Artikelserie bis in den Herbst zu beleuchten.
Statistik: Korrektur bei Arbeitslosenquote
D e r Kanton Freiburg hat im Monat Juni eine Arbeitslosenquote von 2,5 Prozent registriert. Dies sind 0,4 Prozentpunkte tiefer als die Quote, die das Amt für den Arbeitsmarkt für den Monat Mai kommunizierte. Allerdings ist der Rückgang der Arbeitslosenquote nicht so spektakulär, wie er auf den ersten Blick erscheint. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat nämlich neu nicht die Zahl der Erwerbspersonen von 2010 als Grundlage genommen, sondern einen Dreijahresschnitt von 2012, 2013, 2014. Da Freiburg innerhalb von vier Jahren rund 11 000 Erwerbspersonen mehr hat, fällt der Prozentsatz der Arbeitslosen geringer aus. Doch selbst statistisch bereinigt ist im Juni die Arbeitslosenquote um 0,1 Prozentpunkte gesunken. Sie ist seit Februar rückläufig. Das kantonale Amt macht saisonale Gründe dafür verantwortlich. Freiburg zählte im Juni 4030 Arbeitslose und 7688 Stellensuchende. uh