Autor: ARthur Zurkinden
Elmar Schneuwly, in Ihrer ganzen beruflichen Karriere haben Sie sich mit dem Sport beschäftigt. Was bedeutet für Sie der Sport?
Sport bedeutet für mich in erster Linie Freude und ein tolles Erlebnis. Schicken Eltern ihre Kinder in einen Sportverein, so muss die Freude am Sporttreiben im Vordergrund stehen. Sport ist nicht automatisch Gesundheitsförderung. Wird aber Sport vernünftig betrieben, dann ist Sport gewiss auch gesund. Man kann aber auch zu viel oder unvernünftig Sport treiben. Dann ist Sport auch ungesund. Eigentlich ist es ganz einfach: Sport ist – wie so vieles – nicht per se gut oder schlecht. Es kommt darauf an, was der Einzelne daraus macht.
Sport wird ja immer wieder gerade für Schüler und Jugendliche auch als Prävention vor gesundheitlichen Schäden, vor Übergewicht, vor Drogenmissbrauch, vor Gewalttätigkeit usw. betrachtet. Wie sehen Sie dies?
Ja, vom Sport wird in dieser Hinsicht viel erwartet. Das Amt für Sport hat in der Tat des Öftern Kurse zu Themen wie sexueller Übergriff von Trainern, Doping, Gewalt im Sport usw. organisiert. Für mich ist wichtig, dass wir gute J+S-Leiter und -Trainer haben, welche die Jugendlichen begeistern können. Das ist für mich die beste Prävention. Die Kinder und Jugendlichen müssen vom Trainer sagen können: Ja, das Training fägt.
Meiner Ansicht nach sind in erster Linie die Eltern aufgerufen, Präventionsarbeit zu leisten, nicht nur die Schulen und Sportvereine. So gehört ja ein vollständiges Frühstück zu einer guten Prävention vor Übergewicht. Werden aber die Schüler ohne Frühstück in die Schule geschickt, muss man sich nicht wundern, wenn sie dann in den Pausen Süssigkeiten zu sich nehmen und übergewichtig werden. Eltern wie Trainer müssen den Kindern auch Vorbild sein. Wenn der Vater Kettenraucher ist, wird er wohl Mühe haben, seinen Kindern das Rauchen zu verbieten. Es gibt auch ein schlechtes Bild ab, wenn ein Fussballtrainer auf der Bank während eines Spiels eine Zigarette raucht. Da kommen mir immer wieder die weisen Worte meines Pädagogiklehrers im Lehrerseminar in den Sinn, der zu uns sagte: Theorien belehren, Beispiele reissen mit.
Sie legen grossen Wert auf die Vorbildfunktion der Eltern und Trainer. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Trainer im Kanton Freiburg?
Wir haben im Kanton Freiburg rund 4500 aktive Jugend-+Sport-Leiterinnen und -Leiter. Ich war immer wieder erstaunt über die gute Qualität ihrer Arbeit. Es handelt sich ja meist nicht um Lehrer oder Leute, die eine Ausbildung als Pädagogen genossen haben. Bereits nach einem einwöchigen Kurs werden Handwerker, Büroangestellte, Akademiker usw. als Leiter tätig und begeistern Kinder und Jugendliche. Sie üben diese Tätigkeit nebenberuflich mit viel Herzblut aus. Und es läuft hervorragend. Wäre es nicht so, würde dies sofort publik. In den letzten Jahren jedenfalls blieben wir von grösseren Problemen oder gar Skandalen verschont.
Wichtig scheint mir dabei, dass diese Trainer und Leiter auf die Unterstützung ihrer Vereine und der Eltern zählen können. Der gegenseitige Respekt ist für mich von zentraler Bedeutung. Eltern können mit dem Trainer das Gespräch suchen, wenn sie mit seiner Arbeit nicht zufrieden sind. Aber sie sollten ihm nicht in die Trainingsarbeit dreinreden.
Wie haben Sie die Eltern erlebt?
Wie gesagt ist für die Kinder die Freude am Sport das wichtigste. Vereine sind nicht da, um Hütedienste zu verrichten. Wollen Eltern ihre Kinder in den Sportvereinen nur «versorgen», so zeugt dies von fehlendem Respekt der Eltern ihren Kindern gegenüber. Schlecht ist auch zu grosser Ehrgeiz der Eltern. Fördern und fordern ja, aber nicht überfordern.
Wie sehen Sie die Rolle des Staates als Förderer der Spitzensportler?
In meinen Augen ist die Förderung des Spitzensports gut geregelt. Der Kanton ist vor allem da, um jungen Talenten während der Schul- und Ausbildungszeit gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Talente werden zum Teil in nationale Trainingszentren geschickt oder können z. B. an einem Nachmittag pro Woche von der Schule dispensiert werden, damit sie trainieren können. Das kann bereits talentierte Sekundarschüler betreffen, vor allem aber Lehrlinge, Mittelschüler und Studenten. Der Staat hilft diesen Talenten also, eine optimale Lösung im schulischen Bereich zu finden. Er übernimmt das Schulgeld teilweise oder vollständig und/ oder trägt die Kosten für Nachhilfestunden. Die strukturelle Hilfe betrifft Stundenplananpassungen und/oder Gewährung von Urlauben, insbesondere für die Teilnahme an Trainingslagern und wichtigen Wettkämpfen. Für die Trainings selber sind dann die Sportverbände zuständig. Gefordert sind in solchen Fällen natürlich auch die Eltern und – handelt es sich um Lernende – die Lehrmeister.
Ein halbwegs eidgenössisches Zentrum sowie zwei kantonale Zentren wollte der Kanton Freiburg zu Beginn der 80er-Jahre in Muntelier, resp. in Estavayer-le-Lac und Charmey schaffen. Das Stimmvolk hat aber Nein zu Sportzentren gesagt. Bedauern Sie diesen Entscheid von damals?
Damals habe ich mich auch für ein Ja eingesetzt und war nach dem Nein enttäuscht. Heute, fast 30 Jahre danach, muss ich sagen, dass das Volk damals – wie so oft – wohl richtig entschieden hat. Freiburg wäre kaum in der Lage gewesen, drei Sportzentren finanziell aufrechtzuerhalten. Der Unterhalt und Betrieb sind sehr aufwändig. Andererseits konnten mit dem Geld, das damals für die Zentren nicht ausgegeben wurde, andere Dinge finanziert werden. Ich denke da z. B. an die Eisbahnen, die im Kanton Freiburg mit Hilfe kantonaler Gelder entstanden sind. Aber man weiss ja nie genau, wie es gekommen wäre, wenn das Volk anders entschieden hätte.
Welche Beziehung haben Sie zum Spitzensport?
Spitzensport ist Show, ist Business, ist ein Event. Ich schaue mir auch gerne ein solches Event an, aber ich weiss, dass es – zu oft – um Show und Geld geht. Stören tut es mich eigentlich nicht. Ich sage mir: «Es ist, wie es ist.» Ich kann nichts daran ändern, wenn Spitzensportler viel Geld verdienen und Millionen umhergeschoben werden. Aber mit Sportförderung hat dies wenig zu tun. Wenn der Staat z. B. Geld ausgibt für eine Euro 08, dann geht es in erster Linie um berechtigte wirtschaftliche und touristische Interessen und um Standortmarketing. Die Sportförderung, wie ich sie verstehe, tritt dabei in den Hintergrund.
Was ist Ihnen in Ihrer Karriere als Sportfunktionär aufgefallen?
Ich möchte sagen, dass die Sportbewegung Leute nötig hat, welche sich dem Sport zuliebe einsetzen. Ich musste immer wieder feststellen, dass zu viele Vereins- und Verbandsverantwortliche ihre Position zur Förderung ihrer beruflichen oder politischen Karriere einsetzen oder mit übertriebenen Selbstinszenierungen ihr Ego aufbügeln. Dies geht meist schief. Ich wünsche mir Klubs, die von Leuten geführt werden, welche einst selber aktiv waren und später dem Klub etwas zurückgeben wollen. Ich wünsche mir auch Vereine, welche die freiwillige Arbeit der vielen Trainer und Helfer schätzen und anerkennen, diese nicht ausnützen, sondern sie finanziell korrekt entschädigen. Natürlich wünsche ich mir auch Eltern, welche diese wertvolle Arbeit der Trainer anerkennen. Sportler, Eltern, Trainer, Vereinsverantwortliche, alle können mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen dazu beitragen, dass – sowohl im Breiten- wie auch im Spitzensport – mit etwas mehr Gelassenheit und Freude Sport getrieben wird.