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«Ich bin Bruder, Berufsberater, Psychologe und ein bisschen Lehrer»

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Was macht das Unterrichten an einer Integrationsklasse so schwer und trotzdem einzigartig? «Die unterschiedlichen Nationen, Lebensgeschichten, Kulturen und Sprachen der 13 Jugendlichen», sagt Florian Schafer. «Die einen haben die Matura gemacht, andere sind nie zur Schule gegangen. Eigentlich unterrichte ich hier 13  Stufen.» Die Jugendlichen haben auf der langen Flucht viel Leid erfahren und eine grosse persönliche Leistung hinter sich. Ob er ihre Geschichten kenne? Schafer: «Ich frage nie danach, habe aber ein offenes Ohr, wenn ein Schüler etwas erzählen will.» Dies sei aber eher selten der Fall. «Viele wollen von ihrer Flucht nichts mehr wissen und möchten am liebsten als ganz normale Jugendliche wahrgenommen werden.»

In der BPI-Klasse (Beruf, Praxis, Integration) des Berufsbildungszentrums Biel ist vieles anders als in einer normalen Sekundarklasse. Disziplin und Pünktlichkeit sind vorab für die Jüngeren zu Beginn ein Fremdwort. «Ein Schüler blieb im Praktikum mehrmals seiner Arbeit fern, sagte aber weder mir noch dem Chef etwas.» Schafer zeigt Verständnis dafür: «Sie waren früh auf sich alleine gestellt und hatten schlicht und einfach niemanden, der ihnen erklärte, was wichtig ist.»

17- bis 24-jährig sind die Schülerinnen und Schüler von Florian Schafer. Sie absolvieren bei ihm zwei berufsvorbereitende Schuljahre. Die Klasse zählte auch schon über 20 Schülerinnen und Schüler. Einige mussten die Schule verlassen, weil sie schlichtweg überfordert waren, andere wurden wegen disziplinarischer Probleme von der Schule gewiesen.

Vertrauensperson

Zu den elf jungen Männern und den zwei Frauen hat der Sensler ein gutes Verhältnis. Er geht mit ihnen ins Lager und auf Reisen. Die zweitägige Abschlussreise führt nach Basel. Schafer bleibt die Vertrauensperson. Er wird von den Jugendlichen oft um Rat gefragt, sei es bei der Wohnungssuche, bei administrativen oder persönlichen Problemen. «Ich bin für die Jugendlichen Vater, Bruder, Berufsberater, Psychologe, Sozialarbeiter und noch ein bisschen Lehrer», meint er schmunzelnd. Doch was begeistert den jungen Lehrer so, obwohl die Arbeit einen intensiven Einsatz verlangt? «Die verschiedenen Kulturen und die enorme Motivation der ­Jugendlichen», sagt Schafer de­zidiert.

Kurze Zündschnur

Auf die Turnstunden freuen sich die Jugendlichen besonders. In der aktuellen Klasse geht es kameradschaftlich zu. Das ist nicht immer der Fall: Sport sei heikel, da könne es unter den Nationen auch mal hart auf hart zugehen, sagt Schafer. «Einige haben eine kurze Zündschnur, und da bin ich auf die Unterstützung der Leader angewiesen.» Bei jeder Nation habe sich eine Person zum Leader und Schlichter quali­fiziert.

Auf die Turnstunde folgt das Fach «Beruf und Gesellschaft». Wissen über Europa steht auf dem Programm. Schafer fragt nach Lieblingsstädten. Zögernd kommen Antworten. Die meisten kennen sie vom Fernsehen. Meere und Länder Europas müssen sie benennen. Via Gruppenarbeit und mithilfe von Handys lösen sie die Aufgaben. Nationen gesellen sich auch hier zusammen. Und immer wieder erinnert Schafer: «Bitte Deutsch sprechen.»

Mittlerweile haben die 13  Jugendlichen die Schule verlassen und unter anderem Lehrstellen gefunden als Velomechaniker, Spengler, Logistiker, Zimmermann, Koch, Mechaniker, Bauarbeiter und Detailhandelsangestellte. Dazu der Lehrer: «Viele träumen von einem Unistudium und müssen dann enttäuscht feststellen, dass die Sprachkenntnisse dafür einfach nicht reichen.»

Berufswahl

Ein Praktikum in der Kita – aber er wäre lieber Arzt geworden

Der 21-jährige Afghane Ali Ahmadi ist einer der wenigen, die eine Matura gemacht haben. «Es ist manchmal schwierig, in einer Klasse zu sitzen mit Kollegen, die nie in die Schule gegangen sind», meint Ali. Doch es sei super, hier in diesem herrlichen Land zu leben. Ali ist seit dreieinhalb Jahren in der Schweiz und spricht recht gut Deutsch.

Mutter ermunterte zur Flucht

Ali Ahmadi ist in einer Familie mit elf Kindern aufgewachsen. In Afghanistan hat er als Taxifahrer gearbeitet. Da es aber keine regelmässige Arbeit gebe, habe ihn seine Mutter zur Flucht ermuntert. So ging Ali mit 17 Jahren weg und war ein Monat auf der Flucht. Wie er das finanziell schaffte? «Ich hatte etwas gespart und erhielt von meinem Bruder noch Geld», erzählt er. In der Schweiz angekommen, besuchte er in Lyss zuerst sechs Monate einen Deutschkurs. Er macht nun ein Praktikum in einer Kita, obwohl er lieber Arzt geworden wäre.

il

Zur Person

Ein Schmittner in Biel

Der 32-jährige Florian Schafer ist in Schmitten aufgewachsen und hat an der Universität Freiburg Germanistik, Geschichte und Sport studiert und das Sek-Lehrerstudium absolviert sowie einen Master in Erziehungswissenschaften erworben. Seit zwei Jahren ist er Klassenlehrer der Integrationsklasse am Berufsbildungszentrum Biel. Ein Jahr hat er im Ankunftszentrum Huttwil unbegleitete minderjährige Asylsuchende (Umas) unterrichtet. Florian Schafer wohnt in Bern.

il

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