Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

«Ich war nicht nur als Pilger unterwegs»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Der Jakobsweg ist wohl der Klassiker unter den Pilgerwegen. Der frühere Bundesrat Joseph Deiss entdeckte die weniger bekannte Via Francigena von Canterbury nach Rom für sich. Er hat den Weg zweigeteilt – und zwei Bücher über die Reisen geschrieben.

«Ich stehe um 5.45 Uhr auf und habe in meiner engen Ecke nicht allzu schlecht geschlafen. Es sind -2 Grad Celsius, und der Morgen wird noch sehr kalt sein. Aber die Wetterprognosen versprechen Sonne für den ganzen Tag. Ich stelle mein Gepäck zusammen und gehe runter. Der Frühstückstisch ist gedeckt: Tee, Orangensaft, Brot, Butter und Marmelade.»

Wie immer guter Dinge

So aufgestellt beginnt und erlebt Joseph Deiss den Start zu seiner 12. Etappe. Auf dem Weg von Freiburg nach Canterbury steht ihm an diesem Tag die 23  Kilometer lange Strecke durch die tiefe französische Provinz von Chalindrey nach Rolampont bevor. Er ist wie immer guter Dinge. Er ist ein erfahrener Wanderer.

Kein Wunder. Die 1200 Kilometer von Freiburg, seinem Geburtsort, nach Rom hat der emeritierte Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg bereits zurückgelegt. Eine Wanderung in 50  Etappen, die er in seinem Buch «Nouvelles lettres d’Italie – Fribourg–Rome à pied» (2019) verewigt hat. Nun liegt sein zweiter Wanderreport vor: «Als Fernwanderer unterwegs – Begegnungen entlang der Via Francigena».

Die Via Francigena ist der Pilgerweg von Canterbury nach Rom. Die Vaterschaft der gut 2000 Kilometer langen Strecke wird Sigerich dem Ernsten, Erzbischof von Canterbury von 990 bis 994, zugeschrieben. Sie verläuft, wie der Name es verdeutlicht, durch Frankreich, dann durch Italien, nicht ohne einen kurzen Abstecher in die Schweiz, dies vor allem, um den Grossen Sankt Bernhard zu überqueren, wie Deiss in seinem Buch schreibt.

Wobei Joseph Deiss selbst die Via Francigena zum einen in umgekehrter Richtung, also nach Canterbury und nicht nach Rom entlangwanderte. Zum anderen absolvierte er den Pilgerweg nicht an einem Stück – sondern jeweils in drei, vier Etappen pro Monat. Dann kehrte er wieder zurück in die Schweiz. Pilgerpuristen mögen darüber die Nase rümpfen. Für Deiss macht diese «Salami-Taktik» des Fernwanderns durchaus Sinn. «Diese Methode des Fernwanderns hat den Vorteil, dass ich auch verdauen kann, was ich gerade gesehen und erlebt habe. Wenn ich den Weg ohne Unterbrechung abschreite, bleibt am Ende vor allem das Erlebnis, angekommen zu sein, im Gedächtnis.» Er sei auf den Pilgerweg vor Jahren bei einer längeren Wanderung am Genfersee aufmerksam geworden, erzählt Joseph Deiss. Der 76-Jährige, der von 1999 bis 2006 Bundesrat und 2004 Bundespräsident sowie von 2010 bis 2011 Präsident der UNO-Generalversammlung war, geniesst das Wandern einfach.

«Niemand redet drein»

«Ich habe den Plausch beim Wandern», bekennt er gegenüber Kath.ch. Er entdecke gerne neue Landschaften, orientiere und organisiere sich selbst. «Und beim Wandern und Marschieren redet einem niemand drein. Man ist in der Ruhe der Natur meistens ganz für sich.» Deshalb hat ihn die Via Francigena als Projekt gepackt. «Ich war aber nicht nur als Pilger unterwegs. Mich fasziniert neben dem Metaphysischen auf einem Pilgerweg alles, was einem unterwegs an Interessantem begegnet.» Landschaften vor allem. In Frankreich begeisterten ihn besonders die vielen Kanäle und Flüsse, an denen er entlanggewandert ist. Aber auch Architektur und Kulturelles. Das Grab von Präsident Charles de Gaulle in Colombey-les-Deux-Eglises hat er selbstverständlich besucht.

Natürlich hat er trotz der Einsamkeit des Wanderers auch überraschende menschliche Begegnungen gemacht. «Einmal hat mir eine Person spontan die Hälfte ihres Sandwiches angeboten – mit dem Kommentar, dass einem das Geteilte dann noch besser schmecken würde», sagt Joseph Deiss. Ein anderes Mal sei er mit seinen Wanderstöcken einem Blinden mit weissen Stöcken begegnet, und sie hätten sich unterhalten über ihre Wege, die sie noch vor sich haben. Wieder ein anderes Mal habe ihn eine Dame bei sich zu Hause eingeladen, weil er keinen Platz mehr im Hotel bekommen habe.

Apropos Unterkünfte. Nicht immer ist es ihm leichtgefallen, trotz sorgfältiger Planung ein Dach über dem Kopf zu bekommen, das in der Nähe seiner Wanderetappen von täglich rund 30 Kilometern am Weg gelegen hat. Das hatte nicht nur mit der Tatsache zu tun, dass Joseph Deiss nicht immer gerade in der Feriensaison unterwegs war. «Es ist erschreckend zu sehen, wie sich Frankreich auf dem Land entvölkert hat, weil alle nur noch in die grossen Stadtzentren strömen.»

Von Freiburg nach Canterbury

Interessant ist diesbezüglich an seinem Bericht über seine 33 Reiseetappen von Freiburg nach Canterbury, wie er etwa den täglichen Verkehr der Tausenden von Pendlern aus Frankreich in die Schweiz erlebt – und dabei auf Märschen als Pilger entlang von Strassen hin und wieder mangels anderer Wege vollgespritzt wird. Oder in der morgendlichen Dunkelheit besonders aufpassen muss, dass er von den vielen Autos auch als Fussgänger wahrgenommen wird.

Auf seinen letzten Etappen vor Canterbury hat er schliesslich noch Umwege in Kauf nehmen müssen, weil die Fähren von Calais nach Dover keine Fussgänger befördern – und er dann auf die Route von Dieppe nach Newhaven ausweichen musste. Und dann ist da noch die unerwartete Covid-19-Epidemie, die gerade den Norden Frankreichs besonders stark heimsuchte. Ganz zu schweigen von den bürokratischen Einreisehürden nach Grossbritannien in Sachen Pandemie.

«Ich hätte nie gedacht, dass im 21. Jahrhundert ein unsichtbares Virus mich aufhalten würde, als ich Nordeuropa und Südengland erreiche, die beiden Gebiete, die von den früheren Seuchen der Pest am meisten heimgesucht wurden», räumt Deiss ein. Die Pilger seien schon im Mittelalter besonders betroffen gewesen, da sie gleichzeitig Opfer und Vermittler der Ansteckung sein können.

Die Sache mit den Blasen

Aber auch über die ganz existenziell-persönlichen Dinge des Wandererdaseins können die Leserinnen und Leser in dem höchst facettenreichen Buch des früheren Bundesrats Interessantes erfahren. Stichwort: Blasen. «Es ist wie beim Schnarchen, es gibt kein Wundermittel», verrät Joseph Deiss. Und dennoch hat er als Wanderer eine klare Strategie entwickelt. O-Ton Deiss: «Nach unzähligen Versuchen mit allen möglichen Rezepten ist meine Lösung relativ einfach: gute Schuhe, die bequem an die Form der Füsse angepasst sind, Socken aus reiner Baumwolle, da die natürliche Faser weniger erhitzt als synthetische Stoffe, vorbeugende Pflaster auf den Zehen, Fersen und Wurzelknochen, um direkte Reibung zu vermeiden, und schliesslich eine gute Portion Talkum in den Socken, wie für die zarte Baby-Haut. Bei warmem Wetter muss man die Schuhe während jeder Pause ausziehen, normalerweise jede Stunde, um die Temperatur in den Wanderstiefeln zu senken. Versuchen Sie es.»

Wie eine erlesene Speisekarte

Auch liest sich sein Buch, das seine beschwerlichen Fussmärsche auf der Route von Besançon, Reims und Arras beschreibt, teilweise wie eine erlesene Speisekarte von Frankreich. Denn wer lange wandert und oft acht bis zehn Stunden pro Tag an der frischen Luft unterwegs ist, hat am Abend einen gesunden Hunger.

Was könnte einem da besser schmecken als die legendäre französische Küche. Selten bekam er dabei so reichlich leckere Sachen aufgetischt wie etwa beim Abendessen in Dijon: «Oeufs meurette, Kalbsleber, Käse, Wein aus Auxey-Duresses und Gevrey-Chambertin. Käse: Cancoillotte à l’ail (Weichkäse-Spezialität der Haute-Saône), Crémeux von Burgund, Epoisses, Langres und Comté. Einkauf: Nonnettes de Dijon und Senf mit Chablis von Maille.»

«Jenseits bleibt stumm»

Doch abseits aller körperlichen Welten: Wie sieht es am Ende mit der Gotteserfahrung aus, die Joseph Deiss während seiner langen Fussreise erspürt hat? Der Freiburger Pilger zeigt sich skeptisch.

«Ich finde mich damit ab, dass das Jenseits stumm bleibt», bringt Deiss es in seinem Buch auf den Punkt. Man könne den Glauben nur akzeptieren. «Glauben ist etwas anderes als Wissen. Man kann Gott ja nicht begegnen und sagen, ich habe ihn gesehen.» Und trotzdem könne er nach seiner Pilgerwanderung, bei der er sehr viel Zeit gehabt habe, über vieles nachzudenken, nun besser verstehen, was es heisst, zu glauben. 

Unterm Strich fasziniert Joseph Deiss am Fernwandern vor allem «die Chance, sich aus dem gewöhnlichen Berufs- und Privatleben zu befreien und nur mit den alltäglichen Anforderungen des Überlebens konfrontiert zu sein». Keine Spur von Dolce vita!

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema