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«Ich werde traurig sein»

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Nächsten Freitag eröffnet Sally De Kunst das dreissigste Internationale Bollwerkfestival Freiburg, das sechste und letzte unter ihrer Leitung. Im Interview mit den FN sagt die 39-jährige Belgierin, warum sie Freiburg vermissen wird und was sie dem Festival und sich selbst für die Zukunft wünscht.

 

 Sally De Kunst, das Belluard Bollwerk International feiert sein 30-jähriges Bestehen mit dem Slogan «30 Jahre … na und?» Haben Sie etwas gegen runde Geburtstage?

Nein, im Gegenteil: Wir beschäftigen uns seit zwei Jahren mit unserem 30-Jahr-Jubiläum, und es ist unglaublich, dass es das Festival schon so lange gibt. Trotzdem war für uns klar, dass das Jubiläumsprogramm keine Retrospektive sein sollte. Das Bollwerkfestival ist ein Festival der Gegenwartskunst, es war immer am Puls der Zeit. Darum wollten wir auch zum 30. Geburtstag lieber vorausschauen–und dabei trotzdem der gerechtfertigten Nostalgie jener Rechnung tragen, die von Anfang an dabei waren.

 

 Der Gedanke findet sich auch im diesjährigen Wettbewerbsthema «Future Nostalgia».

Das Thema ist inspiriert von dem Buch «The Future of Nostalgia» der slowenischen Autorin und Philosophin Svetlana Boym. Sie unterscheidet zwischen einer verklärten, rückwärtsgewandten Nostalgie undeiner progressiven Nostalgie, die aus der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit etwas Neues entwickelt. Diese zweite Form der Nostalgie ist es, die uns interessiert.

 

 … und die anscheinend einen Nerv trifft, wie die Reaktionen auf die Wettbewerbsausschreibung zeigten.

Ja, es sind 670 Bewerbungen eingegangen, doppelt so vielewie im letzten Jahr. Das The ma scheint viele Künstlerinnenund Künstler anzusprechen. Das liegt einerseits daran, dass wir es bewusst offen formuliert haben. So tauchen Ideen auf, auf die wir selber nie gekommen wären, und wir entdecken Künstler, die wir sonst nie gefunden hätten. Andererseits ist das Thema allgemein sehraktuell: Nicht nur in derKunst, sondern in allen Lebensbereichen ist die Unsicherheit gross.Es ist schwer geworden, in die Zukunft zu schauen und Pläne zu machen. Und gerade darum beschäftigt die Zukunft so viele Menschen.

 

 Auch Ihre eigene Zukunft ist ungewiss, da Ihr Mandat beim Belluard abläuft. Leiden Sie unter Nostalgie oder Zukunftsängsten?

Während der Vorbereitung des Festivals habe ich Züge von «Future Nostalgia» an mir festgestellt. Ich habe oft gedacht, dieses oder jenes habe ich jetzt zum letzten Mal gemacht. Jetzt, kurz vor dem Start, ist so viel los, dass für solche Gedanken wenig Zeit bleibt. Ich freue mich auf mein letztes Belluard, aber ich weiss, dass ich am letzten Abend traurig sein werde. Es war eine sehr schöne und intensive Zeit, und ich habe mir in Freiburg vieles aufgebaut, das ich vermissen werde.

 

 Was wird Ihnen am meisten fehlen?

Die Freiburger, die ich als sehr gastfreundlich, nett und humorvoll erlebt habe. Und einiges hat mich an meine belgische Heimat erinnert, zum Beispiel die zwei Sprachkulturen, aber auch die Vorliebe für gutes Essen und ausgedehnte Apéros. Freiburg ist mein Zuhause geworden, und es wird wehtun, es zu verlassen.

Wissen Sie schon, wohin es Sie ziehen wird?

Meine berufliche Zukunft ist noch offen; das ist spannend und beängstigend zugleich. Ich bin noch bis Ende August beim Belluard und werde während eines Monats mit meinem Nachfolger Cis Bierinckxzusammenarbeiten. Danachwerde ich Ferien machen und dann schauen, was sich beruflich ergibt. Ich hoffe, etwas zu finden, wo ich, ähnlich wie beim Belluard, in einem kleinen Team mit vielen menschlichen Kontakten arbeiten kann. Das könnte wieder ein Festival sein, aber auch etwas ganz anderes.

Woran erinnern Sie sich besonders gern, wenn Sie an Ihre sechs Belluard-Ausgaben zurückdenken?

Es ist schwierig, einzelne Projekte herauszupicken. Ich habe unzählige magische Momente erlebt. Eine besondere Erinnerung ist der Eröffnungsabend meines ersten Festivals 2008, mit dem Wiener Gemüseorchester. Das Bollwerk war bis auf den letzten Platz besetzt, und mir kam alles fast unwirklich vor. Was wir während eines Jahres vorbereitet hatten, fand jetzt wirklich statt!

 

 Wie hat sich das Festival unter Ihrer Leitung entwickelt?

Im Kern ist das Belluard das gleiche geblieben: ein Festival mit Herz, das als kleines unter den grossen international anerkannt ist. Dennoch hat sich einiges entwickelt. So glaube ich, dass es mir gelungen ist, dem elitären Ruf des Festivals entgegenzuwirken und es näher an die lokale Bevölkerung zu bringen. Dazu hat zum Beispiel die offene Festivalküche «Kitchain» beigetragen, aber auch gratis zugängliche Projekte im öffentlichen Raum. Auch haben wir das Belluard gezielt als zwei- und mehrsprachiges Festival vermarktet; auch das hat dazu beigetragen, das Publikum zu erneuern. 2011 hat eine Umfrage gezeigt, dass 62 Prozent unseres Publikums 20 bis 39 Jahre alt sind, 70 Prozent aus dem Raum Grossfreiburg kommen, 55 Prozent französischer und 28 Prozent deutscher Muttersprache sind. Das sind erfreuliche Resultate.

 

 Auf die Nähe zum Publikum haben Sie von Anfang an Wert gelegt …

Ja, und die Projekte, bei denen man das spürt, zählen zu meinen liebsten! Ich schätze nicht nur den Kontakt zur Bevölkerung, sondern auch zu Behörden, Polizei und anderen Akteuren. Wir erhalten von allen Seiten unglaublich viel Unterstützung, auch für verrückte Ideen. Ich denke etwa an «The Digging Project» 2011, für das wir im St.-Theres-Park ein grosses Loch graben wollten: konzeptuell ein sehr einfaches Projekt, aber organisatorisch eines der schwierigsten überhaupt! Involviert waren die Behörden von Stadt und Kanton, aber auch die Polizei, Ingenieure und Archäologen.

 

 Hat sich das Festival in den letzten Jahren auch organisatorisch verändert?

Wir sind professioneller geworden und arbeiten jetzt mit einem fest angestellten Kernteam. Die Erfahrung dieser Leute sorgt für Stabilität und für die solide Basis, auf der man kreativ sein kann. Das ist Gold wert und wird auch der neuen Festivalleitung den Einstieg erleichtern.

 

 Und wie hat sich das Budget entwickelt?

Das Budget ist in meiner Zeit von etwa 900 000 Franken auf gut eine Million Franken gestiegen, vor allem durch Mehreinnahmen bei Sponsoren und Stiftungen. Der Anteil öffentlicher Subventionen ist dadurch von 58 auf unter 50 Prozent gesunken. Das bedeutet, dass weniger als die Hälfte des Budgets gesichert ist. So ist es schwierig, langfristig zu planen.

 

 Damit sind wir wieder beim Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie dem Belluard Bollwerk International für die Zeit nach Ihrem Weggang?

Das Belluard ist wie mein Adoptivkind; ich habe viel Arbeit und Herzblut in das Festival gesteckt. Darum wünsche ich mir, dass es die Offenheit behält, die es auszeichnet und die ich in meinen Jahren hier weiterentwickelt habe. Und ich hoffe, dass es weiterhin auf Qualität achtet: Denn in Zeiten, in denen alles immer grösser werden soll, ist es nichteinfach, klein und fein zu bleiben.

Programm 2013: Stalin-Kult, Machtspiele und ein Jubiläumsbuch der anderen Art

R und 20 Projekte aus allen Sparten der Gegenwartskunst bietet das Belluard Bollwerk International vom 28. Juni bis zum 6. Juli. Darunter befinden sich acht Eigenproduktionen und vier Schweizer Erstaufführungen. Fünf Projekte wurden aus den 670 Eingaben zum Thema «Future Nostalgia» ausgewählt.

Über das Wettbewerbsthema hinaus sieht Sally De Kunst einen roten Faden, der alle Beiträge vereint: «Alle ausgewählten Künstlerinnen und Künstler sind Menschen, die sich wichtige Fragen stellen: Fragen, die nachhallen und über die weiter diskutiert werden muss.» Sie denkt dabei zum Beispiel an Christoph Wachter und Mathias Jud, die Menschen eine Stimme geben, die keinen Zugang zu den modernen Kommunikationsmitteln haben. An Nadia Tsulukidze, die sich mit dem paradoxen Stalin-Kult in ihrer georgischen Heimat auseinandersetzt. Oder an Ntando Cele, die humorvoll ihre Erfahrungen als schwarze Südafrikanerin im weissen Europa reflektiert.

Besonders am Herzen liegt der scheidenden Festivalleiterin auch das Projekt «Holiday on Stage» des Freiburgers Martin Schick und des Serben Damir Todorovic. Die Recherche über Macht, Politik und Cyber-Feudalismus ist eine typische Belluard-Geschichte: nicht nur formal und inhaltlich, sondern auch, weil sich die beiden Künstler erst 2012 am Festival kennengelernt haben.

Schliesslich darf auch ein Jubiläumsprojekt zum 30-jährigen Bestehen nicht fehlen: Die Freiburger Martin Schick und François Gremaud haben dafür aus einzelnen Buchseiten ein Jubiläumsbuch gestaltet. Dabei handelt es sich um Seiten aus den Lieblingsbüchern von rund 300 Personen, die seit 1983 als Künstler oder Mitarbeiter mit dem Belluard zu tun hatten. Das Resultat ist während der ganzen Festivaldauer im Arsen’Alt beim Bollwerk zu entdecken und steht auch zum Verkauf. cs

Alle Details unter: www.belluard.ch.

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