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Im Reich der Angst

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Sechs Filme aus dem Iran zeigen am diesjährigen Filmfestival Freiburg ein Land zwischen Propaganda, Staatsterror und Protest. Und ein fesselndes Kino, das im Dickicht zwischen Tradition und Moderne immer wieder ganz eigene Wege findet.

Es brennt im Iran – mal wieder. Wie schon so oft seit der Islamischen Revolution von 1979 geht die Bevölkerung für ein freieres Leben auf die Strasse. Ein Protest, der zu einer traurigen Konstante geworden ist in einem Land, dessen Regierung den Stillstand zum Programm erklärt. Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 hat sich die Protestbewegung erneut aufgebäumt und erfährt auch im Westen ein mediales Echo. Das Mullah-Regime beantwortet die Rufe nach Frauenrechten, Freiheit und Demokratie mit Angst, Gewalt, Folter, Schauprozessen und Hinrichtungen. Und es hüllt den Alltag in einen fast undurchdringlichen Nebel aus Propaganda und Desinformation.

Angst verhindert Iran-Sektion

«Es beeindruckt mich, dass unter derart schwierigen Umständen trotzdem eine unglaubliche Zahl an starken Filmen von iranischen Regisseurinnen und Regisseuren zu uns durchdringt», sagt Thierry Jobin, Programmdirektor des Filmfestivals Freiburg (Fiff). An der diesjährigen Ausgabe des Festivals, die am Freitag beginnt, spielt der Iran denn auch eine zentrale Rolle, obwohl ihm keine eigene Programmsektion gewidmet ist. «Eigentlich wollten wir unsere Sektion Diaspora, in der exilierte Filmschaffende im Fokus stehen, dem Iran widmen», erklärt Jobin. «Aber es war unmöglich. Aus Angst vor Konsequenzen für die Familie im Iran wollte niemand mitmachen. Trotz grosser künstlerischer Energie lähmt die Angst vor Repressionen auch den Kultursektor.» Dennoch hat es das Land über andere Sektionen ins Fiff-Programm geschafft: Insgesamt sind sechs iranische Filme zu sehen, vier davon gehen ins Rennen um die Preise.

Persische Poesie und Protest

Eine enge Verbindung zum iranischen Kino hat das Fiff seit Jahren. 2014 präsentierte das Festival beispielsweise eine Retrospektive zur iranischen Filmgeschichte, die von iranischen Regisseurinnen und Regisseuren zusammengestellt wurde. «Damals haben wir den Iran als Filmland ganz neu kennengelernt», sagt Jobin. Die Filme schöpften aus einer langen Tradition des bildhaften Erzählens in der persischen Poesie und behandelten zugleich gegenwärtige Entwicklungen.

Das aktuelle iranische Kino präsentiert uns Momentaufnahmen einer Nation im Umbruch. Es ist Live-Kino, das mitreisst, schockiert und berührt.

Thierry Jobin
Programmdirektor Fiff

Beispielhaft für diese bedrückende Aktualität ist der Film «Split Ends», der im Kurzfilmwettbewerb vertreten ist: Regisseur Alireza Kazemipour verdichtet in einer vermeintlich kleinen Alltagsepisode die ganze Macht der Behördenwillkür, der staatlichen Überwachung und des Aufeinanderprallens von westlicher Lebensführung und ultrakonservativer Religiosität. Mit subtilem Humor setzt sich der Film über Regeln und Verbote der Mullahs hinweg – ein filmischer Akt des Protests. «Solche Filme werden fern von staatlichen Filminstituten gedreht und geraten auf den Radar der Zensur», sagt Jobin.  

Ein filmischer Akt des Protests: Der Kurzfilm «Split Ends».
zvg

Der kindliche Blick

Andere iranische Filme aus dem Programm gebärden sich weniger revolutionär und greifen stattdessen auf den Kinderfilm als filmisches Vehikel zurück – eine Strategie, die im iranischen Kino eine lange Tradition hat. So wurde ab den 1960er-Jahren zum Beispiel das Filmzentrum der Kinder- und Jugendorganisation Kanun-e Parvaresh in Teheran zu einer Keimzelle der iranischen Nouvelle Vague. Dort machten spätere Regieikonen wie Abbas Kiarostami oder Majid Majidi erste Gehversuche und gewannen mit Kinderfilmen internationale Preise. Der Blick durch Kinderaugen wurde zu einem Motiv im iranischen Kino, das am Fiff in seinen neusten Variationen zu sehen ist. Wie ausdrucksstark Kinderdarsteller in thematisch herausfordernden Filmen sein können, zeigt etwa «Numb». Der Wettbewerbsfilm reflektiert die Spannungen in der iranischen Gesellschaft anhand einer unschuldigen Liebesgeschichte in einem Kindergarten, den Mädchen und Jungen im Iran noch zusammen besuchen. Die Kinderwelt wird zum utopischen Gegenentwurf zum streng kontrollierten Alltag – bis die Probleme der Erwachsenen auch dieses Refugium zerstören. Ruppiger und gleichwohl leichtfüssig präsentiert sich der Film «Singo», der im Familienprogramm des Fiff läuft. Mit der Protagonistin Shafa präsentiert er eine starke Mädchenfigur, die gegen die Regeln ihrer Familie und Gesellschaft aufbegehrt. Die Parallelen zu mutigen Frauen der aktuellen Protestbewegung liegen dabei auf der Hand.

Durch die Augen der nächsten Generation gefilmt: «Numb».
zvg

Der Film im Film

Der Wettbewerbsfilm «Winners» wiederum verbindet die Kinderperspektive mit einer anderen Konstanten des iranischen Kinos: der Beschäftigung des Films mit seinem eigenen Medium. Im Film des iranisch-schottischen Regisseurs Hassan Nazer finden zwei Kinder den Oscar, den der iranische Regisseur Asghar Farhadi 2017 für «The Salesman» gewonnen hat. Auf einer Odyssee durch den ländlichen Iran versuchen sie, das Goldmännchen seinem Besitzer zurückzubringen. «Der Film thematisiert auf subtile, witzige Weise das Problem, dass iranische Regisseure, die im Westen Preise gewinnen, sich gegen die Vereinnahmung durch die Staatspropaganda wehren müssen», erklärt Jobin. Bereits Filmemacher wie Mohsen Makhmalbaf vermischten Elemente des Spielfilms mit Versatzstücken des Realen und reflektierten auf kreative Weise die Entstehung ihrer eigenen Filme mit. Es entstand ein Kino, das sich mit dem Verhältnis von Realität und Fiktion beschäftigt. «Im Iran muss sich die Bevölkerung seit Jahrzehnten jeden Tag die Frage stellen, ob das, was sie in den Medien sieht, wirklich die Realität ist oder blosse Propaganda», sagt Jobin. «Dass sich eine selbstreflexive Form des Kinos gerade dort entwickelt, hat mit diesem Umstand zu tun.»

Intensives Meta-Kino über die Banalität des Bösen: «World War III».
zvg

Auf die Spitze treibt dieses Prinzip der stärkste iranische Film im Wettbewerb: «World War III», in dem sich ein Bauarbeiter plötzlich auf einem Filmset wiederfindet. Gedreht wird ein Film über die Konzentrationslager der Nazis. Der unter anderem in Venedig ausgezeichnete Streifen ist eine düstere Parabel über die Banalität des Bösen und definitiv nichts für schwache Nerven. 

Wir suchen jedes Jahr nach Filmen für unser Programm, die so intensiv sind, dass die Leute noch Jahre später darüber sprechen.

Thierry Jobin
Programmdirektor Fiff

Mit iranischen Beiträgen wie «World War III» wird dieses Ziel mehr als erreicht.

Programm

Zwischen Kulinarik, Entdeckungsreisen und 4DX-Action

Von moldauischen Kurzfilmen bis zu «John Wick 4»: Im Menü des diesjährigen Filmfestivals Freiburg (Fiff) ist für alle etwas dabei. Das Fiff zeigt ab Freitag eine Woche lang 99 Filme aus 52 Ländern. Mit dabei: drei Weltpremieren und 55 Schweizer Premieren. Im Wettbewerb kämpfen zwölf Lang- und 15 Kurzfilme um Preise. Die Nebensektionen bedienen fast alle Geschmäcker: Die Sektion Genrekino zeigt Filme zum Thema Kulinarik – dem Motto der diesjährigen Ausgabe. Die Sektion Entschlüsselt verändert mit Dokus zum Thema Sexismus und (Post-)Kolonialismus unseren Blick auf Geschichte und Gegenwart. Eine Entdeckungsreise erlauben die Filme der Sektion Neues Territorium, die sich dem aktuellen Filmschaffen in der Republik Moldau widmet. Als Stargast präsentiert der deutsch-türkische Regisseur Fatih Akin («Gegen die Wand», «Soul Kitchen», «Tschick») eine Auswahl seiner Lieblingsfilme von Krzysztof Kieślowski bis Bruce Lee. In den Mitternachtsvorführungen geht es hart und kompromisslos zu: Da prügelt sich John Wick durch Gegnerhorden, und südkoreanische Blockbuster rauschen in 4DX am Zuschauer vorbei. lr

Thierry Jobin.
Archivbild Charles Ellena

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