Matt D’Agostini kommt betont lässig daher. Der Kanadier könnte einer dieser 90er-Teenieserien à la Beverly Hills 90210 entspringen. Breitbeinig und unübersehbar Kaugummi kauend betritt er auch gestern bei der Topskorer-Ehrung in Bern die Bühne. Die Veranstaltung ist eine Art Mottoparty, bei der der Begriff «Marken» im Vordergrund steht. Für jeden der zwölf geehrten Spieler wurde das Logo einer bekannten Firma abgewandelt. Bei D’Agostini ist es dasjenige von Harley Davidson. «Das ist bisher das coolste von allen», sagt er, die Kaufrequenz noch einmal erhöhend. «Kriege ich jetzt ein Motorrad?» Als Moderator Jan Billeter daraufhin antwortet, dass ihm Trainer Chris McSorley vielleicht eines kaufe, wenn Servette Meister werde, lacht der Stürmer. «Oder er schenkt mir seines. Leider denke ich, dass weder das eine noch das andere eintreffen wird.»
Es ist ein Gag. Und doch steckt auch ein Fünkchen Wahrheit in der Aussage. Denn D’Agostini scheint für McSorleys Geschmack manchmal etwas gar lässig zu sein. Das war bereits zu Beginn der letzten Saison der Fall, als der Stürmer mit der Erfahrung von 328 NHL-Spielen neu bei Genf war. Nach neun Spielen hatte der 29-Jährige bloss drei Skorerpunkte auf seinem Konto. Er habe ihn aus seiner Komfortzone holen müssen, sagte McSorley letzte Saison, wie so viele Spieler aus Nordamerika habe D’Agostini das Niveau in der Schweiz völlig unterschätzt. Anschliessend spielte der Kanadier stark, beendete die vergangene Spielzeit ebenso als Topskorer wie die diesjährige. Die uneingeschränkte Liebe McSorleys hat er sich damit jedoch noch nicht gesichert. Letztes Wochenende liess McSorley D’Agostini in den beiden Spielen gegen Freiburg und Lausanne auf der Tribüne. Er war nicht zufrieden mit der Leistung, die sein Topskorer im Spiel zuvor in Bern abgeliefert hatte. Trotz dieser Denkpause ist davon auszugehen, dass der schnelle Flügelstürmer, der in 46 Spielen 20 Tore geschossen und 20 vorbereitet hat, ab Donnerstag den Freiburger Verteidigern Kopfzerbrechen bereiten wird.
Sie sind Topskorer Ihres Teams, heisst das auch, dass Sie mit Ihrer Saison zufrieden sind?
Zunächst einmal ist klar, dass es eine Ehre ist, Genf hier zu vertreten und zu den besten Skorern zu gehören. Aber natürlich ist man nicht automatisch mit seiner Saison zufrieden, nur weil man Topskorer ist. Es gibt viele andere wichtige Bereiche, und man kann sich immer verbessern. Ob ich mit meiner Saison zufrieden bin oder nicht, werde ich aber ohnehin erst nach den Playoffs sagen können. Denn nun beginnt die wirklich wichtige Phase, nun musst du gut spielen, sonst war alles für nichts.
Letztes Wochenende haben Sie nicht gespielt. Was waren die Gründe dafür?
Wer weiss, vielleicht tut ja so eine Pause vor den Playoffs gut. Klar ist, dass das vorkommen kann, wir haben fünf Ausländer, da kann nicht immer jeder spielen. Dieser Konkurrenzkampf unter den Ausländern ist unter dem Strich eine positive Sache. Das bringt uns alle dazu, hart zu arbeiten und macht jeden Einzelnen von uns stärker.
Letztes Jahr waren Sie in den Playoffs mit sieben Toren in zwölf Spielen einer der dominanten Spieler Ihres Teams. Mögen Sie das Playoff-Eishockey?
Ja, ich mag den Moment, wenn du aufstehen und dein Spiel auf das nächste Level heben musst. Es ist die Zeit, in der du für deine Arbeit die Ernte einholen kannst, in der du aufblühen musst, um zu beweisen, dass du dein Geld wert bist. Ich mag es, wenn viel auf dem Spiel steht, und hoffe, dass es mir auch dieses Jahr gelingt, exakt zu diesem Zeitpunkt das Beste aus mir herauszuholen.
Was erwarten Sie für eine Serie gegen Freiburg?
Ich erwarte einen harten Kampf. Gottéron hat ein toughes Team. Wie wir teilt Freiburg gerne Checks aus und mag das physische Spiel. Es ist ein Derby und wird sehr intensiv. Ich freue mich darauf, ein Teil davon zu sein.
Gottéron liegt den Genfern. Die letzten vier Spiele hat Servette gegen Freiburg allesamt gewonnen.
Ja, wir haben in dieser Saison gut gegen Freiburg gespielt, fanden immer einen Weg zum Sieg, auch weil wir in den entscheidenden Situationen immer auf einen guten Torhüter zählen konnten. Es liegt an uns, diese Serie weiter auszubauen.
Sie haben die Saison auf Rang drei abgeschlossen und besitzen den Heimvorteil. Damit starten Sie definitiv als Favorit in die Serie. Verspüren Sie dadurch einen gewissen Druck?
In erster Linie ist es gut, zu Hause anfangen zu dürfen. Ich glaube nicht, dass nun besonders viel Druck auf uns lastet. Die Liga ist so ausgeglichen, dass Playoff-Serien immer harte Schlachten sind. Das gilt erst recht für ein Derby. In dieser Serie gibt es keinen Favoriten.
Welches werden für Genf die Schlüssel zum Erfolg sein?
Der Torhüter. Robert Mayer hat in dieser Saison schon so oft den Unterschied für uns ausgemacht, das ist unglaublich. Natürlich werden wir versuchen, Freiburg möglichst wenige Torchancen zuzugestehen, aber wenn unser Gegner doch zu Möglichkeiten kommt, wissen wir, dass wir immer noch Mayer haben. Das ist wichtig, weil es Sicherheit und Selbstvertrauen verleiht. Er kann für uns die Serie gewinnen und hoffentlich sogar die Meisterschaft.
Ist Genf stark genug, um den Titel zu gewinnen?
Auf jeden Fall. Wir haben eine Mannschaft, um weit zu kommen, und werden das ab Donnerstag beweisen.
Kennen Sie Freiburgs Topskorer Julien Sprunger?
Nicht persönlich, aber selbstverständlich als Eishockey-Spieler. Er hat einen tollen Schuss und ist einer dieser Spieler, auf die du in deiner Zone immer aufpassen musst. Der sich herumschlängelt, eine Lücke findet und dir jederzeit den Puck ins Netz schiessen kann.
Es ist Ihre zweite Saison in der Schweiz. Wie gefällt es Ihnen?
Sportlich habe ich mich mittlerweile gut eingelebt. Zu Beginn war ich ehrlich gesagt sehr überrascht; ich hätte nicht gedacht, dass in der Schweizer Liga so physisch, schnell und mit hoher Intensität gespielt wird. Und neben dem Eis gefällt es mir ohnehin sehr gut. Genf ist eine wunderbare Stadt, in der sich meine Familie und ich sehr wohl fühlen. Und dann noch gleichzeitig in einem Team zu spielen, das oft gewinnt: Was willst du als Profisportler noch mehr?!
Gottéron: Einmal mehr ein Schweizer Topskorer
B ei den meisten Teams sind ausländische Spieler Topskorer. Mit Inti Pestoni (Ambri), Gaëtan Haas (Biel) und Gottérons Julien Sprunger waren unter den zwölf Geehrten gestern in Bern bloss drei Schweizer. Hinzu kam mit Robert Nilsson (ZSC Lions) ein Spieler, der über eine Schweizer Lizenz verfügt und damit das Ausländerkontingent nicht belastet. Bei Freiburg hat es indes schon Tradition, dass ein Schweizer das Trikot des Topskorers trägt. In den letzten sechs Jahren war das fünfmal der Fall. Einmal war es Andrei Bykow (12/13), einmal Benjamin Plüss (13/14) und dreimal Sprunger (10/11, 11/12 und 15/16). Unterbrochen wurde die Schweizer Dominanz einzig letzte Saison durch Marc-Antoine Pouliot. In dieser Saison schoss Sprunger 25 Tore und gab 11 Assists. Für die 36 Punkte wurde ihm bei der gestrigen Ehrung ein Scheck über 7200 Franken überreicht, die Gottérons Nachwuchsbewegung zugutekommen.
Julien Sprunger, wie sind Sie mit Ihrer Saison zufrieden?
Punktemässig hatte ich schon bessere Saisons. Ich habe sehr viele Tore geschossen, bei den Assists haperte es jedoch ein wenig. Insgesamt habe ich jedoch das Gefühl, dass es eine meiner komplettesten Saisons war.
Wie kommt es, dass in Freiburg fast immer ein Schweizer Topskorer ist?
In dieser Saison war es so, dass mit Mauldin und Pouliot zwei ausländische Stürmer aus Verletzungsgründen sehr viele Spiele verpasst haben. Aber es ist sicher so, dass in Freiburg seit Jahren Schweizer Spieler in der Offensive die Zugpferde sind. Das hat mit der Zusammensetzung der Mannschaft zu tun. Es ist eine Ehre für uns Schweizer Spieler, dass wir so viel Verantwortung übernehmen können.
Sie haben in dieser Saison Benjamin Plüss als Captain abgelöst. Hat sich für Sie dadurch etwas geändert?
Ich habe versucht, auf dem Eis noch mehr ein Vorbild zu sein, immer hundert Prozent zu geben. Ich habe mich noch mehr darauf fokussiert als früher. In früheren Saisons habe ich mich in erster Linie darauf konzentriert, zu skoren. Jetzt aber fühle ich mich in allen Bereichen nützlich, auf dem Eis und selbstverständlich auch in der Kabine. Ich bin das Bindeglied zwischen Team und Coach, aber auch zwischen Team und sportlicher Führung. Ich finde es positiv, dass ich Sportdirektor Christian Dubé gut kenne. So konnten wir immer ehrlich und offen miteinander reden.
Das Topskorer-Dress werden Sie nun auch in der Viertelfinal-Serie gegen Genf tragen. Bereits von weitem als bester Skorer erkennbar zu sein dürfte gegen ein hart spielendes Team wie Genf nicht immer ein Segen sein …
Das ändert nicht viel. Okay, vielleicht sieht man mich in Gelb ein bisschen besser, aber Genf spielt gegen alle Spieler hart. Wir wissen, was uns erwartet, es hat sich in den letzten Jahren ja nichts geändert, das Spiel ist dasselbe, und an der Bande steht immer noch Chris McSorley. Aber wir sind bereit, das haben wir letzten Samstag gegen Bern gezeigt. Wir sind mittlerweile besser gerüstet als in der Vergangenheit, mit Rivera, Fritsche oder Neukom haben wir Spieler, die definitiv dagegenhalten.
Wie sieht es bei Ihnen und Andrei Bykow aus, dem wichtigsten Sturmduo Freiburgs, haben Sie ebenfalls gelernt, besser mit Härte umzugehen?
Wir haben mittlerweile viel Erfahrung und wissen genau, was uns erwartet. Wir haben mit den Jahren ebenfalls gelernt, Checks einzustecken und Provokationen zu ignorieren. Ich bin also optimistisch. fm