Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Ist der Weg zum kurzen Asylverfahren nun gefunden?

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Urs Schwaller, Ursula Schneider Schüttel: Sind Sie schon persönlich in Kontakt mit Asylbewerbern gekommen?

Schneider Schüttel: Während und kurz nach der Studienzeit bin ich häufig an Flüchtlingsessen gegangen. Ich war damals bei Amnesty International aktiv und bin mit unterschiedlichsten Flüchtlingen zusammengekommen. Damals kamen viele Tamilen von Sri Lanka nach Bern, wo ich studierte, und als junge Frau ist man oft von ihnen angesprochen worden.

Schwaller: Zwischen 1983 und Anfang 1986 war ich Dienstchef im kantonalen Polizeidepartement. Ich war bei der ersten grösseren Flüchtlingswelle hautnah dabei, als wir die ersten Asylbewerber in einer Konferenz unter den Kantonen aufteilten. Ich hatte zu tun mit Rückschaffungen und all den Problemen im Zusammenhang mit der Polizei.

Von der Schweizer Bevölkerung sind weniger als ein Prozent Asylbewerber. Weshalb ist das Asylgesetz dennoch wichtig?

Schwaller:Wir sind ein Land mit einer langen humanitären Tradition und einer langen Tradition im Asylbereich. Gegen das ist auch nichts einzuwenden. Das Problem ist: Wir haben eine viel zu lange Verfahrensdauer von 1200 bis 1300 Tagen. Wir haben grosse Unterbringungsprobleme und wir haben Probleme, einmal getroffene Entscheide auszuführen. Die Asylgesuchsteller machen auf die gesamte Bevölkerung 0,6 Prozent aus, aber sieben Prozent in der Strafstatistik. Das Ziel dieser Revision ist: Wir wollen schnellere Verfahren, wir wollen dem Bund die Möglichkeit geben, Testläufe zu machen mit Bundeszentren, in denen ganze Verfahren abgewickelt werden, und etwas gegen renitente Asylbewerber tun.

Ist das Gesetz auch für Sie wichtig?

Schneider: Es ist insofern nicht so wichtig, als es nicht das bringt, was es verspricht. Dass man versucht, schnellere Verfahren zu erreichen, ist wohl in sämtlichen Kreisen unbestritten. Für mich ist es aber bestritten, dass man das mit dieser sogenannt dringlichen Gesetzesvorlage erreicht. Wenn ein Asylgesuchstellender ein, zwei oder drei Jahre auf einen Entscheid warten muss, so ist diese unsichere Situation für ihn eine Belastung. Die humanitäre Tradition ist das Kernelement, das man in der Asylgesetzgebung wiederfinden muss. Die in ihrem Heimatland Bedrohten sollten in der Schweiz einen sicheren Ort finden können und ein Verfahren erhalten, das den rechtsstaatlichen Grundsätzen Rechnung trägt. Mit den verkürzten Beschwerdefristen ist das nicht mehr gewährleistet.

Schwaller: Für mich ist es eine Revision der Vernunft. In einem Rechtsstaat müssen wir alles Interesse haben, schnell abgeschlossene Verfahren auch umzusetzen. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Dieses Gesetz löst nicht alle Probleme, aber es ist eine Vorbereitung auf die grosse Revision, die in zwei Jahren kommen soll: Mit grossen Zentren, in denen man gemäss einem holländischen Modell probiert, 60 bis 70 Prozent der Fälle zu erledigen.

Schneider: Probleme bereitet eine Minderheit der Asylsuchenden. Um sie strafrechtlich zu verfolgen, gibt es bereits Mittel. Daran ändern dringliche Massnahmen nichts. Wenn schon Bundeszentren, dann muss man diese Leute betreuen und beschäftigen, damit sie auf andere Gedanken kommen mit ihren teils traumatischen Erlebnissen.

Schwaller: Dass es heute nicht klappt mit den Kleinkriminellen, die sich an keine Regeln halten, ist doch der beste Beweis: Wir haben es nicht im Griff. Diese sorgen für die negativen Schlagzeilen.

Schneider: Aber wer macht die Schlagzeilen? Das wird politisch gefärbt.

Schwaller: Selbstverständlich. Aber wir können es ja auch nicht totschweigen. Deshalb muss man es bereinigen.

Schneider:Ja, aber die Relationen auch richtig aufzeigen.

Schwaller:Unabhängig von den Zahlen bin ich überzeugt, dass die Auffangzentren Vorteile bringen. Man hat einmal versucht, diese Leute möglichst weit wegzustecken, weil niemand sie wollte. Etwa auf den Jaunpass. Pro Tag und Person kostet das 320 Franken. Das kann es nicht sein.

Schneider: Aber diese Massnahmen bringen ja gar keine Beschleunigung. Es ist doch Sand in die Augen gestreut, wenn man sagt, die Testläufe führen zu schnelleren Verfahren. Wenn man statt einer 30-tägigen Beschwerdefrist nur noch zehn Tage gibt, hat das «keine Beschleunigung zur Folge. Das Verfahren dauert beim Bundesamt für Migration oder beim Bundesverwaltungsgericht zu lange. Deshalb störe ich mich daran, dass das Gesetz für dringlich erklärt wird.

Schwaller:Es braucht einen breiteren Blickwinkel: Wir wollen Verfahren unter 100 Tage halten. Da kann man nicht 30 Tage Beschwerdefrist geben.

Schneider:Es ist schwierig, diesen Personen alles in kurzer Zeit zu erklären, selbst mit Beiständen und Übersetzern in den Zentren. Die Asylsuchenden sind in einer Notsituation. Und dann sollte man in dieser kurzen Zeit noch eine gute Beschwerdeschrift schreiben …

Schwaller: Nochmals: Es ist eine Testphase. Wenn wir das nicht probieren, dann machen wir in zwei Jahren einen Blindflug. Bewährt es sich nicht, können wir wieder anders entscheiden. Geben wir uns doch diese Chance.

Das Gesetz ist bereits seit acht Monaten in Kraft. Reicht das nicht, um erste Erkenntnisse daraus zu ziehen?

Schwaller: Für ein Gebiet, das seit über 20 Jahren Probleme bereitet, sind acht Monate zu wenig. Die Bilanz können wir erst ziehen, wenn wir die Zentren haben, auch für Renitente. Aber das kommt bald.

Ursula Schneider Schüttel: Sie wollen auch ein beschleunigtes Verfahren, zweifeln aber, dass die Bundeszentren dazu führen. In welche Richtung sollte Ihrer Meinung nach ein Verfahren gehen?

Schneider:Vor allem sollte man nicht nur die Beschwerdefrist kürzen. Wenn man die Zentren hat, und sie nach dem holländischen Modell betreibt, habe ich nichts dagegen, solange die Leute eine gute Unterkunft erhalten. Keine Luxuslösung, aber auch nicht Container mit Stacheldraht oder Zaun drumherum. Das finde ich abschreckend. Wenn man sie aufnimmt, betreut und die Triage relativ schnell macht, bin ich einverstanden.

Es kommt also nur auf die Umsetzung an?

Schneider:Wie genau ein Zentrum funktionieren soll, ist im Gesetzestext nicht ersichtlich. Da sind viele Fragen offen. Aber zentral sind für mich andere Punkte, die gegen das Gesetz sprechen: die Änderung des Flüchtlingsbegriffs, die Abschaffung der Botschaftsgesuche. Da trifft man wirklich die Schwächsten. Mit dem Botschaftsverfahren konnte man einen ersten Entscheid vor Ort treffen. Man musste die Leute, falls keine Einreise erlaubt wurde, nicht wieder zurückschaffen. Mit der Möglichkeit eines Botschaftsgesuchs wird das Verfahren ja beschleunigt.

Geht es in diesem Punkt nicht darum, die Schweiz weniger attraktiv zu machen?

Schwaller:Wir bleiben ein attraktives Land. Das wird sich nicht ändern, also muss man bei der Verfahrensdauer ansetzen. Sicher lässt die Umsetzung Spielraum. Aber, Frau Schneider, haben Sie doch etwas Vertrauen in Ihre Bundesrätin und in das Bundesamt, dass die das richtig umsetzen!

Schneider: Das Vertrauen habe ich. Aber der politische Druck ist auch da. 

Schwaller: Wir sind seit 30 Jahren das einzige Land in Europa, das Botschaftsgesuche zulässt. Verletzten somit alle anderen Länder in Europa ein wesentliches Recht? Wichtig ist: Wenn jemand konkret an Leib und Leben bedroht ist, gibt es die Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Visums. Es gibt keinen Grund, einem kleinen Prozentsatz als Einzigen in Europa diese Möglichkeit anzubieten.
 
Sind Diplomaten die richtigen Personen, Asylgesuche entgegenzunehmen?
 
Schneider: Zum Entgegennehmen: ja. Das Wesentliche ist: So ein Gesuch können auch Frauen mit Kindern stellen, die sonst keine Chance haben, einigermassen vernünftig in die Schweiz kommen zu können, ohne dass sie sich in Schlepperhände begeben oder eine beschwerliche Reise auf sich nehmen müssen. 
 
Sollen diese Personen sich wirklich Schleppern ausliefern müssen?
 
Schwaller: Wir können beitragen, in den Ländern, in denen sich Probleme stellen, die Situation etwas zu verbessern. Mit Entwicklungshilfe, Rückkehrhilfen, Hilfe vor Ort. Das Problem mit den Schleppern bleibt weiterhin bestehen.
Schneider: Das Botschaftsgesuch bringt den Vorteil, dass man nicht Tausende von Leuten im Land hat, die man wieder zurückschaffen muss. Diesen Vorteil sollte man nicht einfach so aufgeben. Das läuft so gut. Wenn das andere europäische Länder nicht kennen, reicht das für mich nicht als Grund, darauf zu verzichten.
Schwaller: Wenn es so gut und effizient wäre, hätten wir das System nicht als einziges Land. Es ist ein Überbleibsel aus der Zeit des Eisernen Vorhangs.
Schneider: Für die Verfolgten hat sich nichts geändert. Die Problematik ist immer noch da. Wir haben heute andere Vorhänge.
 
Warum hebt das neue Gesetz die Militärdienstverweigerer separat hervor?
 
Schwaller: Militärdienstverweigerung als solche ist kein Asylgrund. Wenn zur Dienstverweigerung noch eine unmittelbare, ernsthafte Gefährdung von Leib und Leben bevorsteht, dann kann der Gesuchsteller einen Asylgrund geltend machen. Wir hatten immer um 1000 Gesuche von Militärdienstverweigerern. Dann entschied das Bundesverwaltungsgericht, Dienstverweigerung sei ein Asylgrund. Seither ist die Zahl der Gesuche von 1200 auf 6600 angewachsen.
 
Missbrauchen Dienstverweigerer unser Asylsystem?
 
Scheider: Bereits heute braucht es zur Verweigerung noch eine Gefährdung. Deshalb ist das wohl kein zentraler Punkt des neuen Gesetzes. Es braucht somit auch in diesem Punkt keine dringliche Änderung des Gesetzes.
Schwaller: Blicken wir doch über diese einzelnen Punkte hinaus: Ich wünsche mir nicht nur ein qualitativ gutes Verfahren, sondern eines, das die anerkannten Flüchtlinge dann auch integriert. Wir haben Flüchtlinge, die nicht eine Stunde in unserem Arbeitsprozess gewesen sind. Da muss man ansetzen, damit es keine Parallelgesellschaft gibt.
 
Stehen Sie zum Paket, weil es uns als Ganzes weiterbringt, oder befürworten Sie effektiv jeden einzelnen Punkt?
 
Schwaller: Ich stimme allen Punkten zu. Das Gesetz ist ein Zwischenziel. Hauptziel ist eine grundlegende Reform.
 
Und Sie, Ursula Schneider Schüttel: Sind Sie gegen jeden einzelnen Punkt des Entwurfs oder gegen das Gesamtpaket?
 
Schneider: Das Negative überwiegt, deshalb lehne ich das Gesamtpaket ab. Es hat aber gute Grundgedanken dahinter. Wesentlich ist mir, die humanitäre Tradition aufrechtzuerhalten, statt sie je länger je mehr einzudämmen. 
 
 

 

Vorlage: Ein Gesetz mit Verfallsdatum

In Kraft ist das zur Abstimmung kommende Asylgesetz seit dem 29. September 2012. Dass die 18. Revision des Gesetzes an die Urne gelangt, ist auf ein Referendum der jungen Grünen zurückzuführen. Sie befürchten eine Aushöhlung der Rechte für Asylsuchende. Grund für das neue Gesetz sind lange Verfahrensdauern und die Schwierigkeit, Unterkünfte zu finden. Es gibt dem Bund die Kompetenz, bewilligungsfrei für drei Jahre Bundeszentren zu eröffnen, in denen die gesamten Verfahren geregelt werden. Dort sollen auch Rechtsbeistände und Übersetzer zur Verfügung stehen. Weiter soll es ein Zentrum für renitente Asylbewerber geben. Kantone und Gemeinden sollen so entlastet werden. Eine Testphase von zwei Jahren ist vorgesehen.

Abgeschafft wird die Möglichkeit, bei Schweizer Botschaften Asylgesuche einzureichen. Das betraf zuletzt rund 2500 Personen im Jahr. Auch wird Dienstverweigerung nicht mehr als Asylgrund akzeptiert. Solche Gesuche kommen häufig aus Eritrea oder Syrien. Allerdings besteht sowohl bei Botschaftsgesuchen wie bei der Dienstverweigerung die Möglichkeit, humanitäre Visa zu erteilen. Für die Vorlage sind CVP, FDP, BDP, GLP, SVP, der Bundesrat, das nationale Parlament, die Kantone und der Schweizerische Gemeindeverband. Dagegen sind Grüne, SP, Kirchen- und Asylrechtsorganisationen wie die Flüchtlingshilfe. uh

 

 

Zur Person

Ursula Schneider Schüttel

 
Die 51-jährige Ursula Schneider Schüttel ist Nationalrätin für die Sozialdemokratische Partei. Die Rechtsanwältin sitzt seit 2001 im Murtner Gemeinderat. Sie ist heute Vize-Stadtpräsidentin. Bei den Nationalratswahlen 2011 hat Schneider den ersten Ersatzplatz auf der SP-Liste belegt. Für Christian Levrat rückte sie genau vor einem Jahr in den Nationalrat nach, wo sie der Kommission für Rechtsfragen angehört. Für ihr Amt in Bern trat die Murtnerin aus dem Grossen Rat aus. Die Ersatzrichterin am Kantonsgericht amtiert weiter als Verwaltungs- oder Stiftungsrätin in mehreren Gesundheits- und Sozialinstitutionen. uh
 

 

Zur Person

Urs Schwaller

Urs Schwaller, 61-jähriger CVP-Ständerat aus Tafers, hat auf der politischen Karriereleiter einen Schritt nach dem anderen genommen. Schwaller wurde 1986 zum Oberamtmann des Sensebezirks gewählt. 1992 gelang ihm die Wahl in den Staatsrat, wo er erst Direktor des Innern und der Landwirtschaft und später Finanzdirektor war. Seine Wahl in den Ständerat erfolgte 2003; dort ist er Mitglied der Finanzkommission und der Staatspolitischen Kommission. Zudem gehört er der Finanzdelegation an. Als Bundesratskandidat unterlag Schwaller 2009 Didier Burkhalter. Ende Jahr will Schwaller sein Amt als CVP-Fraktionschef abgeben.uh

 

Meistgelesen

Mehr zum Thema