Autor: Marc Kipfer
Da stehen sie: mit riesigen, majestätisch ausgebreiteten Tragflächen, dazwischen eingeklemmt winzig scheinende Kabinen mit nur einem Sitz und davor etwas Glas. Eine äusserst zerbrechliche Konstruktion, so scheint es. Plötzlich schiesst eines dieser Segelflugzeuge steil in die Luft, gleitet einige Dutzend Meter über dem Boden und beginnt sofort wieder zu sinken. Die Bise weht über den Flugplatz Bellechasse. Es ist Samstag, kurz nach zwei Uhr nachmittags, und das Segelflugzeug stellt knapp über dem Boden etwas quer, bevor der Pilot geschickt korrigiert und mit seinem «Oldtimer» sicher auf dem kurzgeschnittenen Rasen landet.
Abheben mit Gummiseilen
Das nächste Oldtimer-Segelflugzeug steht schon bereit, es ist gelbweiss und vielleicht 15 Meter breit, ein halbes Dutzend Männer machen es startklar. «Ich hätte eine On-Board-Kamera, aber die Batterie ist leer», sagt einer der Helfer, doch lange kann er sich nicht ärgern, denn ein anderer ruft ihm zu: «Wir brauchen dich noch zum Ziehen!». Also stellt sich der Mann mit 19 gleichgesinnten Männern und Frauen an eines der zwei Gummiseile. Auf Kommando rennen die Helfer los und ziehen auch dieses alte Segelflugzeug mit der eigenen Kraft in die Luft. Ein Start, wie er zu Urgrossvaters Zeiten üblich war.
Die Starthelfer sind allesamt begeisterte Segelflieger, «mit einem Virus infiziert», wie es Roland Wyss später an diesem Nachmittag ausdrückt. Wyss wirkte an diesem Wochenende als OK-Präsident des schweizerischen Oldtimer-Segelflugmeetings, das zum dritten Mal auf dem Flugplatz Bellechasse stattfand – zum 21. Mal insgesamt. Während drei Tagen waren 27 dieser alten, aufwändig restaurierten und immer noch flugtüchtigen Segelflugzeuge zu bewundern.
Fips’ altes Rekordflugzeug
Zum Beispiel jenes mit dem wenig spektakulären Namen «Spalinger S 19». Es gehört Hans Rothenbühler aus dem thurgauischen Amlikon, den in Segelflugkreisen alle «Fips» nennen. Nun stehen sie da und bewundern seine S 19, die pünktlich auf das Treffen in Bellechasse fertig geworden ist. «Zwei Jahre lang war das Flugzeug nicht in der Luft», sagt Fips. Jetzt ist sein Oldtimer mit Baujahr 1937 wieder flugtüchtig wie zu jenen Zeiten, als in der Schweiz noch um Rekorde im Dauerflug gekämpft wurde. Das Flugzeug, das heute Fips gehört, hat es im Jahr 1938 geschafft, 28 Stunden in der Luft zu bleiben. Später wurden die Rekorde nicht mehr offiziell registriert – Fips’ S 19 ist somit immer noch Rekordhalterin. «So hat jedes dieser Flugzeuge seine eigene Geschichte», so OK-Präsident Roland Wyss gegenüber den FN.
Manche der «Infizierten» sind von weniger weit her nach Bellechasse gekommen. Etwa Roland Wyss selber, der in Cordast lebt. Der Flugzeugpark sei für ihn ein Highlight, schwärmt er. «Viele der Flugzeuge sind in Tausenden von Arbeitsstunden restauriert worden», erklärt Wyss. Doch es sei nicht etwa so, dass nur ältere, gutbetuchte Herren das Oldtimer-Treffen besuchen. Schliesslich seien die alten Flugzeuge oft für wenig Geld zu haben. «Es gibt auch junge Mitglieder», betont der OK-Präsident. Und tatsächlich – selbst die kleinsten Besucher wollten am Wochenende jedes Segelflugzeug ganz aus der Nähe betrachten, am liebsten anfassen oder gleich einsteigen.
Einfache Flugzeuge
Allzu gefährlich wäre das nicht, wie Roland Wyss erklärt. Denn Oldtimer seien im Vergleich zu modernen Segelflugzeugen viel einfacher zu bedienen. «Jeden heute ausgebildeten Piloten könnte man problemlos in einen Oldtimer setzen», sagt Wyss, und in seinen Augen sieht man, dass die Faszination für diese alten Flugzeuge zumindest bei ihm niemals versiegen wird.