Für einige wenige Tage war es nicht sicher, ob die Patrouille Suisse, die Jet-Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe, das Sommerprogramm 2016 mit der Teilnahme am Eidgenössischen Schwingfest weiterführt. Die Berührung zweier F5-Tiger-Kampfjets der Staffel während eines Trainings zu einer Flugshow in den Niederlanden am 9. Juni ging zwar glimpflich aus, doch die folgenden Engagements der Staffel schienen gefährdet. Kritische Stimmen, die nach einer Auflösung der Einheit rufen, wurden lauter. Doch entschieden die Verantwortlichen, die geplanten Auftritte zu bestreiten, wenn auch in einem reduzierten Umfang mit fünf statt sechs Fliegern.
Wie für seine Kollegen war der Unfall in Holland auch für Gaël «Gali» Lachat, einen der erfahrensten Mitglieder der Staffel, ein Schock. «Wir haben das gut verarbeitet», sagt er, «auch, weil wir sehr rasch wieder in der Luft waren.» Nur eine Woche nach dem Unfall flog die Patrouille Suisse an einem Anlass in Meiringen. Für Berufspiloten und Soldaten gehöre ein gewisses Risiko dazu, sagt Lachat. Sie seien froh, dass ihr Teamkamerad wohlauf sei.
Der «First solo»
Der Pilot, der bis vor kurzem in Murten gewohnt hat, ist der «First Solo» im Team: Er fliegt eine der Maschinen, welche die Einzelfiguren präsentieren. In einzelnen Teilen im Programm trennt sich die Staffel. Zwei Piloten vollführen unter Lachats Leitung gemeinsame Figuren. Zusammen mit dem Leader der Formation koordiniert er das Programm in der Luft. «Das Timing ist wichtig, damit es einen Flow im Programm gibt.»
Der 36-jährige Pilot liebt seinen Beruf, dem tue auch eine Erfahrung wie der Vorfall vom Juni keinen Abbruch: «Es ist ein Traumberuf vieler Kinder, und auch viele Erwachsene schwärmen davon.» Schon mit acht Jahren habe er in den Himmel geblickt und den vorbeidüsenden Mirages zugeschaut; im Jura, wo er aufgewachsen ist. «Ich hatte richtig Hühnerhaut dabei und habe mir gesagt, das muss ich machen», erinnert er sich, «deshalb war ich auch motiviert, alles dafür zu tun, um diesen Beruf zu ergreifen.» Der Weg sei lang gewesen, er habe viele Hürden überwinden müssen. «Doch nun bin ich da, und es ist immer noch mein Bubentraum, der wahr wurde.» Noch heute mache ihm das Fliegen deshalb unheimlich Spass und er sagt: «Mir ist klar: Sobald ich keinen Spass mehr habe, muss ich den Beruf wechseln.»
Steuern von Hand
Er kenne beide Systeme, sagt Lachat: den unterdessen veralteten Tiger, den die Patrouille Suisse fliegt, und den modernen Hightech-Flieger F/A-18. Bei letzterem überlasse der Pilot einen bedeutenden Teil der Arbeit dem Computer. «Den Tiger fliegt weitgehend der Pilot, das ist Handwerk», sagt Lachat und seine Augen leuchten dabei. «Man lenkt mit dem Steuerknüppel und fliegt auf Sicht, schaut nicht ständig auf die Anzeigen im Cockpit.» Beide Systeme seien super, auch wenn sich der Tiger für einen allfälligen Kriegseinsatz nicht mehr eigne: «Für unsere Kunstflüge ist er perfekt. Er ist stabil, geeignet für den Formationsflug und hat gute Flugeigenschaften auf dem Rücken.»
Im Gegensatz zu anderen Kunstflugstaffeln, die oft Schulflugzeuge verwenden, fliege die Patrouille Suisse einen echten Kampfjet. «Das erlaubt uns, andere Figuren zu fliegen.» Die Maschinen seien schneller als andere und könnten in einer grösseren Flughöhe fliegen, «da sehen wir zwar kleiner aus, dafür haben wir eine grössere Dynamik im Programm.» Das mache es für das Publikum spannend.
Natürlich sei unterdessen vieles auch Routine, selbst bei der Patrouille Suisse, der Elite der Schweizer Militärfliegerei. Dennoch, er sei sich der Ehre bewusst, welche ihm bei der Aufnahme ins Team wiederfuhr: «Das Team wählt einen. Man kann nicht einfach beitreten.» Die Wahl eines neuen Mitglieds der Staffel werde im Konsens gefällt. «Wenn einer von uns sein Veto einlegt, weil er zum Beispiel am Charakter des Kandidaten zweifelt, ist es vorbei.» Vertrauen: Es ist das A und O in einer Kunstflugstaffel. «Wir fliegen manchmal nur drei Meter voneinander entfernt.» Deshalb sei das Auswahlverfahren auch so immens wichtig. «Wir müssen einander blind vertrauen.»
Kürzer und konzentriert
Das Programm stellen die Piloten der Patrouille Suisse weitgehend in Eigenregie zusammen. Jedes Jahr wird das Programm neu durchgeplant, einige neue Figuren kommen hinzu, andere fallen weg. So habe sich das Programm 2016 gegenüber dem Vorjahr vor allem beim zeitlichen Ablauf geändert. Es sei kürzer, aber konzentrierter, so Lachat. Nach dem Unfall wurde es einfach auf fünf Tiger zugeschnitten. Einer der Höhepunkte des Programms, die Figur «Tunnel», fliegt Solist Gaël Lachat (siehe Kasten links) weiterhin.
Die Zusammenstellung des Programms sei ein kreativer Akt, so Lachat: «Wir schauen: Welche Figuren könnten wir fliegen? Was könnte für das Publikum interessant sein?» Dabei probierten sie oft etwas aus und scheiterten manchmal auch dabei–wie andere Künstler halt auch, sagt er: «Einmal wollten wir mit Rauch einen Smiley in die Luft zeichnen.» Das erwies sich aber nicht als attraktiv genug. «Darum haben wir es gelassen.» Andererseits gebe es die Patrouille Suisse seit 50 Jahren. «Das Programm wurde in dieser Zeit ständig optimiert.» Unzählige Verbesserungsmöglichkeiten gebe es nicht mehr.
Vielleicht privat in Payerne
Trotz des Ereignisses im Juni freut sich Lachat auf die Show am Eidgenössischen Schwingfest über dem Flugplatz Payerne. Er wisse, dass auch das Fest ausserhalb der Arena eine grandiose Erfahrung ist. Lachat erinnert sich, dass seine Kollegen das letzte Eidgenössische in Burgdorf besucht haben. Er konnte damals nicht mit. Er wisse nicht, ob es ihm diesmal reicht: «In Payerne wäre ich gerne mal dabei, aber ich habe noch nichts geplant.»
Die Patrouille Suisse fliegt am Freitag, 26. August, um 19 Uhr ein Training über dem Festgelände. Die eigentliche Flugshow ist am Samstag, 27. August, um 17.30 Uhr.
Der erste Auftritt der Patrouille Suisse nach dem Flugunfall war Mitte Juni am Jubiläumsfest des Flugplatzes Meiringen. Bild Keystone
Zur Person
Gaël Lachat: Ein Solist am Himmel
Gaël Lachat (36), der den Spitznamen «Gali» trägt, ist Mitglied der Fliegerstaffel 17 der Schweizer Luftwaffe. Er ist Berufsmilitärpilot seit 2001, stiess 2008 zur Patrouille Suisse und fliegt seit zwei Jahren als Solo-Leader. Der Berufsmilitärpilot hat bis anhin über 2800 Flugstunden absolviert und flog die vier wichtigsten Waffensysteme der Luftwaffe der letzten Jahre: den F/A-18 Hornet, den F-5 Tiger und die Pilatus PC-7. Der Höhepunkt seines Programms bei der Patrouille Suisse ist der Tunnel–als Einzelner fliegt Lachat durch ein «Tor», das seine ihm entgegen fliegenden Kollegen bilden. Dabei erreicht er bis zu 1000 Kilometer pro Stunde. Der bis vor kurzem in Murten wohnhafte gebürtige Jurassier beschäftigt sich in seiner Freizeit mit Astronomie und macht Musik.fca
Zur Geschichte
Patrouille Suisse: Seit 52 Jahren das Aushängeschild der Schweizer Luftwaffe
Die Patrouille Suisse wurde als erste der beiden Schweizer Kunstflugstaffeln am 22. August 1964 gegründet und hat ihre Basis auf dem Militärflugplatz in Emmen. Die Staffel fliegt seit 1994 den in den Schweizer Nationalfarben Rot und Weiss bemalten Northrop F-5 Tiger II, zuvor benützte das Team das Modell Hawker Hunter und war in Dübendorf stationiert. Sie soll die Leistungsfähigkeit, die Präzision und die Einsatzbereitschaft der Schweizer Luftwaffe aufzeigen. Aktuell hat die Patrouille Suisse sieben Mitglieder, alles Berufsmilitärpiloten. Hinzu kommen zwei Kommentatoren, die beruflich als Fluglotsen arbeiten. Als zehntes Mitglied gilt das Teammaskottchen Flat Eric, etwas zwischen Stoffhund und Comicfigur. Das Kommando am Boden hat Oberstleutnant Nils «Jamie» Hämmerli, der kürzlich den langjährigen Chef Daniel Hösli abgelöst hat. Leader in der Luft ist Simon «Billy» Billeter. Hinzu kommt eine umfangreiche Bodenmannschaft. Im Normalfall sind sechs Piloten in der Luft, seit dem Unfall vom Juni fliegt die Staffel vorläufig ein reduziertes Programm mit fünf Maschinen. Die Piloten stehen neben ihrer Tätigkeit für die Patrouille Suisse im «normalen» Flug- und Luftpolizeidienst. In der Regel nimmt die Staffel an rund 20 Veranstaltungen pro Jahr teil, ein Teil davon ist im Ausland. Das Standard-Jahresprogramm besteht aus einem Trainingkurs im April. Dann geht die Saison los. Die letzten Höhepunkte sind das Axalp-Schiessen im Oktober sowie der Auftritt am Skirennen am Lauberhorn im Januar. Nach der Ablehnung eines neuen Kampfflugzeuges an der Urne – es ging um die Beschaffung von 22 Kampfjets vom Typ Gripen – ist die Zukunft der Patrouille Suisse ungewiss. Mehrere Szenarien sind möglich.fca