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Der zweifelhafte Zweck des zweiten Münzwurfs

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Kaum war am Sonntagabend bekannt, dass Ständerat Beat Vonlanthen die Wiederwahl nicht geschafft hatte, verschickte seine Partei eine Mitteilung: Die CVP verlangte darin eine zweite Auszählung aller Stimmen. Das ist ihr gutes Recht. Glaubwürdigkeit ist ein wichtiges Gut in einer Demokratie. Die Wählerinnen und Wähler sollen sicher sein dürfen, dass bei der Auszählung der Stimmen alles mit rechten Dingen zugegangen ist – dass also das Endergebnis dem effektiven Wählerwillen entspricht. Die Bundesverfassung spricht in Art.  34 Abs.  2 von einer «unverfälschten Stimmabgabe». Dass die Verliererpartei bei einem so geringen Stimmenunterschied wie zwischen Johanna Gapany und Beat Vonlan­then eine Nachzählung verlangt, erscheint legitim.

Nun haben die Oberamtmänner der drei Bezirke, in denen am Sonntag bei der Auszählung Probleme auftraten, beschlossen, dass keine solche Nachzählung stattfinden soll: Sie kommen zum Schluss, es habe beim Auszählen wohl Probleme, aber keine Fehler gegeben. Nachdem ein paar Dutzend Stimmen aus der Gemeinde Murten, die am Wahltag vergessen gegangen waren, zum Endresultat addiert worden seien, sei mit diesem Endresultat alles in Ordnung.

Dieser Argumentation der Oberamtmänner ist im Grundsatz beizupflichten – vorausgesetzt, dass es nun effektiv keine Indizien dafür mehr gibt, dass beim Auszählen der Stimmen etwas schiefgelaufen ist. Gehauen oder gestochen auf eine Nachzählung zu pochen, wäre verfehlt.

Wer nämlich glaubt, eine Nachzählung führe zu einem genaueren Resultat als die erste Auszählung, erliegt einer Illusion. Klar: Eine Nachzählung findet unter anderen Bedingungen statt. Auch wenn von Stimmenzählern bereits bei der ersten Auszählung die höchstmögliche Sorgfalt erwartet werden darf: Diese Sorgfalt kann noch gesteigert werden – indem etwa einzelne Arbeitsschritte mehrfach wiederholt werden, indem noch akribischer protokolliert wird. Damit gelingt es möglicherweise, den einen oder anderen Flüchtigkeitsfehler, den es zwar nicht geben dürfte, der aber trotzdem passieren kann, auszumerzen.

Eine gewisse Willkür ist jedoch jeder Personenwahl eigen. Was geschieht zum Beispiel mit einem Wahlzettel, auf dem «Beat V.» steht? Oder «Yohann Gapany»? Ein Wählerwille ist in beiden Fällen ersichtlich, trotz Abkürzung und Schreibfehlern. Damit solche Wahlzettel nicht in Wahlbüro  A als ungültig erachtet werden, während sie in Wahlbüro  B zu den gültigen Stimmen gelangen, hat die Konferenz der Oberamtmänner eine Anleitung dazu entwickelt, wie mit solchen Fällen umzugehen sei.

Mit dieser Anleitung mag es zwar möglich sein, die allermeisten Streitfälle uniform zu regeln. Zu meinen, mit Weisungen von oben könne man jede hinterste und letzte Eventualität einer einheitlichen Regel unterwerfen, ist jedoch ein Irrglaube. Und: Diese Anleitung der Oberamtmännerkonferenz müsste auch noch in allen Wahlbüros mit derselben Strenge angewendet werden, wofür letztlich niemand garantieren kann. Solange Stimmen dezentral ausgezählt werden – und etwas anderes ist in einem Kanton von der Grösse Freiburgs nicht möglich –, ist ein gewisser, wenn auch kleiner Ermessensspielraum schlicht unvermeidbar.

Eine Nachzählung bringt folglich nur dann ein sichereres Resultat, wenn beim Auszählen Fehler im engeren Sinne passiert sind – wenn etwa Zahlen falsch addiert wurden. Gegen Mängel, die dem Ermessen der Stimmenzähler geschuldet sind, ist eine Nachzählung hingegen weitestgehend machtlos. Dann ist eine Nachzählung nichts anderes als ein zweiter Münzwurf, wobei das eine Resultat genauso unsicher ist wie das andere. Der Zweck eines solchen zweiten Münzwurfs ist darum zweifelhaft: Sollte das Resultat kippen, bringt das keinen wirklichen Sieger hervor, weil die Legitimität des neuen Resultats – und darum geht es schliesslich – kaum höher ist als zuvor. Eine gut gemeinte demokratische Alibiübung also.

Das Bundesgericht scheint sich dieser Argumentation anzuschliessen. Es hat in seiner Rechtsprechung zwar immer wieder betont, dass eine Nachzählung möglich sein muss, um dem Recht auf unverfälschte Stimmgabe Geltung zu verschaffen. Das Bundesgericht verlangt für eine Nachzählung jedoch – nebst dem Vorliegen eines sehr knappen Resultats – stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass bei der Auszählung effektiv etwas nicht stimmte. Im Fall der Referendumsabstimmung über die neue Radio- und Fernsehgebühr vor vier Jahren – weniger als 4000 Stimmen trennten damals das Ja- vom Nein-Lager – urteilten die höchsten Richter, ein «allgemeiner und unbedingter Anspruch auf Nachzählung» bestehe nur dann, «wenn zusätzlich äussere Anhaltspunkte darauf hinweisen, dass nicht korrekt ausgezählt worden ist».

Nach dem Nein der Oberamtmänner bleibt der CVP nun noch der Gang vor das Kantonsgericht, falls sie alle Stimmen ein zweites Mal auszählen lassen will. Damit sie mit einem solchen Rekurs Erfolg hat, muss die die CVP gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung also glaubhaft machen können, dass eine Nachzählung Fehler, die vermeidbar gewesen wären, effektiv beseitigen wird.

Die Informatikpanne bei der Staatskanzlei, die dazu geführt hat, dass das Ergebnis erst am späten Abend feststand, war darauf zurückzuführen, dass an sich korrekte Zahlen nicht richtig erfasst wurden. Beim Auszählen selber gab es keine Unregelmässigkeit. Die Informatikpanne allein rechtfertigt also noch keine Nachzählung. Vergessen gegangene Stimmen, so wie in Murten offensichtlich geschehen, könnten einen Rekurs hingegen begründen. Nach der Publikation im Amtsblatt wird die CVP zehn Tage Zeit haben, um allfällige Auszählfehler dieser Art geltend zu machen.

Sollte es tatsächlich ernst zu nehmende Hinweise auf Fehler geben, hat eine Nachzählung zwingend stattzufinden. Dann, aber nur dann müssen die Behörden alles unternehmen, um die Ungenauigkeit aus der Welt zu schaffen – nicht für den unglücklichen, knappen Wahlverlierer Beat Vonlanthen, sondern für die Glaubwürdigkeit unseres direktdemokratischen Systems als Ganzes. ​

 

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