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«Ein Team ist auch gleich Schiedsrichter»

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Geht am Freiburger Spital HFR bei einem Eingriff etwas schief, und die Patientin oder der Patient verlangt eine Entschädigung, so untersucht das Spital selber die Vorfälle. Seit drei Jahren schreibt das Freiburgische Gesetz über die Haftung der Gemeinwesen und ihrer Amtsträger dies vor. Damit untersucht das Spital, das später selber Partei in diesem Haftungsfall ist, ob seine Ärztinnen und Ärzte die Regeln der ärztlichen Kunst verletzt haben oder nicht.

«Der, der am Schluss zahlen soll, hat die Macht zu entscheiden, ob er zahlen muss.»

Hervé Bovet

Freiburger Anwalt

 

«Das ist schon sehr speziell», sagt Hervé Bovet. Der Freiburger Anwalt vertritt Guido Betschart, der seit einer Operation nicht mehr richtig gehen kann (siehe Text rechts oben). «Der, der am Schluss zahlen sollte, hat die Macht zu entscheiden, ob er zahlen muss»: So fasst Bovet die Gesetzeslage zusammen. «Im Sport würde das bedeuten, dass ein Team auch gleich Schiedsrichter ist und die Regeln aufstellen kann.» Für ihn ist klar: «Das Resultat der Untersuchung wird niemals neutral sein.»

Spitalleitung mischt sich ein

Eigentlich hat das Freiburger Spital Mechanismen und Abläufe eingerichtet, die garantieren sollen, dass das Spital in seinen Untersuchungen neutral vorgeht und alle Beweise aufnimmt – auch solche, die dafür sprechen, dass das Spital für die Folgen des Eingriffs haften muss. So kümmert sich der Rechtsdienst um die Untersuchung. «Wir müssen wie ein Gericht vorgehen», sagt Jeannette Portmann, Mediensprecherin des Spitals. «Wir sind die erste Instanz.»

Das klappt aber offenbar nicht immer: Zumindest im Fall von Guido Betschart haben sich die damalige Generaldirektorin Claudia Käch und der Verwaltungsratspräsident des HFR, Philippe Menoud, in die Untersuchung eingemischt. Auch war die Versicherung des Spitals, die Allianz, informiert. Sie setzte Druck auf, als der Arzt sagte, während der Operation seien Fehler gemacht worden. Das Kantonsgericht hat darum Käch und Menoud in diesem Fall in den Ausstand geschickt (siehe Kasten unten links).

«Wir müssen zwar neutral sein, zugleich müssen wir den Verwaltungsrat und die Generaldirektion informieren, wenn ein möglicher Haftungsfall vorliegt», sagt Jeannette Portmann. «Es ist nicht vorstellbar, dass wir einen gewichtigen Fall erst am Ende der Untersuchung dem Verwaltungsrat vorlegen.» Ebenso müsse die Haftpflichtversicherung informiert werden. Dem Verwaltungsrat obliegt der Entscheid, ob er einem Begehren um Entschädigung stattgeben will. Lehnt er dies ab, kann die Patientin oder der Patient vor das Kantonsgericht gehen.

Zwei Hüte

«Für uns ist das neue Gesetz eine grosse Herausforderung», sagt Jeannette Portmann. «Wir bleiben so neutral wie möglich. Doch es ist sehr schwierig, gleichzeitig den Hut des Spitals, das sich verteidigen will, und den Hut des Richters, der objektiv ist, zu tragen.» Es könne der Eindruck entstehen, dass das Spital die Interessen des Patienten zu wenig vertrete, «auch wenn dies nicht der Fall ist». Bei Privatspitälern sei dies ganz anders: Ein Haftungsfall sei von Beginn weg ein Zivilprozess. «Da sind die Rollen klar verteilt: Das Spital verteidigt nur seine Interessen.»

Auch Anwalt Hervé Bovet kritisiert das Gesetz. Er geht aber auch davon aus, dass mit dem bestehenden Gesetz besser gearbeitet werden könnte. Das Spital habe ja entsprechende Abläufe eingerichtet. «Es ist aber verheerend, wenn die Leitung eingreift, Druck auf die Ärzte ausübt und versucht, die Probleme zu verstecken.» Das Spital versuche auf diese Weise, ein verfälschtes Resultat zu erreichen. «Wenn die Verwaltung das Medizinische verfälscht, müssen sich die Patienten Sorgen machen.» Würde das Spital richtig arbeiten, dürften die Ärztinnen und Ärzte frei reden – was hier aber nicht der Fall sei (siehe auch Kasten ganz rechts unten).

Versicherung als Problem

Auch Patientenschutzorganisationen äussern sich kritisch – aber nicht nur zum Freiburger Gesetz, sondern auch zur Grundsatzfrage der Versicherung. Barbara Züst, Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenschutzorganisation SPO, stellt fest, dass immer mehr Kantone auf die Zusammenarbeit mit den Haftpflichtversicherungen verzichten und eigene Fonds zur Deckung von allfälligen Schäden äufnen.

«Dies ist eine durchaus sinnvolle Tendenz», sagt Barbara Züst. «Denn einige Haftpflichtversicherungen haben bei Ansprüchen von Patienten gemauert, obwohl die verantwortlichen Ärzte bei Behandlungsfehlern zu Zugeständnissen bereit gewesen wären.» Selbst wenn der Arzt zugebe, einen Fehler gemacht zu haben, nütze dies nichts, denn der Haftpflichtversicherer entscheide über Schadenersatz, nicht der Arzt.

Das habe auch Folgen für die Steuerzahler: «Als Steuerzahler bezahlen wir Prämien für die Haftpflichtversicherungen der öffentlichen Spitäler, die dann im Schadenfall den geschädigten Patienten nicht unterstützen – und so bezahlen wir wiederum als Steuerzahler via Sozialversicherung den Schaden, den die Patienten erlitten haben.» Die Haftpflichtversicherer machten somit Gewinne auf Kosten der Steuerzahler, wenn die eingenommenen Prämien die Auszahlungen an Geschädigte deutlich übersteige.

Eine Umfrage von Hplus, dem nationalen Spitzenverband der öffentlichen und privaten Schweizer Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen, zeigte im Jahr 2014, dass der Grossteil der Spitäler über eine private Haftpflichtversicherung verfügt und bei einem kleineren Teil öffentlicher Spitäler der Kanton für allfällige Schadenfälle aufkommt. «Rund die Hälfte der Spitäler erledigen kleine Haftpflichtfälle direkt, während grös­sere Fälle an die Haftpflichtversicherung zur Ab­wicklung übergeben werden», so Direktor Bernhard Wegmüller, Direktor von Hplus.

Kanton sagt noch nichts

Staatsrätin Anne-Claude Demierre (SP), die als Gesundheitsdirektorin auch im Verwaltungsrat des Freiburger Spitals sitzt, schickt ihren juristischen Berater Alexandre Grandjean vor. Dieser betont, dass das Verfahren rund um den Fall von Guido Betschart noch am Laufen ist und das Spital das Bundesgericht angerufen hat. «Somit müssen wir vorerst das höchstrichterliche Urteil abwarten; eine zwischenzeitliche Intervention der Verwaltungsbehörden wäre verfrüht», sagt Grandjean den FN.

Als Jurist stelle er jedoch fest, dass sich das Kantonsgericht wohl zu Recht zur Beantwortung der Frage der Ausstandspflicht (siehe Kasten unten links) auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abgestützt habe, so Grandjean. «Sobald wir wissen, was gilt, können wir mit dem HFR prüfen, ob – und allenfalls welche – Massnahmen ergriffen werden sollten oder müssten. Dies ist aber noch Zukunftsmusik.»

Zahlen und Fakten

Jedes Jahr rund 15 neue Fälle

Jedes Jahr werden im Freiburger Spital HFR rund 20 000 Patientinnen und Patienten hospitalisiert; dazu kommen 485 000 ambulante Behandlungen. Im Schnitt wenden sich jährlich 15 Personen an den Verwaltungsrat und verlangen eine Entschädigung. Aktuell sind rund 60 Fälle offen. Laut Mediensprecherin Jeannette Portmann gibt es «einfachere und komplexere Fälle»: bei einigen geht es um 5000 Franken, weil der Patient zu spät behandelt wurde und unter Schmerzen litt; bei anderen geht es um Klagen in Millionenhöhe. Laut Portmann zieht selten jemand ein abgelehntes Gesuch vor Kantonsgericht.

njb

 

Der Gerichtsfall

Käch und Menoud müssen in den Ausstand treten

Am 1. September 2014 wur­de der heute 54-jährige Guido Betschart (siehe Text oben rechts) im Freiburger Spital HFR operiert. Er hatte starke Rückenschmerzen. Doch die Operation ging schief, er kann seither nur noch an Krücken gehen und leidet unter Schmerzen. Seit dem 1. Juli 2015 erhält er eine volle Invalidenrente. Im September 2015 wandte er sich an das Spital und verlangte zwei Millionen Franken Schadenersatz und Genugtuung.

Spital lehnt Verantwortung ab

Der Arzt von Betschart, der die Operation nicht selber ausführte, jedoch im Operationssaal anwesend war, sagte von Anfang an, dass der operierende Arzt einen Fehler gemacht hatte. Dennoch teilten im Januar 2017 die Generaldirektorin Claudia Käch und der Verwaltungsratspräsident des HFR, Philippe Menoud, Guido Betschart mit, dass das Spital ihm keine Entschädigung auszahlen werde. Seinem Arzt verbaten sie vor einem Jahr jeglichen Kontakt mit ihm; seine Therapie muss er anderswo weiterführen.

Betschart verlangte daraufhin, dass die Direktorin und der Verwaltungsratspräsident in den Ausstand treten müssten. Er sei nicht genügend angehört worden, und die Vertreter des Spitals hätten versucht, wichtige Aussagen der Ärzte und des Pflegepersonals zu verheimlichen. Der Verwaltungsrat wies dies zurück; doch das Freiburger Kantonsgericht schickt die beiden in den Ausstand.

In seinem vor kurzem veröffentlichten Urteil beschreibt das Kantonsgericht das Vorgehen bei einem Haftungsfall: In einer ersten Phase müsse das Spital die Geschehnisse neutral und objektiv untersuchen; erst in einer zweiten Phase sei es Partei. «Während der Untersuchungsphase muss das Spital verhindern, dass seine Interessen die Entscheidfindung in irgendeiner Weise beeinflussen.» Indem das Spital die Untersuchung an das Generalsekretariat delegiert habe, sei dies möglich. Doch hätten sich im vorliegenden Fall sowohl die Direktorin als auch der Ver­waltungsratspräsident mehrere Male eingemischt. Unter anderem hätten sie den Arzt an seine Pflichten gegenüber dem Spital erinnert und ihm verboten, mit Guido Betschart zu sprechen.

Neutralität unterlaufen

«Sie sind sogar so weit gegangen, dass sie direkt gegenüber dem Patienten Stellung zu den Beweisen genommen und ihm den Zugang zu Beweisstücken verwehrt haben.» Damit hätten die beiden die vom Spital selber erstellten Abläufe, die Neutralität hätten garantieren sollen, unterlaufen. Das Kantonsgericht schickt darum Käch und Menoud in den Ausstand.

Spital geht vor Bundesgericht

Das Spital gibt sich damit nicht zufrieden und wird diesen Entscheid vor Bundesgericht ziehen.

Betschart hat Rekurs gegen den Entscheid des Verwaltungsrats eingereicht, ihm keine Entschädigung zu gewähren. Dieses Verfahren ist noch vor dem Kantonsgericht hängig.

Claudia Käch ist unterdessen nicht mehr für das HFR tätig: Das Spital hat sich am 21. Februar von ihr getrennt.

njb

 

Freiburger Kantonsgericht, Entscheid 601 2017 133

Umgang mit Fehlern

Arzt musste den Kontakt abbrechen

Darf eine Ärztin oder ein Arzt gegenüber den Patienten Fehler zugeben? «Bei Komplikationen drücken unsere Ärzte ihr Mitgefühl und Bedauern aus», sagt Jeannette Portmann, die Mediensprecherin des Freiburger Spitals HFR. «Der Dialog mit den Betroffenen ist uns wichtig.» Das sei aber kein Schuldeingeständnis. «Ob ein Schaden vorliegt und dieser durch ein Fehlverhalten ausgelöst wurde, bedarf einer vertieften Abklärung.»

Im Fall von Guido Betschart (siehe Text oben) schrieb der behandelnde Arzt in einem Mail, dass bei der Operation offenbar ein Instrument falsch gehandhabt worden sei. Das Freiburger Spital HFR wollte dieses Mail dem Patienten und seinem Anwalt vorenthalten. Als der Arzt das Mail dem Patienten dennoch übergab, übte die Spitalleitung Druck auf ihn aus: In einem Brief, der den FN vorliegt, fordern die damalige Generaldirektorin Claudia Käch und der Verwaltungsratspräsident des HFR, Philippe Menoud, den Arzt auf, den Kontakt zum Patienten abzubrechen, ihn nicht mehr zu betreuen und mit niemandem mehr über diesen Fall zu sprechen. Er habe sich an den Vertrag mit der Versicherung zu halten. Und: Es könne durchaus sein, dass er persönlich finanziell zur Verantwortung gezogen werde. In einem Brief an die Versicherung Al­lianz bestätigten Käch und Menoud danach, dass sie den Arzt an seine Pflichten erinnert hätten – wie von der Versicherung gewünscht.

«Den Arzt schützen»

«Während eines laufenden Verfahrens ist es nicht an einer Einzelperson – in diesem Fall am Arzt –, sich zu äussern, sondern das Spital als Arbeitgeber des Arztes übernimmt diese Rolle», sagt dazu Jeannette Portmann. «Auch, und vor allem, um den Arzt zu schützen.» Würde sich das Spital anders verhalten – «also quasi die Angelegenheit dem Arzt alleine überlassen» – würde sich das Spital zu Recht massiver Kritik aussetzen, so die Mediensprecherin.

njb

 

 

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