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«Pflegepersonal ist physisch und psychisch ausgelaugt»

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Es gibt mehrere Gründe, warum Personalkosten in einem Betrieb zu hoch sein können: Die Leute sind zu gut bezahlt, die Arbeit ist schlecht organisiert oder es wurde zu viel Personal eingestellt. Was trifft beim Freiburger Spital zu?

Bernard Fragnière: Ein Manager eines grossen Schweizer Unternehmens hat mir mal gesagt, dass es am einfachsten ist, ein Prozent von der Lohnmasse zu streichen, wenn gespart werden muss. Um dagegen ein Unternehmen zu reorganisieren, bedarf es viel Arbeit. Die verschiedenen Berichte zum HFR belegen, dass das Spital ein organisatorisches Problem hat. Da gibt es ein substanzielles Sparpotenzial.

Ein Bericht kommt aber auch zum Schluss, dass die Individuallöhne am HFR um 7,9 Prozent höher liegen als im Durchschnitt. Rachel Bourguet und Cécile Messerli, hat das Spital wirklich in erster Linie ein organisatorisches Problem, wie Bernard Fragnière sagt?

Rachel Bourguet: Das Problem dieses Berichts ist, dass die Zahlen ungenau sind. Es werden Pflegepersonen unterschiedlicher Ausbildung miteinander verglichen, unabhängig davon, ob sie einen Fachhochschulabschluss haben oder eine höhere Fachschule besuchten, wie dies in drei Vierteln der Schweizer Kantone der Fall ist. Zudem wurden die Kliniktypen vermengt: Universitätsspitäler, Privatspitäler und öffentliche Spitäler haben nicht die gleiche Funktion und Klientel.

Der Lohn des HFR-Pflege­personals ist also korrekt?

Bourguet: Im Kanton Freiburg wurde unser Berufsstand vor 20  Jahren zum letzten Mal nach dem Bewertungssystem Evalfri evaluiert. Aber unser Beruf ist nicht mehr derselbe. Heute haben wir eine doppelte Verantwortung. Wir sind nicht nur für unsere in der Regel komplizierteren Fälle zuständig, sondern müssen auch die Fachpersonen Gesundheit begleiten, die einen Lehrabschluss haben und die stabileren Patienten betreuen. Zudem müssen wir mit immer komplexeren Informatikprogrammen umgehen. Wir sind zu Managern des Alltags geworden, organisieren die lückenlose Betreuung der Patienten.

Fragnière: Ich bin seit zehn Jahren in der Kommission für die Evaluierung der Löhne des Staatspersonals Evalfri. Darum kann ich sagen: In Freiburg haben wir korrekte Löhne. Dies, weil wir sie unter dem Gesichtspunkt gleiche Löhne für Männer und Frauen angepasst haben und weil das Ausbildungsniveau berücksichtigt wurde. Das Pflegefachpersonal befindet sich in der Lohnklasse 17, die Gehälter zwischen 5678 und 8587 Franken pro Monat abdeckt. Ein Ingenieur in einem Unternehmen verdient mehr, ebenso eine Primarlehrerin mit demselben Ausbildungsniveau.

«Es ist einfacher, ein Prozent von der Lohnmasse zu streichen, als ein Unternehmen zu reorganisieren.»

Bernard Fragnière

Fede-Präsident

Sie haben kritisiert, dass die Löhne des HFR mit jenen in Privatspitälern verglichen worden sind. Diese arbeiten im Gegensatz zum HFR aber rentabel.

Virginie Burri: Ich erzähle Ihnen mal eine Geschichte von einem kleinen Mädchen, das als Folge eines Unfalls behindert war. Die Privatklinik lehnte das Mädchen ab, weil es unruhig war und für die Anästhesie zuerst beruhigt werden musste. Die Klinik schickte das Kind ins öffentliche Spital …

Bourguet: … weil das Kind viel Zeit in Anspruch nahm. Und Zeit wird von der Krankenkasse nicht bezahlt.

Wie sieht ein Tag bei Ihnen aus?

Cécile Messerli: Also, am letzten Dienstag beispielsweise habe ich um 6 Uhr in der Früh angefangen. Zuerst habe ich die Medikamente und das Material bereitgestellt, damit ich parat bin, wenn die Patienten kommen. Dann habe ich die Behandlungen angesetzt. Plötzlich verschlechterte sich der Zustand eines Patienten drastisch. Ich musste meine Station verlassen und meine Kolleginnen übernahmen meine beiden Patienten. Ich bin mit dem Notfall auf die Intensivstation gegangen, wo ich ihn vier Stunden lang betreut habe. Weil das nicht meine Abteilung ist, wusste ich nicht, wo die Dinge zu finden sind, aber man schlägt sich durch. Dann bin ich um 16 Uhr zurück auf meine Station gegangen, ohne Mittagspause wohlverstanden. Eine Kollegin musste dummerweise fortgehen, so dass ich zu meinen Patienten auch noch ihre beiden betreut habe. Am Ende der Zwölfstunden-Schicht fiel schliesslich noch die Arbeit am Computer an.

Arbeiten Sie immer zwölf  Stunden lang?

Messerli: Ja, das sind die regulären Arbeitszeiten.

Bourguet: Eine Stationsschwester ist ständig auf Trab: Zuerst die morgendliche Körperpflege der Patienten, dann klingelt das Telefon oder ein Patient, danach folgt die Arztvisite, die Planung für den nächsten Tag steht an, die Betreuung des Pflegepersonals in Ausbildung, Angehörige der Patienten müssen empfangen werden, Essen und Medikamente verteilt werden, die Serviertabletts wieder eingesammelt werden. Hinzu kommen noch die Medikamentenbestellungen, die gemacht werden müssen. Und dann müssen wir all das noch für die Krankenkassen belegen, was ein Drittel der Arbeitszeit in Anspruch nimmt.

Sie haben gesagt, dass es am HFR Sparpotenzial bei der Organisation gibt. Wie erleben Sie die Arbeitsorganisation auf ihren Stationen?

Messerli: Wir haben nicht genügend Personal. Da muss nur etwas Unerwartetes geschehen und sofort entsteht Stress. Das ist eine grosse Fehlerquelle.

«Das HFR muss nicht rentabel werden. Es geht um die Volksgesundheit.»

Virginie Burri

Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK

 

Gibt es zu wenig Personal, oder wird es falsch eingesetzt?

Messerli: Beides. In der Verwaltung wird viel Leerlauf produziert.

Fragnière: Seit drei Jahren gibt es von verschiedenen Seiten immer wieder Vorschläge, um den Betrieb des HFR zu rationalisieren. Aber die Leute werden nicht angehört. Ein Thema sind mögliche Synergien zwischen den verschiedenen Spitalstandorten. Man kann nicht überall alles anbieten. Das ist ein zentrales Element, das angegangen werden muss. Damit sich aber etwas ändert, muss sich etwas in der Kultur des HFR ändern. Man kann es sich nicht mehr erlauben, dass der Verwaltungsrat Dinge entscheidet, ohne den Personalrat anzuhören.

Was müsste in Sachen Organisation denn noch geschehen, damit das HFR rentabel wird?

Burri: Das HFR muss nicht rentabel werden. Es geht um die Volksgesundheit.

 

«Es wäre sinnvoller, bei der Organisation anzusetzen, damit nicht Personal mit Hochschulabschluss das Essen verteilen muss.»

Rachel Bourguet

Pflegefachfrau HFR

 

Bourguet: Man muss vor allem bezahlbare Plätze schaffen, wo die Patienten nach einer Operation hingehen können, wenn sie sich noch zwei, drei Tage erholen müssen. Denn das kostet das HFR extrem viel Geld, weil die Krankenkassen diesen verlängerten Aufenthalt nicht mehr bezahlen.

Was wäre schlimm daran, wenn das Staatspersonalgesetz für das Spitalpersonal nicht mehr gelten würde?

Burri: Das hätte Lohnsenkungen, vereinfachte Kündigungen, längere Arbeitszeiten, kürzere Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaube, tiefere Entschädigungen und so weiter zur Folge. Das Personal würde alles verlieren.

Bourguet: Es wäre sinnvoller, bei der Organisation anzusetzen, damit nicht Personal mit Hochschulabschluss das Essen verteilen muss.

Messerli: Oder putzen zu lassen.

Bourguet: Es kann doch nicht sein, dass Leute mit einem Hochschulabschluss putzen müssen. Dafür müsste weniger gut qualifiziertes Personal eingesetzt werden.

Das Staatspersonalgesetz gibt dem Arbeitnehmer viele Rechte, dem Arbeitgeber lässt es kaum Handlungsspielraum. Ist das kein Problem?

Fragnière: Es gibt einige Dinge, die im Gesetz geändert werden müssen. Zum Beispiel was die Aushilfen angeht: Wenn ein Angestellter krank wird, kann das Spital erst nach einigen Monaten jemanden einstellen.

Bourguet: Wenn heute auf einer Abteilung zwei Personen des Pflegepersonals krankheitshalber fehlen, werden sie einfach durch zwei Kolleginnen einer anderen Station ersetzt, wo diese dann fehlen. Dann wäscht man die Patienten eben nur unter den Armen.

Was sorgt Sie am meisten?

Bourguet: Das Pflegepersonal ist nicht nur physisch, sondern auch psychisch ausgelaugt.

 

«Ich habe reduziert, weil ich nicht mehr konnte. Das bedeutet aber auch weniger Lohn.»

Cécile Messerli

Pflegefachfrau HFR

 

Ist das so?

Bourguet: Ja, deshalb habe ich zum Beispiel meinen Job als Pflegefachfrau in der Chirurgie aufgegeben. Mit 30 Jahren war ich schon am Ende. Ich habe bis zu 60 Stunden pro Woche gearbeitet. Zudem ist die Arbeit auch sehr unregelmässig. Darum senken die Leute sehr jung ihr Arbeitspensum und gründen eine Familie und bleiben mehrheitlich zu Hause. Viele junge Pflegefachleute, die ich ausgebildet habe und die die Verhältnisse am HFR kennen, sagten mir auch: «Ich komme nicht mehr hierher, ich gehe nach Bern.» Darum stellt das HFR übrigens oft Portugiesen und Franzosen ein, die kein Deutsch sprechen. Das ist für die deutschsprachigen Patienten ein echtes Problem.

Warum gehen die frisch ausgebildeten Pflegefachleute nach Bern?

Bourguet: Weil ein Universitätsspital ihnen einen klar regulierten Arbeitsrahmen bietet und es die Leute nicht putzen oder Überstunden machen lässt, wo sie doch einen Hochschulabschluss haben. Seit sechs Jahren sagen wir der Spitalleitung, dass es ein organisatorisches Problem gibt.

Wer ist verantwortlich für die schlechte Organisation?

Fragnière: Die Generaldirek­tion und der Verwaltungsrat.

Bourguet: Wir haben zum Beispiel während zweier Jahre mit einem Personalverantwortlichen gearbeitet, und dann ist dieser gegangen. All die Dinge, die wir aufgebaut haben, gingen flöten. Man muss sich fragen, ob sie uns nicht absichtlich gegen die Wand gefahren haben. Die Spitalleitung wusste, dass es bergab geht. Sie hat den Deckel drauf gehalten und jetzt, da es knallt, hat man keine bessere Idee, als die Löhne zu senken.

Burri: Es steckt keine finanzielle Logik dahinter, das ist alles ideologisch. Der Kanton hat nämlich Geld. Er hat Geld, um Steuergeschenke zu machen, aber nicht für die Gesundheit.

Bourguet: Und wenn er kein Geld geben will oder kann, dann soll er was tun. Die Politik hat sich einfach zurückgelehnt.

Fragnière: Das Problem ist, dass das Personal nie gefragt wurde. Es gab nur eine Vertreterin des Spitals, nämlich die Generaldirektorin, die das Personal aus dem Staatspersonalgesetz herauslösen wollte. Wenn sich die Politik nun auf die Lohngeschichte fokussiert, wird sie wertvolle Zeit verlieren und damit die Existenz des Spitals aufs Spiel setzen.

Messerli: Und von uns verlangt man immer mehr Flexibilität. Heute wurde ich zum Beispiel gefragt, ob ich morgen an meinem freien Tag einspringen kann.

Bourguet: Und bei uns auf der Intensivstation vergeht kaum ein Tag, wo wir nicht auf einer anderen Station aushelfen müssen. Die Kolleginnen rufen uns an: «Könnt Ihr uns nicht helfen, wir schaffen das nie.» Sie weinen am Telefon. Wenn dann einer unserer Patienten eine Stunde schläft, profitieren wir und helfen aus. Ich frage die Direktion ständig: «Was geschieht an dem Tag, an dem wir nicht einfach wegkönnen?» Dann stürzt alles in sich zusammen. Bezahlen werden das die Patienten.

Messerli: Ich habe reduziert, weil ich nicht mehr konnte. Das bedeutet aber auch weniger Lohn. Dazu kommt, dass wir es mit leidenden Menschen zu tun haben, die oft mit schlechten Nachrichten konfrontiert werden. Das erfordert viel Energie vom Pflegepersonal. Davon wird nie gesprochen.

Bourguet: Als ich in der Chirur­gie gearbeitet habe, hatte ich kaum Zeit, um auf die Sorgen der Patienten eingehen zu können. Und die Zeit, die man sich dann doch abgezwackt hat, bezahlte am Ende des Tages niemand. Denn bei den Krankenkassen zählen nur die Verbände, die Medikamente.

Fragnière: Kommt dazu, dass das HFR erwiesenermassen nicht alle Leistungen, die möglich sind, fakturiert. Eine Frau, die die Kodifizierung von Leistungen vornimmt, erzählte mir mal, dass es nicht selten passiert, dass sie bei Standardoperationen Protokolle erhält, auf denen Handlungen vergessen werden, die etwa bei einer Blinddarmoperation immer vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang ist die Idee, die Kodifizierung in Freiburg zentralisieren zu wollen, zudem schlichtweg falsch. Denn die Leute, die diese Aufgabe erledigen, brauchen kurze Wege, um Rücksprache mit dem involvierten Personal nehmen zu können.

Bourguet: Es braucht die transversale Diskussion. Es kann nicht jede Einheit nur für sich schauen. So hat eines Tages das Hotelleriepersonal entschieden, nur noch die schmutzigen Gläser einzusammeln, die Abfalleimer aber nicht zu leeren. Mit der Konsequenz, dass der Hotellerie­angestellten immer das Pflegepersonal hinterherläuft, um die Abfalleimer zu leeren.

Fragnière: Das Problem ist, dass die Spitalleitung kein Vertrauen in das Personal hat. Das ändert sich nun hoffentlich unter Ad-interim-Generaldirektor Marc Devaud. Er hört dem Personal zu.

Bourguet: Und wissen Sie, was er früher war? Pflegefachmann.

Zum Schluss noch mal anders gefragt: Was rechtfertigt eine Behandlung des Pflege­personals nach dem Staatspersonalgesetz?

Fragnière: Es erlaubt klare Verhältnisse und Sicherheit für das Personal zu moderaten Löhnen. Jemand, der viel verdienen will, geht in die Privatwirtschaft. Es geht darum, dass die Nutzer Vertrauen in die öffentlichen Spitäler haben.

Zu den Personen

Im Dienste der Gesundheit

Cécile Messerli ist 57-jährig. Seit 2002 arbeitet sie als Pflegefachfrau im Freiburger Spital mit einer Zusatzaus­bildung auf CAS Stufe (Certifi­cate of Advanced Studies) als Dialysespezialistin. Ihr Arbeitspensum beträgt 60 Prozent. Sie ist gemäss dem Lohnbe­wertungssystem Evalfri in der Lohnstufe 18. Das ist eine Klasse höher, als das Pflegefach­personal ohne Spezialisierung eingestuft ist. Die Lohnklasse 18 umfasst Löhne von 5905 bis 8897 Franken pro Monat. Rachel Bourguet ist 36-jährig. Sie ist seit acht Jahren am HFR angestellt. Sieben Jahre arbeitete sie als Pflegefachfrau in der Chirurgie, seit einem Jahr ist sie auf der Intensiv­station. Sie verfügt über einen Fachhochschulabschluss. Aufgrund ihrer Spezialisierung ist sie in der Lohnklasse 19. Diese reicht von 6140 bis 9219 Franken pro Monat. Die Lohnklasse 17, in der Pflege­fachkräfte ohne Spezialisierung eingestuft sind, umfasst eine Lohnspanne von 5678 bis 8587 Franken. Bernard Fragnière ist Präsident der Föderation der Personal­verbände der Staatsangestellten des Kantons Freiburg (Fede). Virginie Burri ist Gewerkschaftssekretärin beim Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD.

rsa

Chronologie

Wenn das Spital zum Patienten wird

Die Finanzen des Freiburger Spitals HFR sind seit mehreren Jahren in Schieflage. Der Staatsrat setzte darum eine Arbeitsgruppe ein, deren Bericht Ende April publik wurde. Danach sollen die Lohnkosten am HFR um 7,9 Prozent höher liegen als im nationalen Schnitt. Anfang Mai hat der Staatsrat einen ganzen Massnahmenplan für das Spital vorgestellt. So will er ein neues Gesetz über das Spitalpersonal schaffen: Die Angestellten sollten nicht mehr dem Staatspersonal­gesetz unterstellt sein. Zudem schlägt der Staatsrat vor, den Verwaltungsrat zu verkleinern; unter anderem soll die Gesundheitsdirektorin keinen Einsitz mehr haben. Der Staatsrat hat das Finanzinspektorat beauftragt, eine vertiefte Kostenanalyse vorzunehmen; diese soll Ende Juni vorliegen. Das öffentliche Spital HFR umfasst seit seiner Gründung 2007 die fünf Standorte Billens, Freiburg, Merlach, Riaz und Tafers.

rsa/njb

 

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