Autor: Urs Haenni
Eigentlich ist es ein Anspruch des Internationalen Filmfestivals Freiburg, Filme auf die Leinwand zu bringen, welche sonst fast keinen Zugang zu Kinosälen haben. Dies trifft gewiss auch auf die diesjährige Austragung zu. Allerdings gibt es einige gewichtige Ausnahmen. Im vielfältigen Programm befinden sich einige richtige Blockbuster, allen voran der brasilianische Abschlussfilm «Tropa de Elite 2» und der chinesische Wettbewerbsfilm «Aftershock».
«Tropa de Elite 2» von José Padilha hat es im letzten Jahr zum erfolgreichsten brasilianischen Film aller Zeiten geschafft. Er hat bis Ende letzten Jahres in Brasilien mit 46 Millionen Euro mehr eingespielt als «Avatar». «Aftershock» ist letzten Juli in China in mehr als 5000 Kinos gestartet; das sind mehr Säle als bei einem Hollywood-Hit in Amerika. Bereits im August hatte «Aftershock» den Rekord für den einträglichsten chinesischen Film aller Zeiten gebrochen. Bei Produktionskosten von 25 Millionen Dollar waren im zweiten Monat schon 80 Millionen Dollar eingespielt. Nicht zuletzt deshalb gilt Regisseur Feng Xiaogang als chinesischer Steven Spielberg.
Katastrophe und Gefühle
Tatsächlich ist «Aftershock» grosses Gefühlskino. Der Film beginnt mit dem Erdbeben von 1976 in der chinesischen Stadt Tangshan. Eine Mutter muss sich bei der Rettung ihrer verschütteten Kinder für eines der beiden entscheiden. Sie wählt den Sohn. Doch auch die Tochter überlebt, ohne dass die Mutter davon weiss. Erst 32 Jahre später, bei einem Erdbeben in Sichuan, findet die Familie wieder zusammen.
«Aftershock» vereint Elemente, welche in Hollywood aus «Titanic» einen Welthit gemacht haben. Das Erdbeben in Tangshan hatte innert weniger Sekunden 240 000 Menschen das Leben gekostet, und der Film macht daraus eine fast endlos dauernde Horrorsequenz. Doch bald geht der Film auf die menschliche Ebene über. Nicht eine Liebesgeschichte wie bei «Titanic», sondern die Trennung und Wiedervereinigung einer Familie verbinden verschiedene Erzählstränge. Der Film zeigt, wie die Mutter während all der Jahre der Trennung von Schuldgefühlen gemartert wird, und wie dann die Tochter nach der Wiedervereinigung ihrerseits von Schuldgefühlen erschüttert wird. Ganz nebenbei entsteht im Hintergrund aus den Erdbebentrümmern eines maoistischen Chinas eine moderne Wirtschaftsmacht.
Korrupte Polizisten
Für «Tropa de Elite 2» hatte bereits 2008 «Tropa de Elite» gehörig die Werbetrommel gerührt. Der Film um eine Eliteeinheit der Polizei in Rio de Janeiro gewann 2008 den Goldenen Bären in Berlin und lief auch in Freiburg, wurde aber vor allem in den frankophonen Ländern als gewaltverherrlichend und faschistisch kritisiert. «Tropa de Elite 2» ist noch erfolgreicher als der Vorgänger, auch, weil man dieses Mal besser auf die Raubkopierer vorbereitet war. Und der Fokus des Films wechselt. Nun sind nicht mehr Drogendealer in den Favelas die Gejagten, sondern korrupte Polizisten, die das Geschäft der Kriminellen übernommen haben.
Wiederum führen die Nahaufnahmen und die Tonarbeit das Publikum in die eskalierende Gewalt der Viertel Rios. Diesmal folgen die Brasilianer dem Regisseur Padilha vor allem deshalb, weil da einer kommt und sagt, Polizei und Politiker sind durch und durch korrupt, und ich zeige es euch ungefiltert. Subtil werden zwar die Zerrissenheit und Einsamkeit des Kommandanten Nascimento abgebildet, doch ein Grossteil der brasilianischen Kinobesucher lässt sich wohl eher von den populistischen Motiven des Films leiten, in dem einer die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zeigt.
«Aftershock»: Fr., 25. März, 12 Uhr, Rex 1. «Tropa de Elite 2»: Sa., 26. März, 17 und 20.30 Uhr, Rex 1.