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Kein ganz normaler Todesfall?

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Ich sitze bei der Trauerfamilie in der Küche, die Angehörigen erzählen mir vom Leben und Sterben des Vaters, der so plötzlich gestorben ist, dass sie den unerwarteten Tod einfach nicht verstehen können. Der Tod lähmt. Was bisher galt, ist plötzlich nicht mehr, der Alltag ist zerbrochen, und Sicherheiten sind zerschellt.

 

 Im Grunde geht es dieser Familie nicht anders, als es den Angehörigen von Jesus an Karfreitag gegangen ist. Auch sie waren mit seinem plötzlichen Tod konfrontiert, den sie so nicht erwartet hatten.

 

 Wenn wir den Evangelien glauben können, dann hatte sich Jesu gewaltsamer Tod abgezeichnet. Seine Art zu leben und zu predigen, seine Art, auf Menschen zuzugehen und Grenzen zu überwinden, stiess bei den Systemträgern zunehmend auf Widerstand. Das normale Volk, die einfachen Männer und Frauen dagegen knüpften überhöhte Erwartungen an ihn, denen er nicht gerecht werden konnte und wollte. Und so war es fast unausweichlich, dass sich an Jesus die Wut, die Angst und die Enttäuschung der Menschen entlud. Sein Tod war die grausame, aber logische Konsequenz. Trotzdem war er für die Angehörigen unbegreiflich, überraschend und sehr, sehr schmerzhaft. Mit seinem Tod war auch ihr Leben infrage gestellt, hatten sie doch ihr bisheriges Leben weitgehend aufgegeben und waren mit dem Wanderprediger Jesus durchs Land gezogen. Sie hatten seine Ideale übernommen, hatten sich auf seine Art, zu denken und zu handeln, eingelassen und es ihm nachgemacht. Was blieb davon noch, nach seinem Tod? Zusätzlich mussten sie sich noch fragen, ob sie selbst jetzt auch in Gefahr wären und den Römern ausliefert würden.

 

 Den Tag nach der Kreuzigung, den Sabbath, verbrachten sie wohl in aller Stille, so wie es die Sabbath-Gebote verlangten. Vermutlich sassen sie beieinander, teilten ihre Erinnerungen, ihren Schmerz und ihre Fassungslosigkeit. Vielleicht waren sie ähnlich gelähmt wie wir, wenn uns ein liebes Familienmitglied unerwartet stirbt. Oder wenn unser bisheriger Lebensentwurf, unsere Werte und Ziele auf einmal infrage gestellt werden.

 

 Erst am nächsten Morgen, so berichten die verschiedenen Evangelien, machten sich ein paar Frauen auf, um Jesus mit duftendem Öl einzureiben. Es gehörte zum Brauch und entspricht dem Bedürfnis, dem Verstorbenen noch etwas Liebes zu tun. So wie wir auf den Friedhof gehen, die Schleifen der Kränze liebevoll zurechtrücken, verblühte Blüten wegschneiden und eine neue Kerze anzünden.

 

 Bis hierher scheint der Tod Jesu ein ganz normaler Todesfall zu sein. Ganz normal in dem Sinne, dass die Trauer seiner Vertrauten unserer Trauer gleicht, dass deren Verwirrung unserer ähnelt, dass deren Fragen unseren Fragen entsprechen. Doch was die Angehörigen nun erlebten, sprengt alles, was sie vom Leben verstanden hatten und sprengt auch unsere Vorstellungskraft. Und es lässt selbst das Sterben Jesu und damit sein ganzes Leben in einem neuen Licht erscheinen.

 

 Die Frauen gingen zu den Felsengräbern und wurden mit etwas konfrontiert, womit sie im schlimmsten Albtraum nicht gerechnet hätten: Das Grab war leer. Der grosse Stein, der die Gruft verschlossen hatte, war beiseite gerollt, die Stelle, wo sie Jesus am Karfreitagabend abgelegt hatten, verlassen, die Tücher, mit denen er eingewickelt war, säuberlich zusammengelegt. Alle Evangelien beschreiben die unglaubliche Angst und Furcht der Frauen, das Nicht-Verstehen, die Konsternation.

Was war geschehen? Keines der Evangelien berichtet, was genau in der Nacht passiert war. Nicht eine Silbe lesen wir davon.

 

 Nicht der Akt der Auferstehung war von Interesse, sondern die Wirkung.

 

 Die Frauen flohen, und auch die Jünger waren mit der Situation überfordert. In den folgenden Tagen hatten sie aber seltsame Erlebnisse: Jesus begegnete ihnen. Plötzlich, ohne Vorankündigung schien er bei ihnen zu sein, unterhielt sich mit ihnen, nahm an ihrem Leben teil und verschwand genau so unvermittelt wieder.

 

 Nach einer anfänglichen Verwirrung erinnerten sie sich dann daran, wie in der Begegnung mit dem Menschen Jesus bereits eine andere Qualität von Beziehung und Leben möglich geworden war, wie Menschen sich aufgerichtet hatten, Grenzen überwunden und neu leben gelernt hatten. Sie begannen zu glauben, dass Gott in der Nacht zu Ostern eingegriffen hatte. Dass Gott nicht zugelassen hatte, dass die tödliche Gewaltspirale das letzte Wort hatte. Dass Gott in der Lage war, über den Tod hinaus oder durch den Tod hindurch neues Leben zu schaffen. Sie begannen zu erahnen, dass im Menschen Jesus Gott selbst fassbar geworden war. Sie begannen zu glauben, dass der Tod Jesu eben doch kein normaler Todesfall gewesen war. Und sie nannten das, was sie erlebten, Auferstehung. Sie spürten, dass in Tod und Auferstehung Jesu auch für sie etwas Neues begonnen hatte. Die Erlebnisse müssen so intensiv und grundlegend gewesen sein, dass die Menschen all ihre Angst und Furcht vor dem, was sie noch an Karsamstag gelähmt hatte, überwinden konnten, dass sie aufstanden und die Sache Jesu zu ihrer Sache machten. Obwohl sie noch an Karfreitag und Karsamstag vermutetet hatten, dass sie sich in Jesus getäuscht hatten und alles doch nur ein Wunschtraum gewesen war, erwachte in ihnen eine neue Kraft, eine neue Gewissheit. Sie überwanden ihre Starre, sie begannen seine Botschaft zu verkündigen, begannen sein Leben weiterzuerzählen.

 

 Seither versuchen wir zu verstehen, was in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag geschehen ist. Wenn allein der Verstand fragt, werden wir scheitern. Beweisende Antworten gibt es keine.

Im reformierten Kirchengesangbuch* ist ein Osterlied von Lothar Zenetti wiedergegeben. Es ist ein Lied mit ungewohnten Rhythmen, etwa so, als wäre der gewohnte Takt aus den Fugen geraten. Wer das Lied zum ersten Mal singt, stolpert, schüttelt den Kopf.

 

 «Seht, der Stein ist weggerückt, nicht mehr, wo er war, nichts ist mehr am alten Platz, nichts ist, wo es war.

Seht, das Grab ist nicht mehr Grab, tot ist nicht mehr tot, Ende ist nicht Ende mehr, nichts ist, wie es war.»*

Vielleicht ist es genau das: Ostern lässt sich nicht mit gewohnten Rhythmen erklären. Ostern bleibt fremd. Ostern wird nie zu beweisen sein und nicht zu erklären. Ostern kann nur erlebt werden. Wenn jemand ins Leben hinein aufersteht. Wenn der Glaube an die Auferstehung Jesu Kraft spendet, sich aufzurichten, wo alles vorbei schien.

 

 Es war eben doch kein ganz normaler Todesfall.

* Lothar Zenetti. Nr. 481, «Seht der Stein ist weggerückt». Reformiertes Gesangbuch, Friedrich Reinhardt Verlag, Basel, und Theologischer Verlag Zürich, 1998.

Seht, das Grab ist nicht mehr Grab, tot ist nicht mehr tot, Ende ist nicht Ende mehr, nichts ist, wie es war.

«Seht, der Stein ist weggerückt»

Lothar Zenetti

Nicht der Akt der Auferstehung war von Interesse, sondern die Wirkung.

Sabine Wälchli

Pfarrerin Kerzers

Zur Person

Pfarrerin Sabine Wälchli, Kerzers

Sabine Wälchli, geboren am 27. Mai 1968, ist in der Region Olten aufgewachsen. Sie studierte an der Universität Bern Theologie. Das Vikariat absolvierte sie in der Stadtberner Kirchgemeinde Nydegg. Nach Abschluss des Studiums übernahm sie Stellvertretungen für Pfarrpersonen im Kanton Bern und erhielt so Einblicke in viele Kirchgemeinden. Gemeinsam mit ihrem Mann übernahm sie 1997 im Jobsharing das Pfarramt Dulliken. 2002 wechselte sie in die Gemeinde Rüfenacht im Berner Oberland. Seit 2013 ist Wälchli evangelisch-reformierte Pfarrerin in der Kirchgemeinde von bernisch und freiburgisch Kerzers, Mitglied der Synode der reformierten Freiburger Kantonalkirche sowie Co-Präsidentin des Pfarrkonvents der Freiburgischen evangelisch-reformierten Kantonalkirche.fca

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