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Kein Platz für schwierig einschätzbare Experimente im Gesundheitswesen

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Leitartikel

Autor: Walter Buchs

Kein Platz für schwierig einschätzbare Experimente im Gesundheitswesen

Wieder einmal eine Abstimmungsvorlage im Bereich Gesundheit, bei der es sehr schwierig ist, die effektiven Auswirkungen abzuschätzen. Diesen Eindruck erhält man, wenn man sich mit dem Inhalt des Verfassungsartikels «Für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung» sowie den Argumenten der Befürworter und Gegner beschäftigt. Bei der Vorlage handelt es sich um einen direkten Gegenvorschlag zu einer SVP-Initiative, die tiefere Krankenkassenprämien in der Grundversicherung und damit einen deutlichen Leistungsabbau verlangte. Um die Urheber der Initiative zu bewegen, diese zurückzuziehen, ist ihnen das Parlament soweit entgegengekommen, dass mit dem Gegenvorschlag nun ein wahltaktisch motivierter fauler Kompromiss vorliegt.

Der Gesundheitssektor mit mittlerweile gesamtschweizerisch über 300 000 Vollzeitstellen und Kostenfolgen von rund 50 Mia. Fr. sowie anhaltendem Wachtumstrend würde es eigentlich verdienen, in der Verfassung präziser umschrieben zu werden, als es heute der Fall ist. Die Absicht des Parlamentes, den Gegenvorschlag der SVP-Initiative dazu zu nutzen, wesentliche Elemente und Grundsätze der Krankenversicherung wie andere Zweige der Sozialversicherung auf Verfassungsstufe zu regeln, war deshalb durchaus richtig. Trotz dringendem Reformbedarf ist dies dem Parlament angesichts eines unversöhnlichen Richtungsstreits zwischen zentralstaatlicher Planung und rein wettbewerblich orientiertem Konzept in den vergangenen zehn Jahren nicht gelungen.

Der am 1. Juni zur Abstimmung gelangende Verfassungsartikel nennt nun als Grundsätze der Krankenversicherung neben der Beibehaltung des Obligatoriums Qualität, Transparenz, Wirksamkeit, Eigenverantwortung und Wirtschaftlichkeit. Dagegen hat wohl niemand etwas einzuwenden. Erstmals tritt in diesem Zusammenhang der Begriff Wettbewerb auf, und zwar sogar zwei Mal. Demgegenüber fehlt der explizite Bezug zur Solidarität unter den Versicherungsnehmern. Das ist in einem Grundsatzbeschrieb für eine Sozialversicherung ein bedeutsames Manko, auch wenn Bund und Kantone zu Prämienverbilligungen zu Gunsten wirtschaftlich Schwächerer verpflichtet werden.

In den weiteren Bestimmungen des deutlich von liberalem Gedankengut geprägten Verfassungsartikels ist das Parlament klar übers Ziel hinausgeschossen. Neu müsste die Krankenversicherung bei Pflegebedürftigkeit nicht mehr zwingend Leistungen übernehmen. Im Text steht nämlich ausdrücklich, dass die Krankenversicherung Leistungen für die Pflege im Pflegeheim und zu Hause vorsehen «kann», und nicht mehr muss. Angesichts der Zunahme der Lebenserwartung und damit der Pflegebedürftigkeit ist das klar ein Rückschritt und eine Desolidarisierung. In der Praxis würden die Kosten auf die Kantone abgeschoben.

Ein anderer Knackpunkt ist die Spitalfinanzierung. Heute werden die stationären Leistungen der Spitäler gemeinsam von den Krankenkassen und Kantonen finanziert. Neu sollen die Spitäler nur noch einen Finanzierungspartner ausweisen (sog. Monismus); das wären die Krankenkassen. Zusammen müssten die Kantone diesen jährlich rund acht Mrd. Fr. übertragen, welche heute gezielt für Leistungen von Spitälern, Pflegeheimen und Spitex eingesetzt werden. Ohne diese Gelder würden den Kantonen – für Freiburg sind es nahezu 250 Mio. Fr. – Mittel und Möglichkeiten fehlen, ihren verfassungsmässigen Versorgungsauftrag zu erfüllen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig hätten die Versicherer keinen gesetzlichen Auftrag, die medizinische und pflegerische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Zudem ist zu befürchten, dass die Kassen noch mehr als heute Einfluss auf die Spitalplanung nehmen werden, wie man es im Kanton Freiburg erlebt hat.

Ein zusätzlicher wunder Punkt ist der Vertragszwang resp. die -freiheit. Dieses Element wird zwar im Verfassungstext nicht explizit erwähnt. Die Befürworter betonen heute, dass es gar nicht darum gehe. Doch noch in der Parlamentsdebatte im vergangenen Dezember haben sie die Vertragsfreiheit als «Eckzahn» der Vorlage bezeichnet. Die Kehrtwende in der Argumentation ist nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Absichten der Befürworter zu stärken.

Jedenfalls ist das sich aufdrängende Nein zum Gesundheitsartikel kein Nein zu Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Mit einem Nein zur Vorlage sagen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vielmehr Ja zu den bereits beschlossenen und in die Wege geleiteten Reformen des Parlaments. Und diese gehen nach Jahren des Stillstands nun doch in die richtige Richtung.

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