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Alles zu meiner Zeit

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Ich besitze eine SRF-App, die mich fortlaufend mit den aktuellsten Meldungen aus aller Welt versorgt. Selbst wenn das Handy unbenützt irgendwo herumliegt, leuchtet der Bildschirm (veraltetes Wort für Display) plötzlich von selbst auf und bestürmt mich mit einer noch aktuelleren Nachricht. (Vermutlich sind wir die bestinformierte Generation der Menschheitsgeschichte, die sich am wenigsten auskennt in der Welt, in der sie lebt.)

 

Neulich las ich folgende Aufforderung: «Abonnieren Sie den neuen ‹News am Morgen›-Push und erfahren Sie, was passiert ist, während Sie geschlafen haben!» Pardon, noch bevor ich den Schlaf aus den Augen gerieben, die Blase entleert und die Zähne geputzt habe, noch bevor ich mich also in meiner kleinen, überschaubaren Welt einigermassen zurechtgefunden habe, soll ich mich bereits um die Welt im Grossen kümmern! Warum behandeln die mich wie einen News-Junkie, der an der Spritze hängt und ständig um neuen Stoff bettelt? Muss ich mich Herrgott noch mal dafür entschuldigen, dass ich mich für ein paar Stündchen ins Bett lege, während die Welt da draussen weiter verrückt spielt? Heisst schlafen heutzutage nur noch verschlafen? Und muss ich das Verschlafene jetzt also spätestens mit dem Morgenkaffee pflichtschuldigst in mich hineinschlürfen?

 

Zugegeben, meine Empörung ist selbst verschuldet. Schliesslich leben wir in einem freien Land. Niemand zwingt mich, diesen «News am Morgen»-Push zu abonnieren, auch für die SRF-App habe ich mich freiwillig entschieden (als Nachrichtenlieferantin täten es die FN doch auch). Ja, selbst das Smartphone hat mir kein anderer aufgezwungen als ich selbst. Ginge es nicht auch ohne? Ich zögere, diese Frage mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Für viele Gleichaltrige und Ältere ist dieses Gerät so etwas wie eine unverzichtbare Waffe gegen das Abgehängtwerden, eine Art Überlebenshilfe in einer Welt, die uns unseren ungestörten Schlaf nur verzeiht, wenn wir uns mit den «News am Morgen» durch den erwachenden Tag pushen lassen.

 

Kürzlich musste ich mir beim Lesen eines Artikels auf meiner SRF-App eingestehen, dass mein täglicher Kampf gegen das Abgehängtwerden immer aussichtsloser wird. In seiner Streitschrift «Die Welt, die ihr nicht mehr versteht» fordert nämlich ein 25-jähriger Informatiker und Software-Unternehmer namens Samuel Koch den Rückzug der (holen Sie mal kurz Luft!) über 40-Jährigen von der öffentlichen Bühne. Wörtlich: «Mit 40 sollte man sich strategisch zurückziehen und den jungen Leuten die Bühne freimachen, damit sie die Zukunft gestalten können.» Wir Ergrauten können uns also noch so sehr bemühen, auf der digitalen Welle mit den Jungen durch die Welt zu surfen, am Schluss sehen wir so alt aus, wie wir tatsächlich sind. Nur dass das Alter jetzt schon mit 40 beginnt, war mir neu. Wahrscheinlich auch wieder so ein «News am Morgen»-Push, den ich sträflich verschlafen habe.

 

Ich plädiere für einen Geschwindigkeitsstreik der Ü40, für Fridays for stop the Future! Irgendwann wird auch dem allerletzten U40-Gestalter der Zukunft dämmern, was der hellsichtige George Orwell schon vor 100 Jahren ohne Zuhilfenahme der «News am Morgen»-Pushs feststellte: «Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, wir laufen nur eiliger an ihr vorbei.»

Hubert Schaller ist unter anderem Autor der Gedichtbände «Trommelfellschläge» (1986), «Drùm» (2005) und «Federleicht» (2016). Bis zu seiner Pensionierung unterrichtete er Deutsch und Philosophie am Kollegium St.  Michael in Freiburg. Als FN-Gastkolumnist schreibt Hubert Schaller regelmässig über selbst gewählte Themen.

 

«Warum behandeln die mich wie einen News-Junkie, der an der Spritze hängt und ständig um neuen Stoff bettelt?»

 

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