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Ein Mitläufer

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Wer mit mir reist, der muss mit seinem Leben im Reinen sein» meinte mein Begleiter lapidar, als wir zum zweiten Mal von der Strasse abkamen und ins Unterholz schlitterten. Wir teilten uns den Beifahrersitz und konnten uns auch diesmal irgendwie aneinander festhalten. Dem Fahrer wollten wir aber keinen Vorwurf machen: Es goss an diesem späteren Nachmittag in Strömen, der lehmige Untergrund war die reinste Rutschbahn, und der Passagier, mit dem er den Sitz teilte, war trotz der klaren Anweisungen nicht der Schnellste im Schalten.

 

Wieder hiess es also aussteigen und gemeinsam den Toyota Corolla zurück auf die Strasse schieben. Die drei Frauen, die sich mit zwei älteren Herren den Rücksitz teilten, durften selbstredend im Trockenen bleiben. Verständlich, dass sie nicht eben erfreut waren, als der Rest von uns nach getaner Arbeit triefend und tropfend wieder einstieg.

Beim dritten Mal war ich richtig geschafft. Zu meiner Verteidigung: Von den Sumpfdurchquerungen auf der anstehenden, zweiwöchigen Exkursion in den tiefen Regenwald wusste ich noch nichts. Beim vierten Mal hatte es immerhin aufgehört, zu regnen. Dafür steckte das Auto so tief im Schlamm, dass wir im nächsten Weiler Hilfe holen mussten. Dass der Fahrer den Fahrplan nicht einhalten würde, war nun klar, was zu Unmutsbekundungen auf dem Rücksitz führte.

Diese schlugen in lautstarke Reklamationen um, als wir nach erfolgreicher Bergung feststellten, dass das rechte Hinterrad einen Platten hatte. Dem Fahrer gelang es schliesslich, die Gruppe zu beruhigen: Er hatte ein Reserverad. Wenige Kilometer später ging auch diesem die Luft aus – wir waren gestrandet.

Eine Übernachtung im Regenwald ist immer abenteuerlich. Ich erinnere mich zum Beispiel lebhaft an den frühen Morgen, an dem eine Gruppe neugieriger Mandrills unser Zelt belagerte. Oder als mitten in der Nacht eine Kolonie von Treiberameisen durch unser Camp zog und sich über unsere Rucksäcke hermachte. Unsere lokalen Begleiter retteten uns, indem sie Glut um das Zelt streuten.

Wir verdanken den beiden viel, und insbesondere Petit. Dieser führte uns zuverlässig durch das grüne Labyrinth, in dem wir zwar selten weiter als drei Meter sahen, aber öfter als mir lieb war, bis über die Taille im Sumpf steckten. Petit, ein Baka-Pygmäe, war noch nie in diesem Teil des Waldes gewesen, sondern führte uns nur aufgrund von Erzählungen seines verstorbenen Vaters. Er liess uns frischen Honig und mir noch immer unbekannte Früchte kosten, fing Fische mit Schnur und Büroklammer und baute sich jeden Abend eine kleine Hütte aus Blättern, die deutlich dichter war als unser Zelt. Und er spürte für uns Elefanten auf, sowie Schimpansen und eine Vielzahl weiterer Primaten. Nur Gorillas ging er hartnäckig aus dem Weg. «Le gorille est méchant», sagte er und zeigte uns seinen fehlenden Mittelfinger, den ihm ein junges Gorillamännchen im Streit um die Bananen seiner kleinen Plantage abgebissen hatte.

Unser zweiter Führer, ein junger Bantu, war ein Arbeitstier, der uns mit seiner Machete emsig einen Tunnel schlug. Unser Beitrag beschränkte sich darauf, das meiste Gepäck zu schultern und regelmässig Bäume zu vermessen. Wir waren ein tolles Team, aber uns war allen klar: Ohne Petit kommen wir hier nie wieder raus.

All das lag noch vor mir, als wir den Toyota Corolla samt plattem Reifen und Frauen in die anbrechende Nacht schoben. Blitze am Himmel kündigten weiteren Regen an. Gerade noch rechtzeitig erreichten wir eine Baka-Siedlung, bestehend aus kleineren Hütten und einem grösseren Gemeinschaftshaus. Die Mitreisenden waren beruhigt: Wir würden ein Dach über dem Kopf haben. Und der Fahrer bot uns an, das Stachelschwein zu rösten, das er vor dem Aufbruch auf dem Markt er­standen hatte. Wir platzten in den Gemeinschaftsraum, und nach einem kurzen Wortwechsel überliessen uns die Baka ihr Feuer und zogen sich in eine Ecke zurück, um zu musizieren.

Nach dem üppigen Mahl wurde uns ein Bett in einer Hütte zugewiesen. Darin schliefen wir unruhig. Nicht nur, weil das Bett deutlich zu kurz war, sondern auch, weil wir eigentlich wussten, dass unserer Anwesenheit am ­Feuer und in dieser Hütte nie eine Einladung vorausgegangen war. Wir verstanden zwar den knappen Austausch zwischen den Baka und unserem Fahrer nicht. Aber es wurde uns doch bewusst, dass wir eben Mitläufer bei einer überaus diskriminierenden Handlung waren.

Wir waren früh auf den Beinen. Der Fahrer war noch mitten in der Nacht aufgebrochen, um ein neues Rad zu organisieren. Also erkundigten wir uns bei unseren Mitreisenden, ob unser Eindringen bei den Baka in Ordnung war. «Das sind Baka!» Was wir ihnen für die Übernachtung schulden? «Das sind Baka!» Um unser Gewissen zu beruhigen, machten wir die Besitzerin unserer Hütte ausfindig und bezahlten ihr das Doppelte von dem, was wir in der letzten Stadt für ein Hotelzimmer bezahlt hatten. Aber ein reines Gewissen lässt sich nicht erkaufen.

Viele Bantu betrachten sich als den Pygmäen überlegen, und noch heute gewähren jenen viele Länder keine Staatsbürgerschaft oder fairen Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. Aber Rassismus bekämpft man nicht nur mit einer Gesetzesänderung, sondern indem man sich gegen jede rassistische Handlung wehrt. Diese Zivilcourage aufzubringen ist oft schwierig, gerade wenn mit einer solchen Selbstverständlichkeit diskriminiert wird wie an jenem Abend vor über zehn Jahren. Dass ich es aber damals unterlassen habe, dafür schäme ich mich bis heute.

Daniel Wegmann ist Professor für Bioinformatik an der Universität Freiburg und entwickelt statistische Verfahren, um evolutive und ökologische Prozesse aufgrund grosser Datensätze zu beschreiben. Er hat in Bern und den USA studiert und ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die regelmässig naturwissenschaftliche Themen bearbeitet.

Gastkolumne

«Viele Bantu ­betrachten sich als den Pygmäen ­über­legen, und noch heute gewähren ihnen viele Länder keine ­Staatsbürgerschaft. »

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