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Eine Rote Liste für bedrohte Tugenden

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Bedrohte Tiere und Pflanzen werden auf einer Roten Liste erfasst. Die Arten sterben schneller, als die Liste aktualisiert werden kann. Experten schätzen, dass pro Tag zwischen 50 und 150 Pflanzen- und Tierarten von der Erde verschwinden.

Obwohl viel darüber geschrieben wird, sind offensichtlich nur Tier- und Pflanzenfreunde besorgt. So viel zur ernüchternden Wirkungslosigkeit von Roten Listen im öffentlichen Raum.

Trotzdem bin ich dafür, dass wir auch eine Rote Liste für von dem Aussterben bedrohte zwischenmenschliche Pflänzchen einführen. Da kommen mir gleich drei solcher Pflänzchen in den Sinn, die es in unserer rüpelhaften Zeit immer schwerer haben, nämlich Dankbarkeit, Höflichkeit und Humor.

Kaum jemand setzt sich für deren Überleben mit der gleichen inneren Überzeugung ein, wie sich Tier- und Pflanzenfreunde für ihre Sache einsetzen. Deshalb reizt es mich, hier jetzt mal als Tugendritter aufzutreten und eine Lanze zu brechen für etwas, das ich als sozialen Kitt für ebenso wichtig halte wie Arbeit, Geld oder die Sozialwerke.

 

Nehmen wir mal nur die Dankbarkeit. Der Philosoph André Comte-Sponville bezeichnet sie als eine «mozartische» Tugend. «Und das nicht nur, weil Mozart sie in uns erweckt, sondern weil er sie singt, weil er sie verkörpert, weil in ihm diese Freude ist, diese überschwängliche Dankbarkeit für etwas, das sich nicht näher bezeichnen lässt.»

Nur, wenn Dankbarkeit so mozartisch schön ist, warum tun wir uns dann so schwer damit? Warum gehört sie dann auf die Rote Liste der bedrohten Tugenden? Aufrichtige Dankbarkeit ist ein Ausdruck von Freude über empfangene Freuden, «ein Glück mehr für ein Mehr an Glück», wie Comte-Sponville sagt. Das Reservoir an Menschen und Dingen, die unsere Dankbarkeit verdienen, ist unerschöpflich: Wir können dem Partner dankbar sein, dass er uns liebt, den Eltern, dass sie uns das Leben geschenkt haben. Wir können uns dankbaren Herzens vor der Sonne verneigen, dass sie uns bescheint, vor dem Schicksal, dass es uns vor Hunger und Krieg bewahrt. Monet verdient unseren Dank, weil er uns mit seinen Bildern bezaubert, Haydn, weil er uns mit seiner Musik erhebt usw.

 

Dankbarkeit bedeutet anzuerkennen, dass die Ursache der empfangenen Freude ausserhalb von uns selbst liegt. Ein Egoist bringt es darin nicht weit. Nicht, weil er ungern empfängt, sondern weil er sich nicht gerne eingesteht, dass er etwas von anderen geschenkt bekommen hat und dafür Dank schuldet. Weil er nicht gerne gibt. Weil er die Freude lieber für sich behält, als sie mit anderen zu teilen. Dadurch erhält seine Freude etwas Geringfügiges, Schäbiges. Auch der Habgierige wird nie zum Meister der Dankbarkeit heranreifen. Dafür steht ihm seine Anspruchshaltung im Weg. Er nimmt für selbstverständlich, was er besitzt. Er begnügt sich nicht mit dem Nötigen. Er hortet das Überflüssige. Überfluss aber ist der Dolchstoss in das Herz der Dankbarkeit.

 

Kein Wunder, dass uns die Ärmsten der Armen immer wieder eine Lektion erteilen in Sachen Dankbarkeit. Wer sich um eine einfache Mahlzeit sorgt, dem ist nichts selbstverständlich. Einfachheit ist der Humus, auf dem das Pflänzchen Dankbarkeit am besten gedeiht.

«Warum», frage ich meine Tochter, «fühlst du dich in Afrika so wohl?» – «Weil ich mich hier in einer Freude üben kann, die es bei uns kaum mehr gibt: die anspruchslose Freude, einfach da zu sein, hier und jetzt!»

 

Nostalgie klammert sich an die Vergangenheit. Hoffnung ist eingebildete Zukunft. Dankbarkeit hingegen ist reine, hellsichtige Gegenwart. Macht Zufriedenheit dankbar? Eher umgekehrt: Dankbarkeit macht zufrieden. Das wäre der Quantensprung von der Cartesianischen Seinsgewissheit in die postnarzisstische Glücksgewissheit, vom: «Ich denke, also bin ich» zum: Ich danke, also bin ich glücklich!

Hubert Schaller ist unter anderem Autor der Gedichtbände «Trommelfellschläge» (1986), «Drùm» (2005) und «Federleicht» (2016). Bis zu seiner Pensionierung unterrichtete er Deutsch und Philosophie am Kollegium St. Michael. Als FN-Gastkolumnist schreibt er regelmässig über selbst gewählte Themen.

 

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