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Manolo

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Es liegen wieder diese leeren Nussschalen auf Strassen und Plätzen herum, und ich muss lachen, weiss, wer da am Werk ist. Eine Nuss aus richtiger Höhe auf die Strasse fallen lassen, damit sie aufspringt, um so an ihren Kern zu kommen, das beherrschen sie aus dem Effeff, die intelligenten Rabenvögel. Jene, die nicht nur versteckte Nüsse finden, sondern auch rückwärts fliegen können, die Orte und Gesichter wiedererkennen, sind eben auch Planer. Dazu denken die Menschen noch allerhand in sie hinein, machen sie zu Unglücksraben: Sie symbolisieren für viele das Dunkle, Tödliche, Böse und sind oft nur lästig. Den Raben, den Krähen ist solches egal. Sie bleiben sich seit Menschengedenken treu und sind schamlos frech und verspielt in ihrer Autonomie.

 

Es ist noch nicht lange her, da schoss man in Jagd-Schonzeiten auf Raben, um schussfit zu bleiben. Wenn mir im Winter diese herumliegenden Nussschalen auffallen, fallen mir auch viele Erinnerungen ein an einen Freund aus einer andern Spezies: an eine aufregende Freundschaft mit Manolo. Die Erinnerung an eine riesige Kartonschachtel, mit welcher ein Bekannter eines Tages vor unserer Tür stand. Die Schachtel war ein Geschenk für mich und war eigenartig bewegt. Es kratzte und klopfte aus ihrem Innern heraus, verlangte meinen ganzen Mut, um nur eine Kartonklappe zu heben. Ein mir riesig scheinender Rabe starrte mich ängstlich und wild zugleich aus schwarzen Rundaugen an, schlug etwas mit den Flügeln … Es war zum Schachtelschliessen. «Gerade noch erwischt!», sagte der Raben-Überbringer; erwischt, bevor er, der schon aus dem Nest steigen konnte, dann abgeflogen wäre, in die Krähenwelt.

Ich war beeindruckt und überfordert. Was sollte ich mit diesem Vogel tun? Schon lange hätte ich gern ein Luftwesen in meiner Nähe gehabt, mit einem solchen zu kommunizieren versucht. Dahingehend hatte ich mich wohl bei unserem Bekannten mal geäussert, was zu der lebendigen Riesenschachtel führte. Vielleicht kennen die Vögel die Daten des Universums? Vielleicht haben die Vögel einen gelassenen Überblick auf die Erde? Eine Vogelseele muss luftig und leicht sein. Lohnenswerte Überlebensweisen, die sich vielleicht etwas übertragen könnten auf mich, gaben mir den Mut das Luftwesen anzunehmen.

Das zukünftige Zähmen des Vogels verbot fortan jegliche Träumerei. Unser Zusammenleben begann und dauerte fast zwei Jahre. Nach drei Tagen in unserer Wohnung, wo ich oft Gartenhandschuhe trug, aus Furcht vor Schnabel und Füssen, Hörnli kochte, mit dem Raben sprach, mich immer wieder in seiner Nähe aufhielt, war unser Garten an der Ringmauer ein passenderes Zuhause. Ich machte mir Sorgen, ihn weder fliegen noch singen lehren zu können. Ich konnte ihm weder artspezifische Gesänge bieten, um seine Lautbildungsorgane zu trainieren, noch ihm den Flügelschwung vorzeigen, was seine Mutter sicher getan hätte. Mir schienen seine heiseren Schreikrächzer lange nicht rabengleich. Und ich suchte auch mal eine Tierärztin auf. Ich hatte befürchtet, vielleicht die tonbringenden Membrane beim Stopffüttern beschädigt zu haben, was dann aber blosse Angst meinerseits gewesen war. Es gibt Raben, die mittels ihrer Membrane sogar zweistimmige Gesänge erzeugen, Manolo tat das nie.

Er lernte selber fliegen und Rabenweisen singen, und wenn es mir gelang, seine lebendigen Augen mit meinem Blick festzuhalten, wenn er auf meinem Unterarm sass und ich mit ihm sprach, begann er zu gurgeln. Er würde sprechen lernen, dachte ich. Bald kannte er das ganze Städtchen, Orte und verschiedene Menschen. Er flog durch offene Fenster. Immer wieder besuchte er ein Arbeitsatelier der Firma Saia zur Belustigung aller Arbeitenden, immer wieder besuchte er den Französischunterricht im Schulhaus, wo er freudig willkommen war, denn der Raben-Überbringer selbst war der Französischlehrer. In unserem Garten lebte er täglich genüsslich mit uns und fast mit voraussehbarer Anflugzeit. Morgens klopfte er an mein Fenster, um sein Essen zu erhalten. Ich erhielt auch aufgebrachte Telefonanrufe, wenn Manolo im Gartenrestaurant den Gästen vor die Teller hüpfte, um Leckereien zu erwischen. Wenn er im Tea Room Leute zu Tode erschreckte, wenn er ihnen auf dem Schoss landete, wenn er Gipfeli stahl. Ich solle bitte meinen Vogel abholen, sagten die Leute, oder ich solle bitte Gestohlenes bezahlen kommen, ein paar neue Jeans kaufen für eine Frau, die ihren Kaffee verschüttete aus grossem Schreck vor so viel Rabenvogel-Nähe.

Das waren Momente, in denen ich mir bewusst war, dass ein wildes Tier zähmen auch falsch sein könnte, dass man nicht mit Menschenlogik und -vernunft eine Tierlogik verstehen wollen kann. Es ist mir sehr recht, wenn mir im Winter Nussschalen am Boden auffallen, ich gleite gerne ab und zu in die Erinnerung an eine Zeit, da mir ein Wesen aus einer anderen Spezies Vertrauen schenkte. Einfach so.

Manolo war eines Tages nicht mehr zurückgekehrt von seinen Streifzügen.

Sus Heiniger ist Kunstmalerin und lebt in Murten. Als FN-Gastkolumnistin schreibt sie regelmässig über selbst gewählte Themen.

 

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