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Von Sternen und Menschen

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Vor einiger Zeit übernachtete ich in einer hoch über Engelberg gelegenen Berghütte. Nach dem Nachtessen zog es mich auf die Terrasse. Eine Frau mittleren Alters stand ebenfalls dort, eine warme Decke um die Schultern gehüllt.

«Hat es Sie auch auf eine Zigarettenlänge nach draussen verschlagen?», meinte sie in unverkennbarem Basler Dialekt. «Nein, ich möchte bloss den Himmel betrachten. So wie hier in einer Höhe von 2000 Metern in sternenklarer Nacht präsentiert er sich unten im Tal nie.» – «Aha!» – «Zu grosse Lichtverschmutzung.» – «Lichtverschmutzung? Nie gehört!» – «Na ja, so nennt man das halt, wenn die Lichter der Zivilisation den Blick in den Sternenhimmel verstellen.» – «Ach so! Dann sehen also die in Basel zurzeit nicht das Gleiche, wenn sie in den Nachthimmel blicken, wie wir zwei hier oben?» – «Machen Sie doch selber den Vergleich, wenn Sie morgen wieder zu Hause sind.» – «Vielleicht. Mal sehen. Wenn ich nach der Arbeit nicht zu müde bin. Ich habe es halt nicht so mit den Sternen …!»

Die Frau zieht noch einmal kräftig an ihrer Zigarette, lässt ein letztes Rauchwölklein in den sternenübersäten Himmel steigen und verschwindet wieder in der Hütte. So tönt das also, wenn Altherrenromantik mit Realitätssinn einer überarbeiteten Städterin, die es halt nicht so mit den Sternen hat, zusammenstösst.

Bei nächtlichen Expeditionen habe ich meistens Lorenz Martis «Eine Hand voll Sternenstaub» im Gepäck, eine Art Kosmologie für Dummies, also genau das Richtige für mich. Martis Betrachtungen helfen mir jeweils aus dem blossen Staunen heraus, indem sie das Unfassbare mit Zahlen, Erklärungen und Vergleichen um einige Millimeter in die Gegend des Fassbaren rücken. So konnte ich mich noch in der gleichen Nacht vergewissern, dass wir den Sternen nichts Geringeres verdanken als unser Dasein. Ein Grossteil der Atome und Moleküle unseres Körpers soll aus dem Innern verloschener Sterne stammen. Sie liefern uns die lebensnotwendigen Elemente: Eisen für unser Blut, Sauerstoff für unsere Lungen, Kohlenstoff für unser Gewebe und Kalzium für unsere Knochen. Daraus folgert Marti: «Wir sind wortwörtlich Sternenstaub. Die Sterne sind uns näher als unsere Halsschlagader.»

Am folgenden Morgen beim Abstieg vom Berg holt mich die Frau vom Vorabend ein. Als wir ungefähr auf gleicher Höhe sind, verlangsamt sie ihre Schritte und meint mit einem leicht herablassenden Lächeln im Gesicht: «Na, haben Sie gestern Nacht mit den Sternen Freundschaft geschlossen?» – «Ich weiss nicht, ob die Sterne auf meine Freundschaft Wert legen. Im Allgemeinen haben sie eher ein distanziertes Verhältnis zu uns Menschen, es sei denn, wir befühlen hie und da unsere Halsschlagader …» Die Frau glotzt mich wie ein lebendiges Fragezeichen an und drückt sich kopfschüttelnd an mir vorbei.

Ich schaue ihr hinterher, und hätte die gestrige Bettlektüre nicht auch meinen Respekt für das Naturwunder Mensch beflügelt, so hätte mich diese erneute Begegnung mit meiner astrophoben Wandergenossin wohl in einer etwas gereizten Stimmung zurückgelassen. Doch die Vorstellung, dass es im Kopf des Homo sapiens mehr neuronale Verknüpfungen geben soll als Sterne in der ganzen Milchstrasse, versetzt mich in eine so weltumspannende Menschenliebe, dass auch eine urbane Raucherin, die es halt nicht so mit den Sternen hat, problemlos darin Platz findet.

Hubert Schaller ist unter anderem Autor der Gedichtbände «Trommelfellschläge» (1986), «Drùm» (2005) und «Federleicht» (2016). Bis zu seiner Pensionierung unterrichtete er Deutsch und Philosophie am Kollegium St. Michael. Als FN-Gastkolumnist schreibt er regelmässig über selbst gewählte Themen.

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