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Kinderfotos im Netz: Zwei Freiburger Forschende warnen vor Gefahren

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Viele Eltern teilen gerne Fotos und Videos ihres Nachwuchses auf sozialen Medien. Dass das gefährlich ist, erklärt der Freiburger Forscher Dominicq Riedo im Interview mit den FN. Die Juristin Gaëlle Droz spricht über mögliche juristische Konsequenzen. 

Das Kind macht seine ersten Schritte, bekleckert sich beim Essen mit Brei oder planscht vergnügt im Schwimmbecken. Solche Momente des Familienalltags erfüllen viele Eltern mit Freude und Stolz und sind deshalb beliebte Fotosujets. Klebte man die Kinderfotos früher ins Fotoalbum, so werden sie heute in den sozialen Medien geteilt. Plattformen wie Instagram oder Facebook sind voller Fotos oder Videos, die den Alltag von Kindern und Familien dokumentieren. Für die Eltern macht sich der Jö-Effekt oftmals in der Form von Likes bezahlt: Family Content ist im Netz extrem beliebt, und es gibt sogar Familien, die durch die Inszenierung ihres Alltags ihren Lebensunterhalt verdienen und einen enormen Bekanntheitsgrad erreicht haben (siehe Kasten).

Das Phänomen, dass Eltern Fotos oder Videos ihrer Kinder auf den sozialen Netzwerken veröffentlichen, wird als Sharenting bezeichnet. Der Ausdruck ist eine Wortneuschöpfung und setzt sich aus den englischen Begriffen «sharing» (teilen) und «parenting» (Erziehung oder Elternsein) zusammen. 

Drohender Missbrauch

Woran viele Eltern nicht denken, wenn sie Kinderfotos posten: Sharenting kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Welche das sind, erklärt Dominicq Riedo, Forscher am Zentrum für Lehrerinnen- und Lehrerbildung der Universität Freiburg, im Interview mit den FN: «Es besteht die Gefahr, dass die Fotos von Dritten verwendet werden. Im schlimmsten Fall können sie für kinderpornografische Zwecke missbraucht werden.» Weiter bestehe das Risiko, dass Kinder und Jugendliche später aufgrund solcher Inhalte von Gleichaltrigen gemobbt würden. Viele Eltern seien sich dieser langfristigen Konsequenzen nicht bewusst, und entsprechend sei es eine weitverbreitete Praxis, Fotos der eigenen Kinder zu posten. Das beginne bereits bei den Kleinsten:

In Europa verfügen 73 Prozent der Kinder unter zwei Jahren bereits über einen digitalen Fussabdruck.

Sharenting beginnt übrigens bereits vor der Geburt: Auf Instagram gebe es – Stand 2021 – mehr als 60’000 Beiträge mit dem Hashtag Ultraschall. 

Dominicq Riedo erklärt den FN, dass Kinderfotos im Netz langfristige Konsequenzen haben können.
Marc Reidy

Keine Kontrolle im Netz

Dass beim Teilen von Kinderfotos besondere Vorsicht geboten ist, bestätigt auch Gaëlle Droz, Forscherin am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg:

Sobald wir ein Bild auf Social Media teilen, verlieren wir die Kontrolle darüber. Wir können nie wissen, was künftig mit diesen Inhalten geschieht.

Können Eltern, die Kinderfotos posten, sogar mit dem Gesetz in Konflikt kommen? «Es ist wie bei den meisten juristischen Fragen: Es kommt darauf an», antwortet die Rechtsanwältin zunächst lapidar, bevor sie zu einer ausführlichen Erklärung ansetzt: Im Fall von Sharenting stehe das Recht auf freie Meinungsäusserung der Eltern in Konflikt mit dem Recht auf Privatsphäre der Kinder. Wichtig sei die Unterscheidung zwischen Kindern, die urteilsfähig sind, und jenen, die dies aufgrund ihres Alters und Entwicklungsstands noch nicht sind. Urteilsfähig ist man dann, wenn man in der Lage ist, vernunftgemäss zu handeln. Im Kontext von Sharenting hiesse das vor allem auch, dass man die möglichen langfristigen Folgen eines Posts einschätzen kann. «Wenn ein Kind urteilsfähig ist, dann müssen die Eltern um seine Erlaubnis fragen, bevor sie das Bild posten. Gibt das Kind nicht sein ausdrückliches Einverständnis, gilt es, den kindlichen Willen zu respektieren, und das Bild sollte nicht veröffentlicht werden.» Setzen sich die Eltern über den ausdrücklich und wiederholt geäusserten Wunsch des Kindes oder des Jugendlichen hinweg, so gibt es auf zivilrechtlicher Ebene Möglichkeiten, die Eltern zu zwingen, Kinderfotos und -videos zu löschen.

Bei Kindern, die nicht urteilsfähig sind, sind die Eltern sozusagen die Verwalter ihres Rechts am eigenen Bild. Sie sind aber verpflichtet, ihre Handlungen immer am Wohl des Kindes zu orientieren. Für Droz ist aber klar:

Wenn Eltern Kinderfotos posten, steht dahinter immer ein narzisstisches Motiv. Es geht dabei nie um das Kindeswohl.

Fotos oder Videos von Babys und kleinen Kindern haben für Droz also nichts in den sozialen Medien zu suchen. 

Die Rechtsanwältin im Interview mit den FN: «Babyfotos haben auf Instagram nichts zu suchen.» 
Marc Reidy

Was darf man noch posten?

Etwas anders sieht das Dominicq Riedo. Einen verantwortungsvollen Umgang mit Kinder- und Familienfotos in den sozialen Medien gebe es durchaus. Man müsse aber einige wichtige Punkte beachten: «Bevor ich ein Bild meines Kindes online poste, sollte ich mir die Frage stellen: Würde ich dasselbe Bild von mir ins Netz stellen? Ausserdem sollte man sich fragen: Wie wird mein Kind wohl in zehn Jahren über das Bild urteilen?» Dabei müsse man beachten, dass Kinder die Bilder oft anders bewerten als ihre Eltern: «In Studien konnte man feststellen, dass ein Foto, das die Eltern als süss empfinden, bei Kindern oftmals ganz andere Reaktionen hervorruft.» Die Kinder sollten auf den Fotos zudem nicht leicht bekleidet zu sehen sein, und man sollte sie keinesfalls in besonders verletzlichen, intimen oder emotional aufgeladenen Situationen zeigen. Zu vermeiden seien auch peinliche Situationen, die für Aussenstehende vielleicht lustig, für die Kinder jedoch vielfach beschämend sind. 

Riedo rät auch dazu, Kinder so zu fotografieren, dass das Gesicht nicht deutlich zu erkennen ist. Auf den gängigen Plattformen gebe es auch Privatsphäreeinstellungen, mit denen man festlegen könne, wer das Bild zu sehen bekommt. 

Abgesehen von diesen Praxistipps sei es das Wichtigste, möglichst früh mit den Kindern in den Dialog zu treten: «Bereits ab vier Jahren zeigen Kinder Reaktionen auf Fotos oder Videos von ihnen. Ich würde empfehlen, die Fotos spätestens ab dem Schuleintritt nur mit der Zustimmung des Kindes zu veröffentlichen.»

Es braucht Prävention

«Viele Erwachsene sind sich einfach nicht bewusst, welche Auswirkungen das leichtfertige Posten von Kinderfotos haben kann», hält Riedo fest. Deshalb sei es wichtig, mit Präventionskampagnen auf die Thematik aufmerksam zu machen (siehe Kasten). Zudem spiele die Schule eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für die Gefahren in der digitalen Welt.

Auch für Gaëlle Droz ist Prävention der richtige Weg, um die Leute zum verantwortungsvolleren Umgang mit personenbezogenen Daten zu bewegen. Ob die aktuelle Rechtslage einen ausreichenden Schutz bietet im digitalen Raum? «Die digitale Welt ist extrem komplex. Niemand ist ausreichend vor dem Missbrauch personenbezogener Daten geschützt.» Es sei schwierig, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der einen hundertprozentigen Schutz bietet. Die Verantwortung liege deshalb in erster Linie bei den Einzelpersonen: «Die Eltern sind für den Schutz ihrer Kinder im Netz verantwortlich.»

Prävention

Sensibilisierung auf dem Spielplatz

Die Stiftung Kinderschutz Schweiz hat 2021 eine der wenigen existierenden Kampagnen lanciert, mit dem Ziel, auf die möglichen Gefahren von Sharenting aufmerksam zu machen. Am internationalen Tag der Kinderrechte, am 20. November, liess die Stiftung auf den Spielplätzen Heuried in Zürich und Längmuur in Bern Sticker mit Kindermotiven verteilen. In den Stickern waren QR-Codes versteckt, die von blossem Auge kaum zu erkennen waren. Wurde ein Kind vor einem Sticker fotografiert, erkannten die Handykameras den Code. Daraufhin wurde eine Nachricht, die vor Sharenting warnt, an das Handy gesendet, und die Fotografierenden wurden auf die Website Privacy-playground.ch weitergeleitet. Die Website klärt über die Gefahren von Sharenting auf und gibt Tipps, wie Kinder im Netz geschützt werden können.

Bei der Aktion handelte es sich um ein Pilotprojekt, und sie beschränkte sich auf die beiden Spielplätze in Bern und in Zürich. Es ist aber eine schweizweite Ausweitung geplant. mbe

Soziale Medien

Inhalte von Kindern und Familien sind sehr beliebt

Die meisten Eltern teilen Fotos oder Videos ihrer Kinder auf sozialen Netzwerken, um sie mit Freundinnen, Bekannten oder der Familie zu teilen. Einige Blogger können mit der Inszenierung ihres Familienalltags sogar den Lebensunterhalt bestreiten. Im deutschsprachigen Raum besonders bekannt ist die aus Deutschland stammende Familie Harrison, die unter anderem auf Instagram und Youtube ihr Leben in Dubai dokumentiert. Dem Instagram-Account der Harrisons folgen fast 600’000 Nutzerinnen und Nutzer. Ein bekannter Schweizer Familienblogger ist mit 24`700 Followern auf Instagram Fabio Zerzuben, der im Jahr 2022 den Swiss Influencer Award in der Kategorie Family erhalten hat.

Auf den Social-Media-Plattformen sind nebst Familienbloggern auch die sogenannten Kidfluencer beliebt. Dabei handelt es sich um Minderjährige, die auf Instagram, Youtube, Snapchat und Co. eine Präsenz aufgebaut haben. Die Kinder-Influencer unterhalten ihr Publikum durch Einblicke in ihren Familienalltag und ihre Freizeitaktivitäten, geben Schminktipps oder bewerben Spielzeuge. Einige dieser Accounts sind sehr lukrativ: Nach Angaben des Wirtschaftsmagazins «Forbes» gehörten 2021 Ryan Kaji, Jahrgang 2011, und die 2014 geborene Anastasia Sergeyevna Radzinskaya alias Like Nastya zu den Top Ten der am besten verdienenden Youtube-Stars. mbe

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