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Klassentreffen

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Im Jahr 1956 nahm ich, siebenjährig, den Weg zur ersten Klasse im Gänsebergschulhaus unter meine damals wohl noch kleinen Füsse (kleine Schritte für ein Kind, aber ein grosser Schritt für die Menschheit?). Ein Foto aus dieser Zeit zeigt einen strahlenden Knaben in kurzen Hosen, Kniesocken, Lederschuhen (gebürstet und gewichst) mit richtigen Schnürsenkeln (selbst gebunden). Die Haare, seitlich gescheitelt, mit dem unverkennbaren Glanz der Brillan­tine. Auf dem Rücken ein fellbesetzter Schulranzen, Inhalt: Schiefertafel, Kreidestift, Schwämmchen.

Die Lehrerin war eine junge Ordensfrau namens Sr. Angelica mit einer – trotz der burkaartigen Verschleierung – unglaublich liebevollen Ausstrahlung und Augen voller Schönheit. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Selbstverständlich waren Mädchen und Knaben streng getrennt: verschiedene Eingänge, getrennte Pausenplätze, unten spielte «Mann» Fussball und prügelte sich ab und zu, oben spielte «Frau» Völkerball und diskutierte ausgiebig über die minimale Länge der Zöpfe. Die Trennung galt selbstverständlich auch und ganz besonders in der Kirche: Knaben rechts, Mädchen links, und wehe der Lehrer erwischte uns beim «Schielen» nach links.

2019 Klassentreffen, nicht sieben, sondern siebzigjährig: sich begegnen, erkennen und wiedererkennen, kennenlernen. Für kurze Zeit zurück zu den Wurzeln, die gemeinsame Schulzeit, nachdem sich die Lebenswege in alle Himmelsrichtungen zerstreut hatten. Sei es des Berufes wegen, sei es der Lockruf der Liebe, die Abenteuerlust, das Ausbrechen aus der Enge des Dorfs. Einige sind geblieben, andere kamen zurück.

Die Herren mit meist ergrautem und ziemlich gelichtetem Kopfschmuck, die Frauen immer noch farbenfroh und selbstverständlich viel «jünger». «Weisst du noch? Bist du nicht? Du bist doch? Ja klar, erkennst du mich nicht? Doch, aber dein Name …? Was müsst ihr Frauen auch immer den Namen ändern?»

Dann kommen die Geschichten von guten und schlechten Lehrern, von liebevollen und frustrierten Nonnen. Bei den einen gingen wir gerne zur Schule und haben sogar etwas gelernt, bei andern hatten wir vor allem Angst. Es wurde geschlagen, an den Haaren gerissen, geohrfeigt, bis Blut aus den Ohren lief.

Weisst du noch, Lehrer X, er hat mich an der Treppe zusammengeschlagen, bis ich die Steinstufen hinunterflog und dort liegen blieb. Der Grund: Ich hatte am Sonntagnachmittag nach der Vesper die Kirche durch die Hinter- statt die Nebentür verlassen. Weisst du noch, wie er mich am Hosengurt packte und im dritten Stock an einer Hand zum Fenster hinaushielt? Weisst du noch, wenn einer nach Ansicht des Lehrers zu lange Haare hatte, wurde er kurzerhand vor der ganzen Klasse wie ein Schaf kahl geschoren? Weisst du noch, der Religionslehrer, der die Kinder an den Schläfenhaaren (Grännihaare) mit ausgestreckten Armen hochzog, um ihnen auf Augenhöhe die Liebe Gottes näherzubringen? Oder der «Musiklehrer»: War ein Kind nicht gerade begabt, wurde es am Nacken gepackt und mit Stössen der Stirn gegen die Wandtafel, auf der die Tonleiter stand, «musikalisiert»: do, ré, mi, ich höre den dumpfen Ton der Schläge heute noch.

Später, gegen Ende der Schulzeit, hatten wir zwar nicht viel gelernt, doch wir waren physisch stärker und gross geworden. So kam es, dass ich nach einer Ohrfeige aufsprang und dadurch den Lehrer so erschreckte, dass er den «Klassenchef» um Hilfe rief und mich vor die Tür setzte. Ich, nicht faul, lief nach Hause und ging drei Tage nicht zur Schule, bis der Lehrer zu uns nach Hause kam und mich, mir den Kopf streichelnd (!), bat, doch wieder in die Schule zu kommen. Oder da war Kamerad P., der sich weigerte, das Schulzimmer zu verlassen, und sich am Pult festklammerte, so dass er auf Befehl des Lehrers gleich samt dem Pult von vier kräftigen Mitschülern auf den Gang hinausgetragen wurde.

Andere Kinder wurden jeden Montagmorgen zuerst einmal geschlagen. Meist waren es Kinder aus kinderreichen, ärmeren Familien, nicht selten war der Vater alkoholkrank, und auch zu Hause waren Schläge an der Tagesordnung. Sie hatten nie eine Chance, an ihnen wurde brutal exerziert, dass «Dummheit lernbar ist».

Nein, es war nicht wirklich eine schöne Zeit, unsere Schulzeit. Und wenn es schöne Zeiten gab, so hat die Schule wenig dazu beigetragen. Die guten, die wirklich guten Lehrer und Lehrerinnen (damals ausnahmslos Nonnen) blieben die Ausnahme. Schlagen, bestrafen und blossstellen waren die wichtigsten pädagogischen Hilfsmittel, die Angst vor Strafen oft die einzige Motivation. Die verantwortliche Behörde? Die schaute in der Regel untätig zu. Wenn es ganz extrem wurde, wurde ein Lehrer ausnahmsweise «ausgewildert», also in eine andere Gegend versetzt.

Ob es uns geschadet hat? Ja, es hat vielen geschadet und keinem geholfen. Und wenn die meisten von uns «es geschafft» haben, so nicht deswegen, sondern trotzdem. Nicht wenige aber haben im Leben den Tritt nie mehr gefunden.

Trotzdem möchte ich mit einer positiven Geschichte enden: Trotz peinlichst überwachter Trennung in Schule, Kirche und auf dem Pausenplatz haben sich zwei aus unserer Klasse gefunden: Und weil sie nicht gestorben sind, so leben (lieben) sie noch heut, gemeinsam und glücklich.

PS I: Keine dieser Schilderungen ist erfunden.

PS II: Ich erzählte die Geschichten meist in der Ich-Form, damit bin aber nicht immer ich gemeint, manchmal aber schon.

Der Düdinger Franz Engel ist pensionierter Arzt und verbringt nun seine freie Zeit mit Fischen und dem Hüten der Enkelkinder. Als Gastkolumnist bearbeitet er im Auftrag der «Freiburger Nachrichten» in regelmässigem Rhythmus selbst gewählte Themen.

 

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